Veranstaltung: | 54. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedene Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Mitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 01.11.2020 |
Eingereicht: | 11.11.2020, 19:37 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Das Bildungszentrum - die Schule von morgen
Beschlusstext
Bildung ist Voraussetzung für ein friedliches und zukunftsorientiertes
Zusammenleben. In der Schule sollen durch das Erleben und Reflektieren von
Toleranz und Moral gesellschaftliche Werte gelernt werden. Jedem einzelnen Kind
soll durch Bildung ermöglicht werden, sein eigenes Potenzial auszuschöpfen,
bestmöglich zu lernen und so zu gesellschaftlicher und politischer Teilhabe
befähigt zu sein. Das primäre Ziel sollte nicht akademische Höchstleistung sein.
Wichtiger ist es, Kinder zu unterstützen, zu mündigen Erwachsenen zu werden, die
in der Lage sind, selbst zu entscheiden, welchen Lebensweg sie einschlagen
möchten. Schule muss eine solide Grundlage für das spätere Leben schaffen und
Chancen eröffnen, statt sie zu beschneiden. Bewegungen wie „Fridays For Future“
und „Black Lives Matter“ zeigen, wie wichtig eine politisierte, europäische
Jugend heute ist. Sie legen offen, welche Defizite es innerhalb der Gesellschaft
gibt. Politische Bildung, Anti-Diskriminierung jeglicher Art, Empowerment und
kritisches Hinterfragen gesellschaftlicher Normen sind unter anderem Themen, die
Teil der schulischen Bildung sein müssten.
Das aktuelle Schulsystem ist in Hinblick auf diese Zielsetzung ungeeignet. Es
fordert von Kindern und Jugendlichen Anpassung an Leistungs- und Lehrnormen,
statt individuelle Besonderheiten und Stärken anzuerkennen und zu fördern. Damit
bleiben die zahlreichen Chancen unserer gesellschaftlichen Diversität ungenutzt.
Das Ziel einer homogenen Gesellschaft gilt schon lange als überholt – konträr
dazu steht der Vereinheitlichungsgedanke des deutschen Bildungssystems. Durch
das frühe Selektieren und Hierarchisieren im mehrgliedrigen System, findet
bereits im Kindesalter eine soziale Auslese statt, die nachweislich nicht nur
auf schulischer Leistung beruht. Besonders Schüler*innen mit
Migrationsgeschichte und jene aus nicht-akademischen Elternhäusern werden in
ihren gesellschaftlichen und akademischen Möglichkeiten beschränkt. Folge dessen
ist eine doppelte Benachteiligung. Auch Lehrkräfte sind nicht frei von
Rassismen, Sexismen und Ableismen. Dennoch schreiben wir ihnen eine nicht
mögliche Objektivität bei Bewertungen zu. Das führt dazu, dass manche
Schüler*innen für den gleichen Erfolg mehr leisten müssen, als Andere. Statt
diesen Effekt auszugleichen, wird er mit Hilfe von selektiven Maßnahmen durch
das aktuelle Bildungssystem verstärkt.
Auch Schüler*innen mit Behinderung sind in besonderem Maße davon betroffen.
Deutschland hat 2009 die UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit
Behinderungen ratifiziert. Aus Artikel 24 UN-BRK geht die Verpflichtung hervor,
Menschen mit Behinderung im Regelschulsystem inklusive Bildung zu gewährleisten.
Mehr als zehn Jahre später besuchen viele von ihnen aber weiterhin
Förderschulen. Dort haben sie nur geringe Chancen auf einen Regelschulabschluss.
Außerdem kommen Schüler*innen mit Behinderung weniger mit Schüler*innen ohne
Behinderung in Kontakt. So wird die gesellschaftliche Marginalisierung von
Menschen mit Behinderung verstärkt und beiden Seiten das Recht auf ein
gesellschaftliches Miteinander geraubt.
Das Ziel einer homogenen Leistungsgruppe ist nicht nur unerreichbar, vor allem
verhindert es sozialen Austausch und forciert vergleichende Tendenzen innerhalb
der Lerngruppe. Der Leistungsgedanke, der dem Schulsystem zugrunde liegt und
sich in Ziffernnoten und Numerus Clausus ausdrückt, führt nachweislich zu
psychischen Belastungen und kann psychische Erkrankungen begünstigen oder
verursachen. Schüler*innen werden durch Ziffernnoten in ihren akademischen
Möglichkeiten beschnitten und stehen unter Leistungsdruck. Denn Ziffernnoten
täuschen eine objektive Vergleichbarkeit vor, die es nicht geben kann und
verstärken Ungleichheit. Lehrkräfte sind wie alle Menschen von Erfahrungen,
Vergleichen, Stimmungslagen uvm. geprägt. Zudem sind Kompetenzen hoch komplex
und individuell.
