Veranstaltung: | 51. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 0 Beschlüsse |
Antragsteller*in: | Mitgliederversammlung (dort beschlossen am: 18.11.2018) |
Status: | Angenommen |
Beschlossen am: | 18.11.2018 |
Eingereicht: | 21.04.2019, 16:27 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V2-B: Mit linkem Antifaschismus in die Offensive!
Antragstext
Mit dem Erstarken rechter Kräfte, das wir überall auf der Welt beobachten
müssen, ist die Relevanz antifaschistischen Engagements für große Teile der
gesellschaftlichen Linken wieder deutlich geworden. Gleichzeitig war diese
Notwendigkeit für Betroffene und aktive Antifaschist*innen nie unsichtbar. Im
Gegenteil ist rassistische und faschistische Gewalt eine Kontinuität, die
beispielsweise für PoC, Refugees, LSBTIQ*-Personen so wie viele diskriminierte
Gruppen und Antifaschist*innen immer eine Gefahr und damit immer präsent war.
Diese Realität erkennen wir an. Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen
faschistischer und rassistischer Gewalt sowie allen Antifaschist*innen, die sich
Nazis und Rassist*innen teilweise tagtäglich in den Weg stellen.
Insbesondere Antifaschist*innen werden für ihre Arbeit oft von "Konservativen"
und "Liberalen" kriminalisiert. Dabei ist ziviler Ungehorsam gegen Nazis nicht
nur legitim, er ist notwendig. Und auch antifaschistische Recherchepraxis
erscheint im Angesicht eines versagenden Staates als logische und notwendige
Konsequenz.
Für uns ist aber auch klar, dass folgende Faktoren für den Erfolg
antifaschistischer Arbeit eine wichtige Rolle spielen:
- Eine Mobilisation, die allein auf moralischer Überlegenheit basiert, kann
auf Dauer nicht funktionieren. Nazis nur als "rechte Arschlöcher" zu
betiteln und mit Festen und Konzerten die eigene moralische und
vermeintlich auch intellektuelle Überlegenheit zu feiern, dient nicht der
erfolgreichen Bekämpfung der Rechtsentwicklung, sondern wesentlich dem,
dass sich alle Beteiligten moralisch besser fühlen können, indem sie sich
als Gegenpol zu einer als amoralisch bezeichneten politischen Haltung
profilieren können.
Niemand wird als Vertreter*in rechter Ideologien geboren, sondern von
seiner*ihrer Sozialisation und den gesellschaftlichen Verhältnissen,
insbesondere der sozialen Lage, dazu gemacht. Diese Verhältnisse sind
veränderbar - Antifaschismus muss daher auch heißen, "alle Verhältnisse
umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein
verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (Marx). Für die
gesellschaftlichen Verhältnisse ist die gesamte Gesellschaft
verantwortlich, nicht die Menschen als Einzelne.
Der Gegenpol zu "politisch Rechts" ist nicht einfach "nicht Rechts",
sondern explizit links zu verorten. Mit der Suggestion, dass es ausreichen
würde, "nicht rechts" zu sein, wird die Definition der (zurzeit
bürgerlichen) Mehrheitsgesellschaft, was denn "rechts" genau ist,
akzeptiert. In Zeiten neoliberaler Hegemonie führt das dazu, dass
ausgerechnet der Neoliberalismus gegen den Vorwurf, rechts zu sein, immun
wird. Dabei gibt es wesentliche Schnittmengen zwischen Neoliberalismus und
offen rechter Ideologie: Zum Beispiel betrachtet der Neoliberalismus
extreme ökonomische Ungleichheit als normal oder sogar als gerecht - der
Schritt zu einer Befürwortung von Ungleichheit zwischen Menschen
verschiedener Nationen, verschiedener Ethnien, verschiedener Geschlechter,
sexueller Orientierungen etc., wie es Rechte propagieren, ist dann nicht
mehr weit. Die wirklich antifaschistische Gegenposition muss links sein -
das Forderung nach Gleichheit, Gerechtigkeit und ein Leben in Würde
widerspricht sowohl der neoliberalen Normalisierung wie auch der offen
rechten Propagierung von Ungleichheit. Ein weiteres prägnantes Beispiel
für die ideologische Nähe ist die Konkurrenz, die der Neoliberalismus zu
einem sinnvollen Prinzip gesellschaftlichen Zusammenlebens erklärt. Dass
persönliches Glück getrennt vom Glück der Mitmenschen realisierbar sei und
man dafür Karriere machen müsse, führt zu der Behauptung, dass man sich
gegen andere durchsetzen müsse, um das eigene Glück zu mehren. Angewandt
auf scheinbar homogene Gruppen wie Nationen oder Ethnien, bedeutet dieses
Prinzip den Kampf der Nationen und Ethnien gegeneinander - was an sich
schon rechts ist; noch konsequenter angewandt bedeutet das den puren,
rechtsextremen Sozialdarwinismus. Positiv davon abgrenzen kann sich
wiederum nur das linke Ideal, dass eine Orientierung am Allgemeinwohl
fordert und den Menschen als gesellschaftliches, solidarisches Wesen
erkennt, dass nicht auf Kosten, sondern mit anderen das eigene Glück
mehren kann. Nichtsdestotrotz müssen wir auch von konservativen oder
neoliberalen Kräften verlangen, dass sie sich im Kampf gegen
Antidemokrat*innen sowie rassistische und faschistische Gewalt auf die
Seite der Betroffenen und der Gegendemonstrierenden stellen.
