Veranstaltung: | 54. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | Fachforum Ökologie, Luca Brunsch (dort beschlossen am: 09.10.2020) |
Status: | Eingereicht |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung |
Eingereicht: | 10.10.2020, 00:41 |
V-8: Platz da! Flächenplanung für die Energiewende
Antragstext
Windenergieanlagen und Photovoltaik auf Freiflächen sind inzwischen beim Neubau
kostengünstigte Art der Energieerzeugung, abgesehen von der
Braunkohleverbrennung. Damit wir die Energiewende schaffen können, reicht es
aber nicht, dass die Kosten niedrig sind - wir brauchen auch ausreichend
geeignete Flächen und zügige Genehmigungsverfahren. Benötigt werden sowohl die
Solarenergie als auch die Windkraft: denn wenn keine Sonne scheint, weht oft der
Wind und umgekehrt. Dadurch sinken der Bedarf an Speichern, seltenen Erden und
die finanziellen Kosten massiv.
Für eine vollständige Energiwende brauchen wir laut dem Umweltbundesamt im
Schnitt mindestens 2% der bundesweiten Flächen. Besonders windhöffige und
relativ dünn besiedelte Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Brandenburg und
Niedersachsen müssen dabei besonders große Flächenanteile ausweisen: also
deutlich mehr als 2%.
Es ist absurd, dass Windenergieanlagen deutlich größere Abstände zu Wohnbebauung
einhalten müssen, als Kohlekraftwerke. Ab 600 m Entfernung sind neue
Windenergieanlagen erfahrungsgemäß nicht mehr zu hören. Die Infraschallbelastung
durch ein fahrendes Auto ist höher als durch eine Windenergieanlage. Die meisten
Windgegner*innen haben dann auch ein anderes Motiv: insbesondere seit
Jahrzehnten ansässige Menschen stören sich an der Veränderung der Landschaft.
Absurde Anschuldigungen, wie der angeblich hohe Vogelschlag oder die erwähnte
Infraschallbelastung spielen insbesondere beim harten Kern der Windgegner*innen
ebenfalls eine Rolle, widersprechen aber den wissenschafltichen Befunden.
Für uns jüngere Generationen gehören Windenergieanlagen dagegen zum
Landschaftsbild längst dazu und werden als positiv wahrgenommen: schließlich
drehen sie sich für unsere Zukunft.
Die Mindestabstände der Bundesländer wollen wir auf 600m, im Ausnahmefall bis
800m kürzen. Um das Flächenziel von mindestens (!) 2% bundesweit in den nächsten
15 Jahren zu erreichen, sind auch 1000m Mindestabstände noch zu viel. Näher
stehende Einzelhäuser sollen in Ausnahmefällen entschädigt werden können.
Besonders wichtig ist es aber, die 1,5 km Abstand in Nordrhein-Westfalen und die
10H-Regel in Bayern abzuschaffen. Der Windkraftausbau in NRW wird dringend zur
Beschleunigung des Kohleausstiegs benötigt und in Bayern sind seit Einführung
der 10H-Regel praktisch keine Windräder mehr gebaut worden. Falls die
Flächenausweisungen der Länder nicht reichen, sollen sie über ein Bundesgesetz
dazu verpflichtet werden, ausreichend Erzeugungsflächen für 100% erneuerbare
Energien bei Strom, Wärme, Verkehr bis 2035 bereit zu stellen. Zurzeit ist dies
der Fall.
Auch weitere Planungshemmnisse aus den Landesgesetzgebungen wollen wir abbauen,
etwa pauschale Abstände zu Nachbargrundstücken (statt zur Wohnbebauung),
allgemeine Regelungen zum Rückbau unter gleichen Bedingungen statt
flächendeckend individueller Rückbaugutachten, auch eine Verkürzung der
Genehmigungsfristen und Integration sowie Reduktion der Planungsschritte können
hilfreich sein. Wir wollen die Umsetzung von Flugwindkraftwerken ermöglichen,
die die ökologische Belastung und den Flächenbedarf möglicherweise signifikant
reduzieren können. Vertikalläufer haben dagegen aus physikalischen Gründen kaum
nennenswerte Potentiale.
