Veranstaltung: | 51. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND |
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Tagesordnungspunkt: | 0 Beschlüsse |
Antragsteller*in: | Mitgliederversammlung (dort beschlossen am: 17.11.2018) |
Status: | Angenommen |
Beschlossen am: | 17.11.2018 |
Eingereicht: | 21.04.2019, 16:47 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A1-B: #HambiBleibt - Wer Klimaschutz fordert, muss vor der eigenen Haustür beginnen
Antragstext
Der Kohleausstieg wird kommen. Je früher, desto besser. Denn die Uhr tickt,
schon 2030, in 12 Jahren, wird der Punkt einer gefährlich werdenden
unumkehrbaren Erderwärmung erreicht sein. Die GRÜNE JUGEND fordert einen
schnellstmöglichen Kohleausstieg, einen sozialverträglichen Strukturwandel und
solidarisiert sich mit dem Kampf der Umwelt- und Klimaaktivist*innen. Wir
schließen uns ihren Rufen an: Kohle stoppen! Wir stehen an einem Scheideweg der
deutschen Politik: Machen wir weiter nur Lippenbekenntnisse zu internationalen
Klimaschutzvereinbarungen, während wir vor unserer eigenen Haustür Wälder für
den Weiterbetrieb eines der dreckigsten und umweltschädlichsten Geschäftsmodell
aller Zeiten roden, oder leiten wir die Wende zu einem innovativen und alles
veränderndem Klimaschutz ein?
Die GRÜNE JUGEND stellt fest, dass die Landesregierungen jener Bundesländer, in
denen Braunkohle gefördert und verbrannt wird, nicht gewillt sind, diese Frage
aufrichtig zu beantworten. Sei es die schwarz-gelbe Regierung in NRW, die rot-
rote Regierung in Brandenburg oder die schwarz-rote sächsische Landesregierung.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung unter Armin Laschet hat sich in der
Auseinandersetzung um den Hambacher Wald in diesem Herbst zur Handlangerin des
Kohlekonzerns RWE und zu einer gefährlichen Eskalationstreiberin entwickelt.
Unter dem Strich bleibt eine politische Bankrotterklärung für diese Regierung:
Der vermutlich größte und teuerste Polizeieinsatz NRWs, der tausende
Polizist*innen verheizt und unzählige Überstunden bei der NRW-Polizei verursacht
hat. Gefolgt vom größten Anti-Kohle-Protest der deutschen Geschichte, an dem
fünzigtausend Menschen teilnahmen, um gegen die Rodung des Hambacher Waldes zu
demonstrieren. Und eine herbe Blamage vor höchster gerichtlicher Instanz, als
das Oberverwaltungsgericht Münster die Rodung bis auf Weiteres stoppte und damit
das gesamte Vorgehen der Landesregierung ad absurdum führte und ihr Narrativ,
man setze im Hambacher Wald lediglich Recht und Ordnung durch, wie ein
Kartenhaus in sich zusammenfiel.
Der bisher angerichtete Schaden lässt sich kaum beziffern. Der finanzielle
Schaden, aber auch der Vertrauenverlust vieler Menschen in die Politik ist
enorm. Wir fordern eine Aufklärung der Geschehnisse, aber vor allem eine
Kehrtwende in der Politik!
Klimagerechtigkeit jetzt: Für eine radikale Wende in der Klimapolitik!
Es sind schockierende Zahlen. Wir stehen im Zentrum der hausgemachten
Katastrophe, denn die deutschen Kohle-Bundesländer sind Brandherde der
europäischen CO2-Emmissionen: Höher als in den USA und fast doppelt so hoch wie
in Gesamtdeutschland liegt der Kohlendioxid-Ausstoß pro Kopf in NRW (2014).