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene leiden unter dem im Kapitalismus immer
präsenten Leistungsdruck und Wettbewerb. Das Effizienz- und Leistungsstreben,
das in unserer Gesellschaft als Normalzustand angenommen wird, darf nicht
Grundlage der schulischen Bildung sein. Schüler*innen müssen sich frei von Lern-
und Leistungsdruck individuell entwickeln dürfen. Diese Vielfalt muss sich auch
in den Lernräumen und Unterrichtsinhalten wiederfinden. Nur durch eine
umfassende Demokratisierung des Schulsystems werden Lernräume und
Unterrichtsinhalte Spiegel der Interessen der Schüler*innen. Eine
zukunftsorientierte, inklusive Schule kann nicht ohne Digitalisierung auskommen.
Digitale Kompetenzen sind wichtige Voraussetzungen für gesellschaftiche
Partizipation. Die digitale Welt bietet viele, oft ungenutzte Potenziale, vor
allem im Bereich der Teilhabe.
Das aktuelle Bildungssystem basiert auf Bildungsföderalismus und Ziffernnoten
genauso wie auf Selektion und Schüler*innen-Lehrkräfte-Hierarchie. Einzelne
herausragende Schulen und kontinuierliche Reformen können die schwerwiegenden
strukturellen Fehler des deutschen Bildungssystems nicht ausgleichen.
Selbstbestimmung, Freiheit, Chancengleichheit sowie Emanzipation und
Partizipation der Schüler*innen können nur durch einen grundlegenden Neuentwurf
des Schulsystems erfolgen. Aufgrund dieser Erkenntnisse fordert die GRÜNE JUGEND
die Ersetzung der Schule in ihrer heutigen Form zugunsten der Einführung des gut
finanzierten inklusiven, demokratischen, digitalen, flexiblen,
zukunftsorientierten, europäischen und sich stetig weiterentwickelnden
Bildungszentrums.
Grundkonzept
Das Bildungszentrum wird von allen Kindern bis jungen Erwachsenen mindestens
zehn Jahre lang besucht. Das Bildungszentrum ist eine gebundene
Ganztagsinstitution. Die Schüler*innen sind in heterogenen Stammgruppen
organisiert. In diesen lernen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam. Der
Fokus liegt auf einer engen Zusammenarbeit und individuellen Förderung der
Schüler*innen. Bei allen Entscheidungen werden alle beteiligten Akteur*innen
demokratisch einbezogen. Die Schüler*innen wählen sich ihre Themen innerhalb
eines vorgegebenen Rahmens selbst aus und bearbeiten diese zunehmend
selbstständig. Alle notwendigen Kosten der Schüler*innen werden vom Staat
übernommen. Die Rahmenbedingungen für das Bildungszentrum schafft der Bund. Die
genaue Ausgestaltung erfolgt auf Ebene der einzelnen Bildungszentren. Dabei
orientieren sie sich an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es
finden zudem regelmäßige Evaluationen hinsichtlich der Lehrmethoden innerhalb
der Bildungszentren statt. Nach zehn Jahren stehen den Schüler*innen
individuelle Wege offen Sie können beispielsweise mit einer Ausbildung beginnen
oder noch länger im Bildungszentrum bleiben. Für einige Schüler*innen ist es
zudem sinnvoll, schon mit einem Studium zu beginnen.
Gesetzgebung
Der Bund schafft für die Bildungszentren entsprechende Rahmenbedingungen. Der
Freiraum innerhalb des Rahmens ermöglicht eine größtmögliche Selbstbestimmung
aller am Bildungszentrum Beteiligten.
