Veranstaltung: | 58. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | K Aktuelle politische Lage: Schluss mit Krise - holen wir uns die Zukunft zurück! |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesmitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 19.10.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Dringlichkeitsantrag: Dringlichkeitsantrag: Schluss mit Krise - Holen wir uns die Zukunft zurück!
Beschlusstext
Wir haben einst geglaubt, die Zukunft würde uns gehören. Vor der Bundestagswahl
2021 herrschte in vielen Teilen der Gesellschaft Aufbruchstimmung und die
Hoffnung, dass sich jetzt Dinge grundlegend ändern und langjährige politische
Herausforderungen angegangen werden. Heute, etwa drei Jahre später und mit der
nächsten Bundestagswahl vor Augen, befinden wir uns in einer gänzlich anderen
Situation. Die Euphorie ist verflogen, stattdessen ist ein Rechtsruck in Politik
und Gesellschaft allgegenwärtig. Bei den Landtagswahlen in den letzten Wochen
war die rechtsextreme AfD teilweise die stärkste Kraft. Rechtsextreme Fantasien
werden öffentlich ausgelebt und gefeiert, sodass sie scheinbar zur Normalität
werden. Viele demokratische Parteien, darunter auch Bündnis 90/Die Grünen,
lassen sich von dieser Stimmung treiben. Gleichzeitig wird das linke Lager immer
machtloser, zersplittert sich und es entstehen populistische Parteien wie das
BSW, welches für ebenso menschenverachtende Außen- und Migrationspolitik steht
wie die Rechten. Doch das ist für uns als GRÜNE JUGEND kein Grund, den Kopf in
den Sand zu stecken. Wir arbeiten weiter am linken Machtaufbau. Denn wie
gefährlich die Übernahme menschenfeindlicher Narrative und der fortschreitende
Rechtsruck in der Gesellschaft ist, sehen wir unter anderem an häufigen
Angriffen auf Geflüchtetenunterkünfte. Unsere Handlungen sind solidarisch mit
den Opfern und unsere Politik zeigt linke Antworten auf.
Keinen Millimeter nach Rechts
Diese Antworten braucht es auch, wenn mal wieder über Obergrenzen und
Massenabschiebungen gesprochen wird. Deutschland und Europa müssen dafür sorgen,
dass Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sichere Fluchtrouten nutzen
können und ein sicheres Zuhause bei uns finden. Wir stehen unausweichlich für
das Menschenrecht auf Asyl und werden nicht erst laut, wenn Abschiebungen
Bargeld in die Hände der Taliban bringen. Zusätzlich müssen wir die kommunalen
Integrationskapazitäten stärken. Dafür müssen die Kommunen endlich ausreichend
finanziell und beim Schaffen von bezahlbarem Wohnraum unterstützt werden. Viele
aktuelle Forderungen und Entscheidungen in der Migrationspolitik, wie die
Zurückweisung von Menschen an den EU-Außengrenzen, wären vor wenigen Jahren für
demokratische Kräfte nicht denkbar gewesen, werden aber heute trotzdem von eben
jenen Kräften durchgesetzt.
Ein weiteres Beispiel ist das menschenverachtende sogenannte Sicherheitspaket,
dass durch die Regierung beschlossen wurde. Auch die Verantwortlichen in unserer
Partei, die Bundestagsfraktion und die grünen Regierungsvertreter:innen, müssen
sich eingestehen, dass sie durch zunehmende populistischer Politik und Aussagen
die Rechten nicht geschwächt, sondern gestärkt haben. Dieser Umstand hat auch zu
den schlechten Ergebnissen bei den Ostwahlen beigetragen.
Zudem erleben wir gegenwärtig, wie der gesellschaftliche Status von
marginalisierten Gruppen, wie Geflüchteten, Menschen mit Behinderungen oder
chronischen Krankheiten, queeren Menschen oder Frauen, erneut in Frage gestellt
wird und sie wieder häufiger von Diskrimmierung und Gewalt betroffen sind. Als
GRÜNE JUGEND setzen wir uns für die Emanzipation dieser gesellschaftlichen
Gruppen und die Überwindung jedweder Form von gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit ein.
Das Problem von Kriminalität und Gewalt wird in großen Teilen durch soziale
Schieflagen hervorgerufen und muss daher mit sozialer Politik bekämpft werden.
Wir werden uns den aktuellen rassistischen Debatten entgegenstellen und die
sozialen Schieflagen in den Fokus der politischen Debatte setzen.