Ähnlich hoch ist er in Sachsen. Speerspitze ist jedoch Brandenburg, dort wird
pro Person 2,5 mal so viel CO2 ausgestoßen wie in Gesamtdeutschland. Der
Zusammenhang zur historisch starken Kohleindustrie ist dabei klar nachweisbar:
69 % des nordrhein-westfälischen Energiemixes speisen sich aus der
Kohleverstromung (2016: Steinkohle 26 %, Braunkohle 43 %) und der Essener
Braunkohlekonzern RWE rangiert auf Platz 14 der dreckigsten Energieunternehmen
weltweit. In Brandenburg stammen 60 % des produzierten Stroms aus der Braunkohle
- in Sachsen sind es satte 75 %. Es ist vor diesem Hintergrund nicht von der
Hand zu weisen, dass Deutschland sich seiner Verantwortung als großer Mittäter
in der Klimakatastrophe eingestehen und umlenken muss.
In der Lausitz und am Hambacher Wald entscheidet sich die deutsche
Klimaschutzpolitik. Das Rheinische Revier ist die größte CO2-Quelle Europas. Das
Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet Deutschland zu stärkeren
Klimaschutzmaßnahmen. Verfeuern wir die Braunkohle, die unter dem Hambacher Wald
liegt, werden Deutschlands Klimaschutzziele wohl kaum einzuhalten sein. Würde
die Braunkohle direkt unter dem Wald verfeuert werden, entstünde so viel CO2,
dass Wald-Ausgleichsflächen 13.000 mal so groß wie der Hambacher Wald nötig
würden, um die entstehenen Treibhausgase auszugleichen. Es ist zutiefst zynisch,
dass RWE mit der versuchten übereilten Rodung des Hambacher Waldes Fakten
schaffen wollte, obwohl auf Bundesebene die notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung
des Pariser Klimaschutzabkommens noch nicht umgesetzt wurden und auf Bundesebene
derzeit über ein Ausstiegsdatum aus der Kohleverstromung verhandelt und ein
vorzeitiger, notwendiger Ausstieg aus der Kohleverstromung die noch benötigten,
aber bisher genehmigten, Abbaumengen erheblich verringern wird. Bei einem
Kohleausstieg bis 2030 würden beispielsweise nur noch 450 Millionen Tonnen
Braunkohle, also 20 Prozent der in Hambach und Garzweiler genehmigten
Braunkohlemenge, benötigt werden. Eine Rodung des Hambacher Waldes wäre unter
diesen Voraussetzungen nicht nur unnötig, sondern verkommt zu einem
Aggressionakt der Kohlelobby.
Das Rheinische Revier muss zeigen, dass der Kohleausstieg möglich ist und zum
Vorbild für eine innovative Klimaschutzregion werden.
Wir fordern
- Kohleausstieg jetzt - Der Ausstieg muss sofort starten!
- Neue Leitentscheidungen der Landesregierungen zu den Tagebauen
- Intensivierung der Klimafolgenanpassung
Welt retten? Wald retten!
Die von RWE geschaffenen und geplanten Ersatzpflanzungen sind nicht
gleichwertig. Der Hambacher Wald ist ein über 12.000 Jahre gewachsenes
Ökosystem. Ein paar neu geplanzte Bäume machen noch keinen Wald, denn es dauert
Jahrhunderte bis ein vergleichbares Ökosystem entsteht. Ebenfalls leben über 140
gefährdete Arten im Hambacher Wald, für die RWE eine "Umsiedlung" plant. Ob sich
die Tiere so einfach in einen nicht gleichwertigen Forst umsiedeln lassen, ist
für etliche Arten zu bezweifeln. Die Wahscheinlichkeit, dass diese ansässigen
gefährdeten Arten sterben werden, ist groß.
Auch im Bereich der CO2-Speicherung ist ein alter Wald wie der Hambacher Wald
wesentlich besser aufgestellt, er verfügt über deutlich mehr Biomasse und kann
dementsprechend viel mehr CO2 speichern als neuere Ausgleichswälder. Auch das
zeigt: Der Hambacher Wald ist ein schützenswertes Ökosystem, das unbedingt
erhalten werden muss!