Gleiche Rahmenbedingungen
Dem Bund fallen die Verwaltung, die Finanzierung, die Vernetzung der
Bildungszentren und die mit breiter zivilgesellschaftlicher Beteiligung, vor
allem junger Menschen, betriebene Ausarbeitung eines auf essenzielle Kernpunkte
beschränkten Kerncurriculums, welches viel Raum schafft für individuelle
thematische Schwerpunktsetzung, zu. Entscheidungen sollen perspektivisch auf
europäischer Ebene getroffen werden mit dem Ziel einer einheitlichen
Bildungspolitik.Der Gesetzgebung des Bundes müssen die Bundesländer über den
Bundesrat zustimmen.
Dezentrale Entwicklungsmöglichkeiten
Die genaue Ausgestaltung erfolgt auf Ebene der einzelnen Bildungszentren. Dazu
gehören die Gestaltung der Lernräume und die konkreten Entscheidungsstrukturen.
Innerhalb klarer Vorgaben werden zudem thematische Schwerpunkte gesetzt.
Örtliche und kulturelle Besonderheiten werden dabei ebenso wie für sonstige
Gestaltungsentscheidungen miteinbezogen. Im Bildungszentrum treffen
Schüler*innen und Lernbegleitende grundsätzlich alle Entscheidungen
demokratisch. Je nach Schüler*in und Thema können auch Erziehungsberechtigte mit
in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Bestimmte Entscheidungen, wie die
thematische Fokussierung in der Erstellung der individuellen Lernpläne, liegen
bei den einzelnen Schüler*innen.
Unterrichtsgestaltung
Gestaltung des Lernens
Im Bildungszentrum wechseln sich konzentrierte, körperlich aktive,
handwerkliche, kreative und entspannte Phasen ab (rhythmisierter Ganztag). So
werden geistig aktive Zeiten genutzt und durch körperliche Aktivitäten
unterstützt. Die täglichen Bildungszeiten orientieren sich an wissenschaftlichen
Erkenntnissen zum natürlichen und individuellen Biorhythmus von Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Vor und nach den regulären Lernzeiten gibt
es die Möglichkeit der Betreuung, wenn dies von Schüler*innen bzw.
Erziehungsberechtigten gewünscht wird.
In der konkreten Gestaltung des Lernens besteht großer Freiraum, sodass sie auf
Schüler*innenschaft und Lernbegleitende passgenau abgestimmt werden kann. An
erster Stelle steht das Ziel, die Schüler*innen individuell dabei zu
unterstützen, zu mündigen, selbstlernenden, kritischen und sozialen Menschen zu
werden. Im Bildungszentrum geht es deshalb vorrangig um die Vermittlung von
(sozialen) Kompetenzen. Die Fähigkeit, Informationen kritisch einzuordnen und zu
hinterfragen sowie eine eigene Meinung auszubilden und diese vertreten zu können
sowie Verantwortung zu übernehmen für sich selbst und die Gesellschaft, steht
dabei stärker im Fokus als die Wissensvermittlung.
Gemeinsames Forschen
Die Schüler*innen sind vorrangig in kleinen alters- und leistungsheterogenen
Stammgruppen organisiert. In geeigneten Einheiten lernen mehrere Stammgruppen
gemeinsam bzw. in neu zusammengesetzten Konstellationen. So kann ein Austausch
zwischen verschiedenen Schüler*innen und über verschiedene Altersstufen hinweg
stattfinden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der gegenseitigen Unterstützung
von leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schüler*innen. Ebenso besteht
die Möglichkeit, dass die Schüler*innen ihre Lehrkräfte in speziellen Thematiken
schulen, um individuelle Erfahrungen zu teilen und ein Lernen auf Augenhöhe zu
erreichen. Davon abgesehen finden auch Einheiten, in denen sich die Lerngruppen
nach Interessen zusammensetzen, statt.
Der Fokus des Lernens liegt auf problem- bzw. lösungsorientierter und kreativer
Projektarbeit, in der Wissen und Kompetenzen durch eigene Praxiserfahrungen und
Recherchearbeit erarbeitet werden. Dabei werden Orte der Begegnung und des
sozialen Lernens geschaffen. Die Stammgruppen beschäftigen sich immer mit einem
Thema, welches sie u.a. aus naturwissenschaftlicher, sprachlicher,
geographischer, gesellschaftskritischer, historischer, künstlerischer, ethischer
oder auch psychologischer und philosophischer Sicht kritisch betrachten. Wo
möglich wird mit allen Sinnen gelernt. Das Bildungszentrum weist eine
Ausstattung auf, die es den Schüler*innen selbst ermöglicht, aktiver Teil einer
lebendigen Institution zu sein. Schüler*innen bringen sich beispielsweise selbst
in der Organisation einer Cafeteria oder eines Kiosks ein, aber auch die
Technik, der Garten und das sonstige Gelände weisen eine Ausstattung auf, die
den Schüler*innen Möglichkeiten bietet, sich auszuprobierenund Verantwortung zu
übernehmen.