Ein Teil des Erstarkens rechter Kräfte kann dadurch erklärt werden, dass
der Neoliberalismus den Menschen als gesellschaftliches Wesen unterdrückt
und stattdessen die Vereinzelung und den Wettbewerb zwischeneinander
propagiert und herstellt. Das führt bei vielen Menschen zu einem Gefühl
der Entwurzelung, des Verlusts gesellschaftlichen Miteinanders und der
Einsamkeit. Und dies ist nicht nur ein Gefühl. Tatsächlich wird das
Sozialsystem zusammengeschrumpft, Infrastruktur wird abgebaut und so eine
bewusste Segregation vorangetrieben. Daran kann die Rechte anknüpfen,
indem sie ein neues gesellschaftliches Miteinander im Rahmen eines
nationalen Kollektivs verspricht, das sich wesentlich durch Abgrenzung
gegenüber anderen, insbesondere Minderheiten und Linke, definiert. Wenn
Antifaschismus als reine moralische Abgrenzungshaltung und
gesellschaftliche Ausgrenzung verstanden wird, entstehen einfach nur zwei
Lager, die sich beide wesentlich durch die Abgrenzung vom jeweiligen
Gegenübers definieren. Linker Antifaschismus muss es stattdessen schaffen,
eine Brücke des gesellschaftlichen Miteinanders zu bauen, die der
neoliberalen Vereinzelung einen progressiven Gegenentwurf gegenüberstellt
und damit anschlussfähig ist an Menschen, für die die neoliberale
Vereinzelung Entwurzelung und Einsamkeit bedeutet. Dieser Gegenentwurf
muss die Utopie einer solidarischen Gesellschaft sein und das konkrete
Handeln muss Solidarität heißen!
Fazit
Die GRÜNE JUGEND vertritt konsequent explizit linken Antifaschismus.
Uns ist es wichtig, dass Antifaschismus nicht die bloße Verteidigung des
(neoliberalen) Status' Quo ist, sondern immer kämpferisch in Richtung einer
befreiten Gesellschaft streitet. Das wird deutlich, indem wir als GRÜNE JUGEND
unser Mitwirken an der Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse und
insbesondere der Beantwortung der sozialen Frage deutlich machen - und unseren
solidarischen Gegenentwurf zum neoliberalen Status Quo formulieren, aufzeigen
und praktizieren.
Die GRÜNE JUGEND ist der Überzeugung, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor der
Rechten deren Framing-Strategien sind. Das heißt, dass rechte Diskurse die
politische Debatte dominieren, weil sie, unter anderem, immer wieder durch
bewusste Provokationen in den Vordergrund gestellt werden. Wir wollen linke
Diskurse in der Gesellschaft wieder stärker nach vorne stellen, weil wir der
Überzeugung sind, dass dies wesentlich für eine erfolgreiche Bekämpfung rechter
Positionen ist. Wir erarbeiten dafür Ansatzpunkte und werden diese weiter
diskutieren. Der Bundesvorstand und das zuständige Fachforum werden damit
beauftragt, diese Diskussion aktiv und moderierend mitzugestalten.
Die GRÜNE JUGEND wirkt darauf hin, in antifaschistischen Demobündnissen,
Zusammenschlüssen und sonstigen politischen Kontexten die oben beschriebene
Erkenntnis durchzusetzen und zu kommunizieren. Das heißt nicht, die Spaltung von
eher liberalen Antifaschist*innen zu betreiben, aber diesen muss sehr wohl vor
Augen geführt werden, dass der neoliberale Status Quo nicht mehr tragfähig ist
und sie sich langfristig zwischen der Dystopie der Rechten und einer linken,
solidarischen Alternative entscheiden müssen.
Kommentare