In der Niederlausitz wird der Wald östlich des Ortes Taubendorf schrittweise für
den Braunkohletagebau Jänschwalde gerodet. Wir lehnen die Rodung im genehmigten
Ausmaß ab und wollen auch dort so viel Wald wie möglich erhalten, der
gleichzeitig Staub- und Lärmschutz für die Anwohner*innen bietet. Wir sehen
nicht ein, dass Eigentümer*innen von kleinen Waldstücken zugunsten der
Braunkohle enteignet werden.
Wir fordern:
- Erhalt des Hambacher Waldes und seine Wiederaufforstung
- den Erhalt aller weiteren Wälder, die der Braunkohle weichen sollen
Power to the People: Solidarität mit zivilem Ungehorsam und den Besetzer*innen
des Waldes!
Vor nicht einmal zehn Jahren kannte kaum jemand jenseits von Düren und Kerpen
den Hambacher Wald. Die massiven Rodungungen des einst 4100 Ha großen Waldes
erfolgten über Jahrzehnte, ohne dass eine breite Öffentlichkeit davon mitbekam.
Mit dem Räumungsbeginn am 13.09.2018 änderte sich dies schlagartig. Durch den
größten Polizeieinsatz in der Geschichte von Nordrhein-Westfalen schaut die Welt
nun auf den Hambacher Wald. Es ist den hunderten Besetzer*innen,
Unterstützer*innen und Aktivist*innen zu verdanken, dass sich nun die deutsche
Klimapolitik am Hambacher Wald entscheidet. Ohne ihren jahrelangen Einsatz für
den Wald und gegen die Braunkohleverstromung wären wir heute in einer
schlechteren Ausgangsposition. Ohne die Besetzung würden sich heute vermutlich
nicht nahezu 80% aller Menschen in NRW für den Erhalt des Hambacher Waldes
aussprechen.
Wir fordern:
- Ein Ende der Kriminalisierung von zivilem Ungehorsam und friedlichen
Protestformen
- In diesem Zusammenhang Solidarität mit der Besetzung von #HambiBleibt, den
Protesten von Ende Gelände und dem zahlreichen Protest von
Bürger*inneninitiativen vor Ort
Der Rechtsstaat ist kein Lego-Baukasten: NRW-Landesregierung muss ihr
repressives Rechtsverständnis überwinden!
Jahrelang wurde die friedliche Besetzung im Hambacher Wald durch die
Landesregierung und die örtlichen Behörden geduldet. Im Herbst 2018 musste auf
einmal alles ganz schnell gehen: Aus dem Bauministerium NRW erfolgte Anfang
September ein Erlass, dass die Baumhäuser im Hambacher Wald als bauliche Anlagen
zu bewerten seien, für die übliche Brandschutzauflagen gelten. Damit wurde der
juristische Grundstein für die folgende Räumung und den Großeinsatz der Polizei
gelegt, da der Brandschutz nicht gewährleistet sei. Der Vorschub von
Brandschutzauflagen, um die Räumung politisch unliebsamer Örtlichkeiten
durchzusetzen, machte bei der CDU in NRW bereits in der Vergangenheit Schule: So
wurde in Duisburg die Räumung sogenannter "Schrottimmobilien" angeordnet, die
überwiegend von Roma bewohnt wurden, aus dem gleichen Grund von der damals
zuständigen Dezernentin Daniela Lesmeister, die nun im NRW-Innenministerium
tätig ist. Dass die CDU Recht und Gesetze so zurechtbiegt, um Polizeieinsätze zu
legitimieren, ist verurteilenswert. An erster Stelle von Politik sollte immer
ein dialogorientierter Interessensausgleich stehen anstelle von repressiver
Eskalation.