Regionale Bildungslandschaften
Zum praxisnahen Lernen gehört, dass das Bildungszentrum zur Außenwelt hin offen
ist. So werden für Projekte Exkursionen von den Schüler*innen (mit-)organisiert
oder Expert*innen, Zeitzeug*innen, Berufstätige oder auch Künstler*innen aus den
jeweiligen Fachgebieten eingeladen. Dabei findet immer eine kritische
Auseinandersetzung mit deren Tätigkeiten, Werten und Weltanschauungen statt.
Durch Vernetzung mit und Unterstützung durch andere Bildungsträger sowie
Institutionen und Unternehmen der Region werden regionale Bildungslandschaften
geschaffen.
Selbstbestimmung und Freiheit
Alle Schüler*innen haben ihre individuellen Lernpläne, die sie auf Grundlage der
eigenen Fähigkeiten und Interessen gemeinsam mit Lernbegleitenden erstellen und
eigenverantwortlich innerhalb der Zeiten des Bildungszentrums bearbeiten. Ihnen
obliegt die Wahl der Bearbeitungsgeschwindigkeit, der inhaltlichen
Ausgestaltung, des Lernortes innerhalb des Bildungszentrums und der
Lernpartner*innen. Die Lernbegleitenden beraten die Schüler*innen regelmäßig und
individuell bei der Erstellung ihrer Lernpläne. Sie stehen den Schüler*innen zur
Unterstützung und fachlichen Hilfe beiseite. Auch erkennen sie, wenn sich
Schüler*innen Leistungsdruck selbst auferlegen und versuchen, ihnen Wege
aufzuzeigen, wie sie mit diesem umgehen. Ebenso motivieren sie zur Beschäftigung
mit herausfordernden undneuen Themen. Sie stellen den Schüler*innen die
gewünschten Materialien zur Verfügung. Diese dürfen zur freiwilligen Vertiefung
auch mit nach Hause genommen werden, eine verpflichtende Bearbeitung
(Hausaufgaben) gibt es nicht. Außerdem regen sie die Schüler*innen zu einem
sensiblen gemeinschaftlichen Miteinander ohne Ausgrenzung und zur Schaffung
entsprechender Strukturen unter den Schüler*innen an. Die Ferienzeiten werden
flexibel gestaltet: Zusätzlich zu gemeinsamen Schulferien, können Schüler*innen
selbstbestimmt freie Tage nutzen.
Bildung ist kostenlos
Alle Bildungskosten der Schüler*innen sowie Kosten für den Zugang zu
Bildung(szentren) werden vom Staat übernommen. Während Lernmittel wie Bücher den
Schüler*innen kostenlos ausgeliehen werden, gehen andere Lernmittel wie digitale
Endgeräte in das Eigentum der Schüler*innen über. Sie dürfen von den
Schüler*innen auch privat genutzt werden.
Multiprofessionelle Lernbegleitende
Im Bildungszentrum werden die Kinder bis jungen Erwachsenen beim Lernen von
einem multiprofessionellen Team begleitet. Diesem gehören Fachkräfte aus den
Bereichen Pädagogik, Therapie, Logopädie, Psychologie sowie weiteren
Fachbereichen an. Mehrere Mitglieder des multiprofessionellen Teams koordinieren
eine Stammgruppe. Das Zentrum ermöglicht und erwartet von den Lernbegleitenden
eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Deshalb werden hochwertige Fortbildungen
besucht. Teambesprechungen finden regelmäßig statt. Es findet ein Austausch über
Lehrmethoden statt, aber auch entsprechende Materialien werden stets geteilt.
