Veranstaltung: | 54. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedene Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Mitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 11.11.2020 |
Eingereicht: | 11.11.2020, 19:27 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Gegen das globale Patriarchat - Für eine queerfeministische Außenpolitik
Beschlusstext
Unsere junggrüne Friedens- und Außenpolitik richtet sich an diejenigen, die von
ihr betroffen sind und ist sensibel gegenüber Machtverhältnissen, die diese
Betroffenheit verstärken. Wir befürworten den Paradigmenwechsel, Sicherheit
nicht mehr im Sinne von Staaten, sondern im Sinne von Menschen zu denken.
Menschliche Sicherheit denkt Bedrohungen durch Hunger, Krankheit, Kriminalität
und Repression und physischer, mentaler und sexualisierter Gewalt mit und
entwirft Lösungskonzepte, bei der das Individuum und seine Bedürfnisse im
Vordergrund stehen. Um menschliche Sicherheit zu verwirklichen, müssen wir
Kritik an aktuellen Machtstrukturen ausüben. Denn wir wollen strukturelle
Diskriminierung und Unterdrückung jeglicher Art durchbrechen. Gewaltspiralen,
Aufrüstung und bewaffnete Konflikte basieren viel zu oft auf toxischen und
aggressiven Dynamiken von patriarchalen Strukturen. Wir als Grüne Jugend wollen
Machthierarchien durchbrechen und das Thema Frieden und Sicherheit
geschlechtergerecht betrachten.
Feministische Außenpolitik denkt intersektional
Unser Anspruch ist, Außenpolitik queerfeministisch und intersektional zu
gestalten. Manche Menschen gehören mehreren marginalisierten Gruppen an.
Intersektionalität bedeutet dabei, die besonderen Diskriminierungsformen, denen
diese Menschen ausgesetzt sind, zu bedenken. Frauen, inter und trans Personen,
die zusätzlich von weiteren Diskriminierungsformen betroffen sind, sind
besonders stark marginalisiert. Wir fordern deshalb, auf die Bedürfnisse
mehrfach diskriminierter Personen in Situationen des bewaffneten Konflikts und
außenpolitischen Lösungsansätzen einzugehen. Intersektionale Ansätze müssen in
allen Bereichen der deutschen Außenpolitik gemainstreamed werden. Dabei steht am
Anfang etwa die systematische Sammlung von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten
Daten, die sich nicht nur auf binäre Geschlechterkategorien beschränken, sondern
alle Geschlechter einbeziehen. Darüber hinaus muss eine Analyse der
Geschlechterperspektive bei der Entwicklung, Umsetzung und Bewertung von allen
außenpolitischen Maßnahmen durchgeführt werden, um geschlechtergerechte
Maßnahmen zu ermöglichen. Diese Analyse muss eine intersektionale Perspektive
haben, die berücksichtigt, dass Menschen eines bestimmten Geschlechts eine
heterogene Gruppe sind, unterschiedliche Lebensbedingungen haben, zu
verschiedenen sozialen Gruppen gehören und von unterschiedlichen
Diskriminierungsformen betroffen sind, die sich überschneiden und miteinander
interagieren.
Feministische Außenpolitik setzt die Rechte von
Frauen, inter und trans Personen konsequent um
Wir wollen, dass Frauen, inter und trans Personen ihre universellen
Menschenrechte wie Schutz vor Gewalt und Diskriminierung uneingeschränkt
wahrnehmen können. Ob aufgrund von materiellen Abhängigkeiten, fehlenden
Mobilitätsmöglichkeiten, mangelndem Schutz vor geschlechtsbasierter Gewalt oder
weiteren Faktoren - Frauen, inter und trans Personen sind oft überproportional
stark von bewaffneten Konflikten betroffen. Die Situation von trans, inter, non-
binary und agender Personen verdient dabei besondere Aufmerksamkeit, weil sie
meist ebenso unter cis-männlicher Dominanz leiden, aber zusätzlich durch binäre
Geschlechtersysteme unsichtbar gemacht werden. So stehen ihnen keine Schutzräume
zur Verfügung, was sich in bewaffneten Konflikten besonders stark auswirkt.
Feministische Außenpolitik geht jedoch darüber hinaus, Frauen, inter und trans
Personen nur als primäre Adressat*innen von Nothilfe zu sehen. DennFrauen, inter
und trans Personen sind Akteur*innen und Rechteträger*innen und müssen als
solche anerkannt werden. Daher müssen die Rechte von Frauen, inter und trans
Personen in allem außenpolitischem Handeln berücksichtigt und gestärkt werden.
Das bedeutet auch existierende diskriminierende Gesetze auf allen Ebenen
abzubauen. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit sowie in der Handelspolitik
müssen Geschlechtergerechtigkeit und intersektionale Ansätze integriert werden.
Feministische Außenpolitik kämpft für gerechte
Ressourcenverteilung
Patriarchale Strukturen führen in Deutschland und weltweit dazu, dass die
Teilhabe von Frauen, inter und trans Personen an sozialen, ökonomischen und
politischen Ressourcen begrenzt bleibt. Das ist inakzeptabel, denn für uns ist
klar: Frauen, inter und trans Personen haben das Recht an mindestens 50 Prozent
der Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Dazu muss die
Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich gegen bestehende
Machtstrukturen und für mehr Teilhabe von Frauen, inter und trans Personen und
marginalisierten Gruppen einsetzen, eine zentrale Rolle einnehmen. Wir wollen,
dass in allen Bereichen Personal und finanzielle Mittel explizit zur
Gleichstellung von Frauen, inter und trans Personen bereitgestellt werden. Diese
Prozesse müssen partizipativ gestaltet werden, damit sie die Lebensrealitäten
von Frauen, inter und trans Personen vor Ort berücksichtigen.