RWE und die NRW-Landesregierung waren in der Außendarstellung oftmals kaum
auseinanderzuhalten. Es ist skandalös, in welchem Ausmaß die Landesregierung mit
ihrem Vorgehen Amtshilfe in großem Stil für RWE geleistet hat. Während viele
Bereiche des Waldes für die Öffentlichkeit, Pressevertreter*innen u.a. von der
Polizei als zu unsicher erklärt wurden, gingen die Arbeiten von Polizeikräften
und RWE-Mitarbeiter*innen Hand in Hand. RWE stellte die benötigte Infrastruktur
für die Räumung und ließ darüber hinaus Bäume fällen und Schneisen in den Wald
schlagen, um einen zügigen Ablauf der Räumung voranzutreiben, obwohl das Fällen
von Bäumen vor Beginn der Rodungssaison eigentlich untersagt war. Der Kreis
Düren und die Stadt Kerpen haben jedenfalls nicht sichergestellt, dass nur
Rodungen zur Ermöglichung der Räumung stattfinden.
Ebenfalls ist unklar, auf welcher Rechtsgrundlage die Räumung von Hängematten,
kleinen Plattformen, kletternden Aktivistis und Personen, die sich nicht in
Bäumhäusern befanden, stattfanden. Räumungsaktionen gingen weit über den
eigentlichen Auftrag der Räumung und Beseitigung der Baumhäuser hinaus. Hier
wurde deutlich, dass die Landesregierung die Durchsetzung des Bauordnungsrechts
vorgeschoben hat, um den Wald für RWEs Rodungen freizuräumen.
Das NRW-Innenministerium arbeitete zudem mit gezielten Falschmeldungen und Fake-
News, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. So wurden der Öffentlichkeit
massenhaft beschlagnahmte Waffen aus dem Hambacher Wald vorgestellt, um die
vermeintliche Gewalttätigkeit der Besetzung zu beweisen. Doch schnell wurde
klar, dass es sich um einen Fundus von über mehrere Jahre gesammelte Waffen
handelte statt um aktuelle Funde. Im NRW-Innenausschuss berichtete Innenminister
Reul von pietätslosem Verhalten von Aktivist*innen nach dem tragischen Tod eines
Bloggers im Hambacher Wald. Der schäbige Versuch, die Aktivist*innen als
herzlose Unmenschen darzustellen und so den tragischen Tod für die eigene Agenda
zu instrumentalisieren, scheiterte, da mehrere Journalist*innen auch hier die
Falschaussage aufdeckten. Zwei krasse, aber bei Weitem nicht die einzigen Fälle.
Wir fordern:
- Aufklärung der juristisch zweifelhaften Vorgänge während der
Räumungsaktionen
Polizeieinsatz: Politik mit dem Schlagstock ist Gift für die Demokratie!
Auch die Polizei selbst hatte wenig Verständnis für den Einsatz, den sie im
Hambacher Wald leisten musste. So kritisierten sowohl die Gewerkschaft der
Polizei (GdP), als auch der Bund der deutschen Kriminalbeamten (BdK) die
Räumungsaktion. Obwohl die Enscheidung über den Eilantrag auf Rodungsstopp des
BUND NRW beim OVG Münster noch ausstand, wurden tausende Beamt*innen in den
belastenden und gefährlichen Einsatz im Wald geschickt. Bei Räumungen in einer
Höhe von 15 bis 25 Metern besteht Lebensgefahr, sowohl für die Aktivist*innen,
als auch die Beamt*innen. Viele Beamt*innen hatten zurecht das Gefühl, von der
NRW-Landesregierung vor den Karren von RWE gespannt zu werden. Für diesen
Einsatz mussten viele Beamt*innen starke Einschränkungen ihres Privatlebens und
viele Überstunden in Kauf nehmen. Nach dem Rodungsstopp durch das OVG Münster
ist festzuhalten: Dieser Einsatz war eine einzige Farce.
Darüber hinaus wurde mit diesem Einsatz das Vertrauen in die Polizei und in die
Politik bei vielen Menschen stark beschädigt. Das rabiate Vorgehen gegen
friedliche Aktivist*innen und die offensichtlichen Motive des Einsatzes lassen
viele Menschen fassungslos zurück. Dass die Polizei in einem oftmals
unverhältnismäßig harten Einsatz als Akteur für die Interessen eines Konzerns
eingesetzt wird, schadet unserer Demokratie.