Alle spüren die soziale Kälte!
Doch woher kommt die Hoffnungslosigkeit und die fehlende Solidarität in der
Gesellschaft? Unsere Gesellschaft ist aktuell extrem ungerecht. Deutschland ist
nach wie vor ein reiches Land, aber Einkommen, Vermögen und Wohlstand sind
ungleich verteilt. Die öffentliche Infrastruktur, auf die alle Menschen
angewiesen sind, wird zu oft vernachlässigt. Inflation, aber auch die Profitgier
der Wohnkonzerne, führen dazu, dass nicht nur die Menschen, die im
Niedriglohnsektor arbeiten, kaum von ihrem Einkommen leben können.
Sozialleistungen, wie das Bürgergeld, sind immer noch viel zu niedrig und auf
die Kindergrundsicherung warten wir bis heute. Gleichzeitig fordern rechte
Populist*innen immer vehementer die umfangreiche Kürzung von Sozialleistungen.
Viele Menschen in Deutschland haben Angst vorm finanziellen Abstieg, Angst vor
der Zukunft aber auch Angst vor öffentlichen Räumen, weil sie dort
Diskriminierung erfahren. Um die Demokratie zu retten und Menschen Sicherheit zu
bieten, braucht es soziale Sicherung. Wir wollen den Menschen die Ängste nehmen,
indem sie wirtschaftlich und sozial abgesichert werden. Aktuelle Leidtragende
dieser ungerechten Verhältnisse und der daraus entstehenden Konkurrenz in der
Gesellschaft sind besonders häufig marginalisierte Gruppen.
Nehmt endlich unsere Krisen ernst!
Fast überall auf der Welt können wir vielfältige Krisen beobachten.
Menschenrechte werden in kriegerischen Konflikten verletzt und Gewinnabsichten
verschärfen globale Ungerechtigkeiten und Missstände.
Viele Menschen fragen sich, wofür sich eine demokratische Wahl lohnt, wenn
Politik dann doch nicht in ihrem Sinne handelt. Das Leben vieler Menschen wird
immer noch beeinträchtigt durch die Folgen der Pandemie und durch die
Preisanstiege in den letzten beiden Jahren. Doch anstatt ihre Bedürfnisse in den
Fokus der Politik zu rücken, wird zu wenig in Infrastruktur vor Ort und soziale
Sicherung investiert. Der Ampel-Regierung ist es nicht gelungen, diese Probleme
wirksam zu bekämpfen. Der Grünen Partei ist es in dieser Regierung nicht
gelungen sich in Gerechtigkeitsfragen durchzusetzen. Sie hat dabei schlechte
Kompromisse mitgetragen. Sie konnte die Hoffnungen vieler Menschen so nicht
erfüllen, sondern hat an Glaubwürdigkeit verloren. Schlimmstenfalls führen diese
Dynamiken dazu, dass sich immer mehr Menschen von der Demokratie abwenden.
Besonders beunruhigt uns, dass viele junge Menschen ihr Vertrauen in progressive
Parteien verloren haben und sich in den letzten Wahlen rechten Parteien
zugewendet haben.Wenn man politische Mehrheiten für linke Ideen organisieren
will, muss man diese Menschen ansprechen, ihnen zuhören und gemeinsam mit ihnen
Politik machen.
Es ist höchste Zeit für deutlich mehr soziale Gerechtigkeit!
Für uns ist klar: Eine echte soziale Politik lässt sich nur realisieren, wenn
endlich im großen Stil umverteilt und in unsere soziale Infrastruktur investiert
wird. Es ist deshalb Zeit, die Steuerpolitik auf links zu drehen. Dazu wollen
wir die Superreichen zur Kasse bitten und gleichzeitig die Menschen mit
kleineren und mittleren Einkommen spürbar entlasten. Außerdem kann sich weder
unsere Demokratie noch unser Sozialstaat weitere Kürzungs- und
Sanktionierungsbestrebungen leisten! Dabei heißt soziale Politik für uns auch,
für die Rechte von Arbeitnehmer*innen einzustehen, für höhere Löhne zu kämpfen
und solidarisch mit allen Streikenden zu sein.