Die Größe von Windenergieanlagen zu reduzieren, sehen wir kritisch: bereits
etwas kürzere Rotorblätter senken die Energieerzeugung signifikant, weshalb am
Ende mehr gebaut werden müssen. Um die Akzeptanz der Windenenergie zu erhöhen,
wollen wir stattdessen noch stärker als bisher auf Bürgerenergie und Beteiligung
von Kommunen setzen, z.B. mit Privilegierungen im Genehmigungsprozess. Außerdem
wollen wir die Gewerbesteuer über die formalen Gemeindegrenzen hinweg nach der
Zahl der Anwohner im Umkreis eines Kilometers anteilig an alle angrenzenden
Gemeinden verteilen, da die bisherige Praxis oft für Unfrieden sorgt. Eine
bedarfsgerechte Steuerung der Leuchtsignale (Befeuerung) wird von der
Bundesregierung bereits eingeführt, was die Akzeptanz erhöhen sollte.
Es ist auch absurd, dass die Anti-Wind-Lobby es schaffen konnte, den Vogelschutz
zu einer Waffe gegen die Energiewende umzufunktionieren, obwohl Glasscheiben,
die industrielle Landwirtschaft, und der Autoverkehr um den Faktor Hunderte oder
gar Tausende Mal höhere Vogelschlagzahlen zu verzeichnen haben und sich die
Bestände der vom Windenergieausbau betroffenen Tiere mit Ausnahme des Bussards
stetig erhöhen, ohne dass eine negative Korrelation mit dem Windenergieausbau
gezeigt werden kann. Durch Vogeldetektoren und zeitlich begrenztes Abschalten,
z.B. zum Schutz lokaler Fledermauspopulationen wollen wir die
Naturschutzauswirkungen der Windenergie aber weiter eindämmen. Nach der
industriellen Landwirtschaft ist der Klimawandel der weltweite Artenkiller Nr.
2.
Grundsätzlich gilt: wir müssen stärker vom individuellen Artenschutz zu einem
effektiven Schutz von Ökosystemen und Biodiversität übergehen.
Deshalb wollen wir das signifikante Tötungsrisiko aus dem Genehmigungsverfahren
nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BimschG) streichen. Das signifikante
Tötungsrisiko ist eine aus dem EU-Recht stammende Innovation, die eigentlich auf
Phänomene wie den Vogelfang mit Leimruten zielen sollte, und eine sachlich
unzulässige Ausweitung erfahren hat. Stattdessen wollen wir verstärkte
ökologische Verbundsysteme für den Naturschutz ausweisen und mit einer
Agrarwende das Problem bei der Wurzel packen.
Tatsächlich relevant ist der Vogelschlag bei Stromtrassen. Aber auch der
Netzausbau, besonders von HGÜ-Trassen, ist für eine schnelle Energiewende
zwingend notwendig: die bisherige Bundesbedarfsplanung reicht voraussichtlich
nicht aus und muss nachgebessert werden (gemeinsam mit einem dezentralen,
stärker als bisher nach den lokalen Bedarfen gesteuerten Ausbau). Hier können
und müssen auf den Freileitungsabschnitten (abzüglich der Erdverkabelung) für
die Vögel visuell auffällige Aufhängungen den Vogelschlag drastisch reduzieren.
Auch für Solaranlagen ist die Flächenplanung relevant. Wir brauchen und wollen
dabei aktuell keine Landesplanung für Photovoltaik einführen, die den Ausbau
drastisch verlangsamen würde. Wir brauchen aber ein gut ausgearbeitetes Leitbild
für gute fachliche Praxis. So kann Photovoltaik auf Grünflächen einen großen
ökologischen Gewinn darstellen, wenn sie intensiv bewirtschaftete Flächen
ersetzt - umso mehr, wenn ökologische Kriterien beachtet werden. Ein Anreiz kann
die Generierung von Ökopunkten darstellen. Zudem ist eine Beweidung durch Schafe
oder eine andere Art der landwirtschaftlichen Nutzung für eine effizientere und
ökologischere Flächennutzung sinnvoll. Agrophotovoltaik (bifaziale Ost/West-
Anlagen) kann auch auf Flächen in Deutschland möglicherweise wirtschaftlich
sein. Solarer Wasserstoff hat nur 1/4-1/5 des Flächenbedarfs von Energiepflanzen
für Biogasanlagen und ist im Vergleich hierzu die bessere Alternative. Deshalb
wollen wir die Biogasanlagen zukünftig - bis zum technischen Maximum - möglichst
nur noch mit Gülle betreiben. Ergänzend können z.B. Abfälle, die nicht mehr
sinnvoll kompostierbar sind, als Gärstoffe dienen.