Ebenfalls fassungslos macht uns, dass die im Wald verheizte Polizei
offensichtlich an anderen Stellen NRWs fehlte. Ende September marschierten in
Dortmund Neo-Nazis auf, die mit antisemitischen und volksverhetzenden Parolen
und der Verfeuerung von Pyrotechnik auf Häuserdächern auf sich aufmerksam
machten. Dass die nur marginal anwesende Polizei sie gewähren ließ, schockierte
zurecht. Der Vorfall wurde im Nachhinein von Innenminister Reul
heruntergespielt, der stattdessen lieber unwahre Aussagen über die angebliche
Gewalttätigkeit von Aktivist*innen im Hambacher Wald tätigte. Wir fragen uns,
warum das Innenministerium mit einem massenhaften Polizeiaufgebot gegen
friedliche Umweltschützer*innen vorgeht, aber bei radikalen Neo-Nazis die Augen
verschließt.
Wenn Politiker*innen derart unpopuläre Forderungen mit dem Schlagstock
verteidigen, erodiert das Vertrauen in die Demokratie. Für all das muss
Innenminister Reul die Verantwortung übernehmen.
Wir fordern:
- Den Rücktritt von NRW-Innenminister Herbert Reul
- Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen in allen Bundesländern
Blackout Kohleausstieg? Altherren-Erzählungen überwinden, 100% Erneuerbare sind
möglich!
Das Märchen vom drohenden Blackout wird von den großen Energiekonzernen schon so
lange erzählt, wie sich Menschen für die Energiewende stark machen. Festzuhalten
ist: Deutschland produziert große Mengen an Strom für den Export.Mittelfristig
können Netzschwankungen durch Gaskraftwerke ausgeglichen werden. Diese sind
deutlich flexibler und Klimaverträglicher als die Braunkohleverstromung. Fest
steht auch: 100% Erneuerbare sind möglich, so der breite Konsens in der
Forschung. Auch die Aussage, es müssten zunächst erst viel mehr Energiespeicher
erforscht und gebaut werden, um einen höheren Anteil an Erneuerbaren Energien im
Energiemix gewährleisten zu können, erweist sich bei näherer Betrachtung als
sachlich falsch. Der Energiewende und dem Kohleausstieg stehen keine technischen
Hindernisse im Weg, sondern allein das Geschäftsinteresse von Konzernen wie RWE
und deren politischen Unterstützer*innen.
Wir fordern:
- Schluss mit der Blackout-Panikmache!
- Kohleausstieg bis zum Jahr 2025
- Schluss mit der fossilen Überproduktion für den Stromexport
- Bestehende Gaskraftwerke, die klimaschonender als Kohlekraftwerke sind,
als Brückentechnologie nutzen und wieder ans Netz nehmen
- Ein europäisches Energienetz
Wirtschaftsdemokratie fördern: Monopolwirtschaft bekämpfen, Netze
verstaatlichen!
Die Blackout-Drohung von RWE ist nur die Spitze des Eisbergs, denn die
Abhängigkeit der deutschen Energieversorgung von den vier Energieriesen (RWE,
EnBW, Vattenfall, E.ON) darstellt. Auch die Tatsache, dass sich die nordrhein-
westfälische Landesregierung zum Büttel macht, zeugt von dem viel zu großen,
antidemokratischen Einfluss, den diese Konzerne auf die Politik haben. Die "too
big to fail"-Sonderstellung, mit der die Energiewende politisch,
propagandistisch und technologisch bekämpft wird, ist nicht länger tolerierbar.
Außer der schieren Größe ist auch die Unternehmensstruktur problematisch: Jede
Netzinfrastruktur bedeutet (regionale) sogenannte "natürliche Monopole". RWE und
Co. sind aber nicht nur regionale Monopolisten, was an sich schon politisch
gefährliche Marktmacht und überhöhte Preise bedeutet, sondern gleichzeitig
Stromproduzenten, die damit in einen Interessenkonflikt geraten, weil die
Bereitsteller*innen der Infrastruktur die Bedingungen diktieren, zu denen Strom
eingespeist bzw. verkauft wird. Und auch wenn die Bundesnetzagentur einen
übermäßigen Machtmissbrauch verhindert, zeigt die Verschleppung des Netzausbaus
im Sinne der erneuerbaren Energien, dass die Energieriesen ihre kohlebasierte
Grundversorgung gegenüber den schwankenden Erneuerbaren begünstigen und damit
die Energiewende bekämpfen können.