Ergänzend findet ein Austausch mit Lernbegleitenden aus anderen Bildungszentren
statt. Die Lernbegleitenden diskutieren stammgruppenübergreifende Probleme sowie
Erfolge und Vorgänge innerhalb einer Stammgruppe. Im multiprofessionellen Team
werden Kollaboration und Kooperation gelebt. Regelmäßig finden Besuche zur
Evaluation und qualitativen Weiterentwicklung der Lernsituation statt. Zur
Aufgabe der Lernbegleitenden gehört auch, für Schüler*innen, die beispielsweise
aufgrund von Krankheit nicht ins Bildungszentrum kommen können, Bildungsangebote
zu schaffen und soziale Kontakte während der Abwesenheit zu fördern sowie die
Wiedereingliederung frei von Stigmatisierung zu ermöglichen. Pflegekräfte und
weiteres Personal, das nicht Teil der Lernbegleitenden ist, wird über das
Bildungszentrum angestellt. Es wird sinnvoll in die Arbeit des
multiprofessionellen Teams eingebunden.
Digitalisierung
Medienkompetenz ist zentral für das Leben im 21. Jahrhundert. Digitale Medien
unterstützen die Inklusion und bieten vielfältige Optionen zur differenzierten
Gestaltung des Lernens und Ansprache der Schüler*innen auf verschiedenen Ebenen
und somit einen Mehrwert. Deshalb werden sie eng mit analogen Medien verknüpft,
ersetzen diese aber nicht in allen Fällen.
Chancen der Digitalisierung aufgeklärt nutzen
Den Risiken digitaler Medien wird mit Aufklärung begegnet. Das Bildungszentrum
ist zentraler Ort zur Sensibilisierung und Prävention: Im Bildungszentrum wird
der verantwortungsvolle Umgang mit persönlichen Daten, Gefahren durch Betrug
sowie der Umgang mit Pornografie und Gewalt im Internet besprochen und kritisch
diskutiert. Die Lernbegleitenden sensibilisieren die Schüler*innen für das
Suchtpotential sozialer Medien und Spiele und geben ihnen Strategien zu
selbstschützendem Verhalten mit auf den Weg.
Fortbildungen zur Digitalisierung
Um die Vorteile der Digitalisierung nutzen zu können, werden alle
Lernbegleitenden regelmäßig professionell im Umgang mit digitalen Medien
fortgebildet. Da die meisten Schüler*innen bereits mit digitalen Medien
aufwachsen, bieten sich zusätzlich Schulungen für Lernbegleitende auch durch
interessierte Schüler*innen in diesem Bereich besonders an.
Lernräume
Das Bildungszentrum ist kultureller Mittelpunkt und Lebensort. Damit trägt es
eine hohe Verantwortung hinsichtlich des Wohlbefindens und der psychischen
Gesundheit. Die Architektur und Einrichtung der physischen Lernräume des
Bildungszentrums richtet sich nach dem Wohl der Schüler*innen und deren
erfolgreichen Lern- und Entwicklungsprozessen. Die Schüler*innen beteiligen sich
an der Wahl der Ausstattung und Gestaltung der Räumlichkeiten. Um zügig und ohne
großen Aufwand die Lernumgebung umzugestalten, ist ausreichend Platz in den
Räumen vorhanden und die Möbel sind leicht und flexibel einsetzbar. Eine
angemessene Versorgung mit Strom und Internet ist die Voraussetzung für den
Einsatz digitaler Medien. Insbesondere bei Neubauten soll die Architektur den
pädagogischen Anspruch der Bildungszentren wiederspiegeln. Bestehende Gebäude
sollen nach Möglichkeit nach diesen Konzepten barrierearm umgestaltet werden.
Pädagogische Architektur
Die Architektur der verschiedenen Gebäudeteile und Räume ist vielfältig,
barrierefrei und transformatorisch. Sie orientiert sich in der Form an der
geplanten Nutzung. Die Aufteilung auf verschiedene größere und kleinere
Gebäudeeinheiten ist dazu beispielsweise eine gute Möglichkeit. Die Räume bieten
viel Licht und sind ästhetisch nach Wunsch der Schüler*innen und des Personals
gestaltet. Das Gebäude wird dabei als einheitlicher Komplex begriffen, in dem
die einzelnen Teile ein Zusammenspiel ergeben. Wenn Lerngruppen und
Schüler*innen flexibler in der Raumwahl werden, dann spiegelt sich dies auch in
der Architektur wieder. So gibt es Orte, an denen große Gruppen zusammenkommen
können, Räume für Kleingruppen und ruhige Plätze, die der Einzelarbeit dienen.
Die Räume sind zudem offen bzw. verbunden und halten durch ausgeklügelte
Akustik-Konzepte die Geräuschkulisse auf einem angenehmen Niveau. Auch die Flure
sind Teil des Lern- und Lebensraumes und entsprechend gestaltet.