Gute Lebensbedingungen für alle Menschen dürfen nicht länger einem
ungerechtfertigten Sparkurs mit Schuldenbremse zum Opfer fallen. Denn es ist
eben gerade nicht generationengerecht, wenn junge Menschen marode Schulen,
baufällige Brücken und ein kaputtgespartes Bahnnetz überlassen werden. Jetzt zu
sparen bedeutet nur, in der Zukunft zu noch höheren Kosten zu sanieren oder neu
zu bauen. Es braucht daher mehr denn je umfangreiche Investitionen in unsere
öffentliche und soziale Infrastruktur und unsere Sozialversicherungen, die allen
zugutekommen. Nur wenn wir Geld in de Hand nehmen, können auch die nachfolgenden
Generationen profitieren und nur so schaffen wir echte
Generationengerechtigkeit. Dafür ist es notwendig, das Festhalten an der
schwarzen Null zu überwinden und die Schuldenbremse abzuschaffen.
Wir sind ein sozial-ökologischer Verband und stehen geschlossen hinter den
Zielen des Pariser Klimaabkommens und kämpfen - egal, ob beim Braunkohleabbau in
der Lausitz oder bei Gasbohrungen vor Borkum - für die Einhaltung des 1,5-Grad-
Limits. Jedes Kohle- oder Gaskraftwerk, das in Deutschland ans Netz geht oder am
Netz bleibt, ist eines zu viel. Es braucht keine Politik von gestern à la
Friedrich Merz. Wir fordern stattdessen eine Klimapolitik, die die fossilen
Unternehmen und Superreichen mehrheitlich belastet, die für den Klimawandel in
großem Stil verantwortlich sind.
Klimaschutz ist eine Chance für ein besseres Leben. Wir müssen den Menschen die
Angst nehmen, dass Klimaschutz nur mehr Kosten bedeutet. Damit Menschen sichtbar
von Klimaschutz profitieren, muss ein sozial gestaffeltes Klimageld endlich
eingeführt werden. Ansonsten droht durch die kommende Ausweitung des
Emissionshandels ein weiterer Akzeptanzverlust für guten Klimaschutz.
Gleichzeitig müssen klimaschädliche Subventionen vor allem bei Reichen endlich
gekürzt werden. Hier stärken wir den Abgeordneten den Rücken, die sich für die
Einführung des Klimagelds und die Abschaffung dieser Subventionen einsetzen.
Wir als GRÜNE JUGEND werden dort aktiv, wo der Handlungsbedarf beim Klimaschutz
am größten ist. Während einige Sektoren sich mühsam und zäh in die richtige
Richtung bewegen, sinken bei anderen Sektoren die Emissionen überhaupt nicht.
Daher kritisieren wir das Aufweichen der Sektorziele im Klimaschutzgesetz.
Der Verkehrsbereich geht uns alle an, nicht nur Automobilkonzerne, die zu lange
an klimaschädlichen Geschäftsmodellen festgehalten haben. Die weitere
Preiserhöhung für den öffentlichen Nahverkehr, wie jetzt beim 49€-Ticket, ist
das völlig falsche Signal. Wir haben in der Vergangenheit den Schulterschluss
mit den Gewerkschaften gesucht, um für breite Bündnisse zu werben. Das wollen
wir als GRÜNE JUGEND fortsetzen: Keinen Meter neue Autobahnen, lebenswerte
Städte schaffen, Fahrradwege und Schienenwege neubauen, gute Arbeitsbedingungen
schaffen und so Menschen zeigen: Klimaschutz sorgt für ein besseres Leben.
Neben der Klimakrise droht eine globale Biodiversitätskrise. Der Schutz von
Ökosystemen ist entscheidend, da gesunde Natur die Grundlage für effektiven
Klimaschutz ist. Wir als GRÜNE JUGEND wollen auch in Zukunft eine
funktionierende Natur und setzen uns für den Schutz sowie die Wiederaufforstung
von Wäldern ein. Die Renaturierung von Mooren sehen wir als wichtige Maßnahme,
die zeigt, dass wir Naturschutz und Klimaschutz zusammendenken.
Holen wir uns die Zukunft zurück!
Uns ist klar: Mit einer Regierung, die mit menschenverachtender
Migrationspolitik, kaum vorhandener Sozialpolitik und einer unzureichenden
Klimapolitik, wird es nicht die Veränderung geben, die es braucht. Deswegen
braucht es für einen politischen Umbruch eine organisierte Zivilgesellschaft -
Interessenverbände, Vereine, Gewerkschaften, politische Bewegungen, die zusammen
auf den Straßen Druck auf die Parlamente ausüben. Mit Organizing holen wir
Menschen dort ab, wo sie sind. Indem wir Teil der organisierten
Zivilgesellschaft sind, kann die GRÜNE JUGEND eine treibende Kraft für das
Werben für linke Mehrheiten sein. Das gelingt, indem wir die Menschen vor Ort
erreichen. Gemeinsam mit ihnen kämpfen wir sowohl in den Parlamenten, als auch
auf den Straßen, in den Parks und Wohnblocks für echte Veränderungen.