Wir fordern:
- Eine Dezentralisierung und Demokratisierung der Energieerzeugung
- Verstaatlichung der Energienetze
Strukturwandel ist eine Notwendigkeit. Sozialverträglichkeit aber auch!
Ein gelingender Strukturwandel braucht vor allen Dingen eines: Einen klaren
Plan. Deshalb ist es dringend geboten, einen Ausstiegsplan aus der Braunkohle
als einen Baustein zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens und als
Sicherung der Zukunftsperspektiven der Menschen in den Kohlerevieren zu
beschließen. Klimaschutz und soziale Sicherheit sind kein Widerspruch, sondern
für die GRÜNE JUGEND zwei Seiten der selben Medaille im Kampf für eine
gerechtere Welt.
Die besondere demographische Struktur der Tagebaubeschäftigen führt dabei dazu,
dass ein Paris-konformer Austieg nahezu ohne betriebsbedingte Kündingungen
auskommt. Auch nach dem Ende des Braunkohleabbaus gibt es in den Revieren viel
zu tun. Die Renaturierung ist eine große Herausforderung, die Arbeitsplätze
bindet. Darüber hinaus müssen Investitionen der Konzerne LEAG, MIGRAB und RWE,
zu denen sie sich verpflichten müssen, sowie öffentliche Investitionen einen
raschen Strukturwandel fördern, der auch neue Beschäftigungsperspektiven schafft
und auch der Industrie und dem Gewerbe in den Regionen, die mittel- oder
unmittelbar vom bisherigen Braunkohlegeschäft abhängig waren, eine Zukunft
bietet. Angepackt werden muss das Problem der Infrastruktur, die durch die
Tagebaulöcher in der Region, teilweise stark zerteilt ist und ganze Ortschaften
abgeschnitten hat. Gemeinsam haben die Regionen, dass ein verbesserter Anschluss
mit dem ÖPNV, Breitbandausbau, Digitalisierung oder Modellprojekte in der
Erprobung neuer Technologien Chancen für die Regionen darstellen. Besonders
große Herausforderungen sehen wir in den Revieren der neuen Bundesländer. Die
Regionen sind deutlich stärker von Abwanderung, maroder Infrastruktur aus DDR-
Zeiten und der Sparpolitik der letzten drei Jahrzehnte betroffen. Hinzu kommt,
dass im lausitzer und mitteldeutschen Revier wesentlich weniger andere
Arbeitgeber existieren. Die vielen Strukturbrüche in den ostdeutschen
Lebensläufen verstärken die Angst vor einem erneuten Strukturbruch. Hier müssen
wir klar machen, dass wir den schon begonnen Strukturwandel geordnet,
sozialverträglich, aber zügig weiterführen wollen. Wir fordern, dass die
Bundesregierung sich gezielt mit der Frage des Strukturwandel in den neuen
Bundesländern auseinandersetzt. Hier muss endlich die Ansiedelung von
Zukunftsbranchen und öffentlichen Behörden vorangetrieben werden und der Ausbau
oder die Elektrifizierung wichtiger Zugverbindungen wie Lübbenau-Cottbus oder
Cottbus-Görlitz dürfen im Bundesverkehrswegeplan nicht mehr auf das Abstellgleis
gestellt werden. Zudem sehen wir es als notwenidig an, dass ein sogenannter
Lausitz-Fond des Bundes gezielt Geld in die Regionen bringt. Die Politik muss
jetzt mit den Menschen in allen Regionen in Dialog treten und mit ihnen
gemeinsam den Strukturwandel auf den richtigen Weg bringen.