Lernlandschaften für eine Entwicklung in Eigenverantwortung
Hinsichtlich der Nutzung der Einrichtungsgegenstände wird den Schüler*innen
größtmögliche Freiheit eingeräumt. Es gibt frei zugängliche digitale Medien,
Lehr- und Lernmaterialien, Sportgeräte und Spielzeuge. Wo eine Kontrolle der
Nutzung nötig ist, wird diese grundsätzlich durch Schüler*innen selbst
übernommen. Es gibt ausreichend bequeme und ansprechend gestaltete
Sitzmöglichkeiten. Die Räume werden flexibel und entsprechend der Lehrmethoden
genutzt. Denkbar ist eine Nutzung mehrerer Räume für jeweils ein eigenes Thema,
um auf diese Weise Lernlandschaften zu entwickeln. Dabei können die Räume auch
Aufgaben auf unterschiedlichen Niveaus anbieten. Im Bildungszentrum gibt es
zudem Erholungsräume sowie Schutz- und Rückzugsräume, die von den Schüler*innen
bei Bedarf freiwillig aufgesucht werden können. Für die Lernbegleitenden gibt es
eine ausreichend große Anzahl an größeren und kleineren Räumen, die für
regelmäßig stattfindende Besprechungen der multiprofessionellen Teams, für die
Vorbereitung, aber auch als Ruheräume genutzt werden können. Neben diesen Räumen
gibt es im Bildungszentrum eine vollwertige Küche, in der kostenloses frisches,
regionales und bio Essen zubereitet wird. Dabei besteht die Möglichkeit, dass
die Küche sowie die Mensa von den Kindern und Jugendlichen selbstständig in
Zusammenarbeit mit Köch*innen bewirtet und ausgestaltet wird.
Ökologisches Vorbild und kultureller Mittelpunkt
Das Bildungszentrum ist klimaneutral und erzeugt mehr Energie als es verbraucht.
Die Innen- wie die Außenräume sind reich an Bepflanzungen. Die Außenräume sind
zudem naturnah gestaltet, umfassen einen Garten und beinhaltet essbare Elemente.
Darüber hinaus bieten die Außen- und Innenräume zahlreiche Spiel- und
Bewegungsräume. Im Bildungszentrum wird Bildung als lebenslanges Konzept gelebt.
Es wird dadurch zu einem den Ort und das Viertel prägenden Treff-, Bildungs- und
Gestaltungszentrum. So wird es auch für Unterhaltungsveranstaltungen genutzt,
sowie für Kultur und Sport. Dabei ist das Zentrum grundsätzlich allen Menschen
zugänglich.
Entwicklungsreflexion und Abschluss
Wertschätzende Entwicklungsreflexion sowie Entwicklungsausblicke bilden die
Grundlage für ein motivierendes, förderndes Umfeld. Eine individuelle Evaluation
lässt Schüler*innen die Freiheit, Präferenzen nach eigenem Ermessen auszubauen
und Schwächen im persönlichen Tempo und ohne Druck von außen aufzuarbeiten.
Leistungs- und Lerndruck werden durch Wertschätzung und Hilfestellungen
aufgefangen. Voraussetzung dafür ist, dass Schüler*innen und Lernbegleitende
sich grundsätzlich im Austausch über Didaktik, Inhalte sowie beiderseitige
Leistung befinden. Regelmäßig finden persönliche Gespräche über den aktuellen
Lern- und Entwicklungsstand statt. Diese sollen der Rückmeldung der Leistung der
Schüler*innen, aber auch der Lernbegleitenden dienen. Das Lehrpersonal nutzt die
gewonnenen Informationen, um die Schüler*innen individuell zu unterstützen.
Individuelle Entwicklungsberichte
Halbjährlich erhalten die Schüler*innen Entwicklungsberichte, die ohne
Ziffernnoten auskommen. Diese sind in einer für die*den individuelle*n
Schüler*in verständlichen Form festgehalten. Ziel der Entwicklungsberichte ist,
die Schüler*innen auf ihrem individuellen Lernweg zu unterstützen, ohne
Leistungsdruck aufzubauen. Die Entwicklungsberichte bestehen aus
themenübergreifenden Rückmeldungen, die nicht nur die individuellen Leistungen
enthalten, sondern auch die persönliche Entwicklung, die Motivation und das
soziale Engagement der Schüler*innen würdigen. Entwicklungsberichte werden
persönlich im Lernbegleitende*r-Schüler*in-Gespräch besprochen. Hier bleibt Raum
für beiderseitige Verbesserungsvorschläge sowie Lob. Von besonderer Bedeutung
ist, dass die Lernbegleitenden die Selbsteinschätzungen der Schüler*innen
einholen, um etwaige Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung der
Schüler*innen zu behandeln.