Über Grünflächen-Photovoltaik hinaus, ist es sinnvoll, bereits belastete Flächen
zu nutzen. So ist zu prüfen, inwiefern etwa bifaziale Module auf Autobahnen
(Mittelstreifen, Lärmschutzwände) sinnvoll sein können. Auch die
Dachflächenphotovoltaik muss ihr Potential endlich ausschöpfen. Wir sehen nicht
erst die Kommunen, sondern schon die Länder in der Pflicht zur Erstellung von
Dachflächenkatastern für PV und Solarthermie. Idealerweise soll die Solarpflicht
auf Neubauten, die zum Beispiel in Bremen schon umgesetzt wird, bundesweiter
Standard werden, kann aber auch von Ländern und Kommunen umgesetzt werden. Nach
einer Prüfung soll diese Regelung möglichst auf den Bestand ausgeweitet werden.
Eine entscheidende Herausforderung ist zudem das Bereitstellen von Flächen für
die kommunale Wärmewende. Lokale Wärmenetze bieten die Möglichkeit, auch große
Wärmeerzeuger, wie großflächige Freiflächen-Solarthermie oder Geothermie in die
Wärmeversorgung einzubinden und über Einspeisetarife und Umlagesysteme ohne
Haushaltsausgaben zu fördern. Für die Erzeugung und die Anlagen (insbesondere
Freiflächen-Solarthermie) werden jedoch teilweise große Flächen benötigt, was
bei der Flächenplanung in den meistens dicht besiedelten Gebieten besonders
berücksichtigt werden muss. Diese Flächenplanung sollte mit einer kommunalen
Wärmeplanung kombiniert werden, bei der alle Potenziale und Bedarfe an Wärme,
Abwärme und Kälte kartografiert und aufeinander abgestimmt werden. Diese
Planungen müssen stetig nachgebessert und angepasst werden, da auch die Erzeuger
und Verbraucher sich stetig verändern. Es ist sinnvoll, frühzeitig vorrangige
Anschlussgebiete für das Wärmenetz und vorrangige Sanierungsgebiete für die
energetische Sanierung auszuweisen, damit die Bürger*innen frühzeitig wissen,
wohin die Reise geht. Um die zur kostendeckenden Finanzierung nötige Dichte an
Abnehmern sicher zustellen, sollte im Zweifelsfall auch eine Anschlusspflicht an
das Wärmenetz verfügt werden.
Platz da für die Energiewende! Unsere Kernforderungen für eine klimagerechte
Flächenplanung:
- Mindestens 2% der Flächen in Deutschland für die erneuerbare
Energieerzeugung bereitstellen
- Mindestabstände bei Windrädern runter auf 600m
- Planungshürden in Bund und Ländern abbauen
- Naturschutz und Energiewende durch technische Lösungen bei Windanlagen und
Stromtrassen versöhnen
- Gleichberechtigung zwischen Windenergieanlagen und Glasscheiben! Schluss
mit der Anwendung des Jagdrechts (individuelles Tötungsverbot) auf
Windenergieanlagen.
- Photovoltaik und Landwirtschaft: Flächen doppelt nutzen, belastete Flächen
ausnutzen
- Biogasanlagen bis zum technischen Maximum auf Güllebasis betreiben
- Solarpflicht auf Neubauten und Bestandsgebäuden
- Kommunale Planung für erneuerbare Wärmenetze
Begründung
erfolgt mündlich.