Feministische Außenpolitik bringt Frauen, inter
und trans Personen an die Verhandlungstische
Die aktive Teilnahme von Frauen, inter und trans Personen an Verhandlungen
fördert den Aufbau geschlechtergerechter und diverser Strukturen und sichert
somit langfristig Frieden. Die Teilhabe vonFrauen, inter und trans Personen und
somit die Inklusion einer ganzen Bevölkerungshälfte in Verhandlungsprozesse
führt dazu, dass marginalisierte Gruppen ihre wichtigen Perspektiven in die
Verhandlungen einbringen können. Somit können Lösungsansätze gefunden werden,
die diverse Perspektiven auf soziale und globale Gerechtigkeit berücksichtigen.
Frauen, inter und trans Personen müssen als Entscheidungsträger*innen auf allen
Ebenen der Sicherheits- und Friedenspolitik einbezogen werden.
Geschlechterhierarchien dürfen in keinem auswärtigen Engagement, sei es
Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenprävention oder Mediation von
Friedensverhandlungen gestärkt, sondern müssen aufgebrochen werden. In
Friedensprozessen müssen Frauen, inter und trans Personen und andere
marginalisierte Gruppen anerkannt werden und aktiv an Waffenstillstands- und
Friedensverhandlungen teilnehmen. Frauen, inter und trans Personen müssen zudem
nachhaltig auf allen Ebenen der Friedensarbeit aber vor allem in kommunalen
Gemeinschaften durch finanzielle und technische Unterstützung gestärkt werden.
Dazu gehören die Sensibilisierung und Ausbildung zum Thema Frauen, inter und
trans Personen, Frieden und Sicherheit, Mediations- und Verhandlungstrainings
sowie die Vernetzung von Frauen, inter und trans Personen in verschiedenen
Konfliktkontexten. Auch bei Verhandlungen, welche im Rahmen der EU, OSZE oder
Vereinten Nationen geleitet werden, muss sich die Bundesregierung für eine
stärkere Frauen-, inter und trans Personen-Beteiligung einsetzen. Auch in der
deutschen Außenpolitik sind Frauen, inter und trans Personen und andere
marginalisierte Gruppen noch chronisch unterrepräsentiert. Dies betrifft sowohl
die politische Ebene als auch die Beamt*innenebene. Die Bundesrepublik hatte
noch nie eine Außenministerin. 2018 waren nur 16 Prozent der Leitungspositionen
in deutschen Auslandvertretungen von Frauen besetzt. Wir fordern deswegen eine
Frauen-, inter und trans Personen-Quote von 50 Prozent für die
Führungspositionen im Auswärtigen Amt. Hinzu kommt, dass Initiativen für mehr
Diversität im Auswärtigen Amt wie die "Diplomats of Color" ehrenamtliche und
damit unbezahlte Arbeit einzelner Diplomat*innen sind. Das wird dem Reformbedarf
der Institution nicht gerecht. Daher fordern wir von den Behörden aufgelegte
Diversitätsprogramme und Diversitätsmanagement für die Bundesverwaltung.
Feministische Außenpolitik denkt Abrüstung mit
Eine feministische Außenpolitik, die Frieden und Sicherheit für Frauen, inter
und trans Personen garantiert, kann langfristig nur durch Abrüstung erreicht
werden. Wir fordern die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags durch
Deutschland und den Einsatz für die völkerrechtlichen Ächtung von autonomen
Waffensystemen. Die langfristige Abrüstung nuklearer und konventioneller Waffen
muss das Ziel einer feministischen, auf menschliche Sicherheit zentrierten
Außenpolitik sein. Dabei muss Deutschland selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
Feministische Außenpolitik beendet körperliche
Gewalt an Frauen, inter und trans Personen
Mindestens 50 Prozent aller Geflüchteten sind Frauen, inter und trans Personen.
Frauen, inter und trans Personen fliehen wegen Unterdrückung und Verfolgung aus
politischen und religiösen Gründen. Aber auch Zwangsheirat, genitale
Verstümmelung oder Vergewaltigungen sind weitere Gründe, die Frauen, inter und
trans Personen zur Flucht zwingen. Frauen, inter und trans Personen erleben in
Krisengebieten und auf der Flucht besonders stark körperliche und psychische
Gewalt. Die Auflösung sozialer und gesellschaftlicher Strukturen einer
Gesellschaft führt zur Zunahme der Gewaltbereitschaft. In vielen Bürgerkriegen
gehören systematische Vergewaltigungen zur erklärten Kriegsstrategie. Frauen,
inter und trans Personen, die Opfer von Gewalt wurden, leiden unter psychischen
Langzeitfolgen, und ihrer sozialen Isolation. In der Arbeit mit Frauen, inter
und trans Personen auf der Flucht und in Kriegsgebieten muss deswegen auch auf
diese Formen der erlebten Gewalt eingegangen werden.
Feministische Außenpolitik arbeitet an der
Überwindung globaler Machthierarchien
Mit feministischen Ansätzen der Außenpolitik arbeiten wir als Grüne Jugend
daran, globale Machthierarchien aktiv zu überwinden. Als politischer
Jugendverband in einem der reichsten Länder der Welt haben wir die Pflicht, den
Herausforderungen der Weltgesellschaft durch Klimakrise, Kriege, Flucht und
Vertreibung mit globaler Solidarität und progressiven Lösungsansätzen zu
begegnen. Die hier entworfenen Lösungsansätze sollen in einer
gleichberechtigten, globalen Debatte weiterentwickelt werden.