Hierfür ist Bildungsarbeit ein wichtiger Grundpfeiler. So sind Workshops,
Bildungswochenenden, Vernetzungstreffen oder große Veranstaltungen, wie der
Frühjahrskongress oder die Sommerakademie, unsere Werkzeuge, um Bewusstsein,
Engagement und Fachwissen für politische Prozesse zu schaffen. Dabei ist es uns
wichtig, dass alle Personen von dieser Bildungsarbeit profitieren. Sie muss
barrierearm gestaltet werden. Gleichzeitig sollen von dieser Arbeit sowohl
Neumitglieder als auch langjährige Mitglieder profitieren. Durch die
Bildungsarbeit werden wir in die Lage versetzt linke Ideen in politische Praxis
umzusetzen.
Dabei erstreckt sich unsere Bildungsarbeit thematisch von der Kommune bis über
unsere Ländergrenzen hinaus. Außerdem soll externe Fachexpertise gezielt für die
Bildungsarbeit genutzt werden. Sichtbarkeit und Aktivität auf allen Ebenen,
inner- und außerparteilich, ist essenziell – sei es in ländlichen Räumen oder
urbanen Städten. Durch den Austausch und durch politische Arbeit mit den
Menschen vor Ort wollen wir Vertrauen aufbauen und linke Ideen konkret und
greifbar machen. Nur so werden wir in die Lage versetzt, unsere linke Politik
umzusetzen und eine starke, organisierte Zivilgesellschaft zu unterstützen.
Sichtbarkeit und Aktivität auf allen Ebenen, inner- und außerparteilich, ist
essenziell - sei es in ländlichen Räumen oder urbanen Städten. Durch den
Austausch und durch politische Arbeit mit den Menschen vor Ort wollen wir
Vertrauen aufbauen und linke Ideen konkret und greifbar machen. Nur mit einer
breit aufgestellten, professionellen Bildungsarbeit werden wir in die Lage
versetzt, unsere linke Politik umzusetzen und eine starke, organisierte
Zivilgesellschaft zu unterstützen.
Das bevorstehende Jahr ist für uns von entscheidender Bedeutung. Es bietet eine
Chance, die Verteilungsfrage und die Entlastung der Bevölkerung in den
Mittelpunkt zu rücken und dabei die derzeit anhaltende Wirtschaftskrise mit
Investionen in Infrastruktur, Klimaschutz und soziale Sicherheit zu überwinden.
Gemeinsam können wir mit unseren Ideen einen Kurswechsel bewirken, der auf
Solidarität und Gerechtigkeit basiert.
Gerade jetzt, wenn progressive Parteien unter dem Druck und den Erfolgen von
Rechtsaußen zu zerbrechen drohen, braucht es unseren Widerstand. Deshalb muss es
Teil unserer Aufgabe sein, gemeinsam mit den progressiven Stimmen in der Partei
für unsere Grundwerte zu kämpfen und einen Richtungswechsel zu erreichen. Denn
der Weg, den BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN in der Ampel eingeschlagen hat, entspricht in
vielen Punkten nicht den Vorstellungen und Werten der GRÜNEN JUGEND. Soziale
Gerechtigkeit begreifen wir dabei nicht nur als Mittel zum Zweck. Die
Herstellung umfassender sozialer Gerechtigkeit in einer solidarischen
Gesellschaft ist wesentliches Ziel unseres politischen Wirkens und muss auch
Ziel der Parteispitze von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sein.
Als GRÜNE JUGEND bleiben wir mehr als die Jugendorganisation von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN. Wir sind ein eigenständiger Jugendverband. Wir sind laut, wir sind links
und wir sind entschlossen. Wir wissen, für was wir kämpfen, und wir glauben an
echte Veränderung.
Wir sind uns sicher: Die GRÜNE JUGEND bleibt der Ort für junge Menschen um linke
Politik in die Gesellschaft und in die Parlamente zu tragen.
Schluss mit den Krisen. Eine bessere Welt ist möglich.
Lasst uns unsere Zukunft gemeinsam zurückholen!