Klar für uns ist auch: Die Konzerne sind mit dem Ende der Braunkohleverstromung
noch lange nicht aus der Verantwortung entlassen, sondern tragen eine dauerhafte
Verantwortung dafür, die Altlasten und Ewigkeitskosten, die durch den
Braunkohleabbau entstanden sind, zu tragen und eine nachhaltige und
zukunftsfähige Neuentwicklung der dann ehemaligen Braunkohle Regionen
voranzutreiben. Dafür werden sie Rückstellungen bereithalten müssen, um für
Kosten aufzukommen. Auch dürfen bei der Neuentwicklung der Regionen und der
Entwicklung von alten Tagebaubetreiber-Flächen nicht die Gewinninteressen der
Konzerne, sondern die Interessen der Regionen und der Allgemeinheit als Ganzes
besonders berücksichtigt werden.
Wir fordern:
- Eine Beschäftigungsgarantie für die Tagebaubeschäftigten
- Umschulungsmöglichkeiten für Tagebaubeschäftigte hin zu
Beschäftigungsmöglichkeiten im Sektor der erneuerbaren Energien
- Strukturförderung & neue Impulse für die wirtschaftliche Neuentwicklung in
allen Revieren
- Den Strukturwandel mit den Menschen der Region gemeinsam gestalten
- Allgemeinheit darf nicht auf Ewigkeitskosten und Altlasten der Braunkohle
sitzen bleiben, RWE muss dauerhaft haften
- Die gesamtgesellschaftliche Voranbringung von Konzepten zur sozialen und
bedingungslosen Grundsicherung, die über die Tagebaubschäftigten
hinausgeht
- Ein besonderes Augenmerk auf den Strukturwandel in den neuen Bundesländern
mit Investitionen des Bundes
Die Dörfer müssen Leben!
Ein besonderes Augenmerk muss auf der Unterstützung der Dörfer liegen, die
entgegen der bisherigen Planung nicht mehr umgesiedelt werden. Alle Probleme,
die der ländliche Raum in Deutschland hat, treten hier verstärkt auf. Noch
weniger junge Menschen und Familien leben in den Dörfern mit Umsiedlerstatus,
denn sie sind oftmals die ersten, die an einem anderen Ort neu anfangen. Die
Anbindung an den ÖPNV ist in der Regel unterirdisch, das Mobilfunknetz ist
schwach und in Glasfaserleitungen wurde hier nicht mehr investiert. Der
zunehmende Leerstand tut sein übriges für die Athmosphäre und zieht
Plünder*innen an. Zudem haben die Hauseigentümer*innen oftmals Investitionen in
ihre Immobilien aufgeschoben.
Für uns ist klar: Die Dörfer die bleiben, müssen leben! Deshalb braucht es ein
Förderprogramm für die betroffenen Dörfer. Dieses darf nicht zulasten der
Menschen gehen, die bereits umgesiedelt wurden. Ein Ausspielen derer, die
geblieben sind gegen die, die umgesiedelt wurden, würde den sozialen Frieden in
den Revieren weiter gefährden und verbiete sich. Den Menschen, die eine Rückkehr
in ihre Heimatdörfer wünschen, sollte diese auch ermöglicht werden. In diesem
Zusammenhang zeigen wir uns auch solidarisch mit den zahlreichen Hausbesetzungen
rund um die von Abbaggerungen betroffenen Dörfer, die Perspektiven für die
verloren geglaubten Ortschaften aufzeigen.
Wir fordern:
- Ein Rückkaufrecht für die ehemaligen Eigentümer*innen, deren Häuser noch
stehen sowie ein Rückkaufrecht für die Grundstücke dort, wo die Häuser
bereits abgerissen wurden.
- Ein Investitionsprogramm für den ÖPNV sowie die soziale Infrastruktur,
sowohl in den alten, als auch in den neuen Dörfern.
- Ein Förderprogramm für die Sanierung der Gebäude in den betroffenen
Dörfern.
Begründung
Erfolgt mündlich.
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