Selbstbestimmter Abschluss und persönliche
Zulassungsverfahren
Die Schüler*innen entscheiden selbst, wann sie ihre – mindestens zehnjährige –
Laufbahn im Bildungszentrum beenden wollen. Zur Beendigung erhalten sie einen
schriftlichen Abschlussbericht, dessen Erhalt an keine weiteren Bedingungen
geknüpft ist. Dieser kommt ohne Zensuren aus, fasst die Bildungsbiographie der
Schüler*innen zusammen und benennt die Kompetenzen der Schüler*innen. Mit diesem
können sich die ehemaligen Schüler*innen auf Ausbildungs- und Studienplätze
bewerben. Dort absolvieren sie Aufnahmeverfahren, die berufsbezogene
beziehungsweise studienbezogene Kompetenzen und Interessen prüfen.
Demokratie
Demokratische Strukturen finden sich auch im Bildungszentrum wieder.
Schüler*innen lernen im Bildungszentrum nach ihrem Interesse und in ihrer
Geschwindigkeit. Das kann nur durch demokratische Strukturen gewährleistet
werden. Diese dienen dabei nicht nur als Interessenvertretung innerhalb des
Bildungszentrums, sondern lehren auch Demokratieverständnis und Zusammenhalt und
unterstützen die Schüler*innen in Selbstwirksamkeitserfahrungen.
Ausgeglichene Machtverhältnisse und Partizipation aller
Beteiligten
Im Bildungszentrum sind die Machtverhältnisse ausgeglichen. Das
Schüler*innenparlament ist neben der Lernbegleitendenkonferenz mit
weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Engagement im Schüler*innenparlament
wird von den Lernbegleitenden gefördert sowie in Entwicklungsberichten
gewürdigt. Lernbegleitendenkonferenzen werden grundsätzlich unter Anwesenheit
von Schüler*innen abgehalten, um Transparenz und Mitbestimmung zu fördern. Je
nach Thema wird für Entscheidungen, wie beispielsweise die Gestaltung des
Außenbereichs und der Lernmethoden, eine bestimmte Mehrheit innerhalb des
Schüler*innenparlaments benötigt.
Teilhabe der Schüler*innen am Aufbau der Lernstruktur
Das Grundgerüst der Lernstruktur wird in Zusammenarbeit zwischen
Lernbegleitenden und dem Schüler*innenparlament ausgearbeitet. Konkrete
gemeinsame Unterrichtsinhalte sowie Didaktik werden dann im Rahmen des
Curriculums innerhalb der Stammgruppe demokratisch abgestimmt. Wo möglich dürfen
einzelne Schüler*innen oder Gruppen innerhalb der Lerngruppe selbst über ihre
Themen und Lernmethoden bestimmen.
Schüler*innenhilfen und Konfliktlösung
Freiwillige Schüler*innenhilfen dienen als erste Ansprechpartner*innen für die
Schüler*innen. Probleme, Konflikte und Fragen können so untereinander gelöst
werden. Bei Bedarf können Lernbegleitende hinzugezogen werden. Sie nehmen dann
eine beratende Funktion ein oder dienen als Mediator*innen.
Schüler*innenrat
Die Schüler*innen einer Stammgruppe setzen sich regelmäßig als Schüler*innenrat
zusammen. Dieser ermöglicht ihnen gegenseitige Hilfe, Raum für Konfliktlösung
und bietet eine Diskussionsplattform. Es können beispielsweise Themen besprochen
werden, die das Miteinander, den Lerninhalt oder dessen Gestaltung betreffen.
Ebenso können Ausflugsplanungen und Vorschläge ausgearbeitet werden. Dafür steht
dem Schüler*innenrat ein Budget zur Verfügung, über das er grundsätzlich frei
entscheiden kann.
Unterrichtsinhalte
Lerninhalte
Schüler*innen verlassen das Bildungszentrum als kritische Weltbürger*innen. Dazu
stellt das Bildungszentrum die zentralen Weichen.
Bemündigung zur gesellschaftlichen Mitsprache
Die frühzeitige sozialethische, gesellschaftliche und politische Mitsprache als
mündiger Mensch setzt voraus, sich schon im Bildungszentrum mit entsprechenden
Fragen auseinanderzusetzen. Von besonderer Bedeutung sind dabei aus heutiger
Sicht z.B. folgende Themen:
- Demokratie
- Kapitalismus, soziale Ungerechtigkeiten und alternative Wirtschafssysteme
- Patriarchat und heteronormative Gesellschaft, Sexismus, Geschlechterrollen
und Gender
- Rassismus
- Inklusive Gesellschaft
- Organisationstheorien
- Klimagerechtigkeit, Umwelt-,Naturschutz und Nachhaltigkeit
- Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus
- Kolonialismus und Expansionspolitik
Weltanschauungen kritisch betrachten
Alle Kinder und Jugendlichen beschäftigen sich unabhängig von der eigenen
Konfession mit Philosophien und Weltanschauungen. Dabei werden unterschiedliche
Religionen von verschiedenen Seiten kritisch beleuchtet. Einen besonderen Raum
nimmt die Beschäftigung mit Werten, Normen und Verhaltensweisen ein. Dabei
werden die Schüler*innen besonders zur Selbstreflexion ermuntert.
Diversität der Quellen
Eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart wird hergestellt
und diskutiert. Die Lerninhalte werden immer aus verschiedenen Perspektiven
betrachtet. Bei der Quellenauswahl wird auf Diversität geachtet. Die Sichtweise
von marginalisierten Gruppen wie Frauen, inter und trans Personen, LGBTQIA,
Menschen mit Behinderung, Schwarzen Menschen und People of Color oder von Armut
betroffenen Menschen sind genauso obligatorisch wie die außereuropäische
Perspektive.
Psychische Gesundheit
Psychische Erkrankungen sind starke Hemmnisse einer guten Bildung und
Selbstverwirklichung. Deshalb wird psychischen Erkrankungen im Bildungszentrum
aktiv entgegengewirkt.
Prävention und stigmatisierungsfreier Umgang
Zum multiprofessionellen Team gehören Psycholog*innen. Sie stehen jederzeit als
Ansprechpersonen für alle Beteiligten zur Verfügung und schulen diese
regelmäßig. Der hohe Stellenwert psychischer Gesundheit allgemein sowie der
einzelner Krankheitsbilder wird thematisiert. Eine spezifische Stärkung der
Resilienz findet statt. Risikofaktoren für die psychische Gesundheit wird aktiv
entgegengewirkt, indem gegen Mobbing und Menschenfeindlichkeit im Alltag
gearbeitet wird. Auf Menschen mit psychischen Erkrankungen wird besonders
Rücksicht genommen und die Lernpläne werden stetig an die aktuelle Situation
angepasst. Das Thema psychische Gesundheit wird in den Gesprächen zwischen
Schüler*innen und Lernbegleitenden thematisiert. Den Schüler*innen werden
Angebote zur Hilfe unterbreitet. Schüler*innen und Angestellte erhalten
geeignete Hilfe frei von Stigmatisierung.
Hilfe über das Bildungszentrum hinaus
Das multiprofessionelle Team arbeitet mit Kinder- und
Jugendpsychotherapeut*innen und Psychiater*innen außerhalb des Bildungszentrums
zusammen, um eine bestmögliche Unterstützung innerhalb des Bildungszentrums zu
gewährleisten. Eine Weitergabe von persönlichen Daten findet nur auf
ausdrücklichen Wunsch der Person oder bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung
statt. Psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen finden außerhalb des
Bildungszentrums statt.
Weiterentwicklung
Die Schilderungen dieses Beschlusses ergeben sich aus der aktuellen Perspektive
und verstehen sich im Kontext einer Transformation des gesamten Bildungssystems.
Sie sind weder statisch noch alternativlos. Das Bildungszentrum entwickelt sich
stetig weiter. Grundlage dafür sind wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die
Einschätzungen der Schüler*innen und Lernbegleitenden. Besonders wichtig ist,
dass Lerninhalte auf ihre Aktualität geprüft und dem Zeitgeschehen angepasst
werden.