Veranstaltung: | 1. Länderrat 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge |
Antragsteller*in: | Tariq Kandil (Friedrichshain- Kreuzberg), Jacqueline Schmiedeke (Frankfurt), Mika Lolic (Passau), Joachim Janas (Mainz) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.06.2025, 23:41 |
A-13: Zeit für Aufarbeitung: Schon wieder Struktur- und Selbstbeschäftigung?
Antragstext
Ja, leider ist das notwendig, aber wir wollen konstruktiv nach vorne blicken, ohne uns in persönlicher Kritik an Einzelpersonen zu verlieren. Dafür
ist das Thema zu wichtig. Wir wollen wieder mehr inhaltliche, sachliche und vor allem wirksame linksgrüne Politik machen. Doch das geht nur, wenn wir
uns als Jugendverband nicht zersplittern.
Krise und Neuorientierung der Grünen Jugend
Am 25. September 2024 verkündete der gesamte Bundesvorstand der Grünen Jugend überraschend seinen Rücktritt vom Amt und seinen Austritt sowohl aus der
Partei als auch dem Jugendverband. Begründet wurde dies mit einer zunehmenden inhaltlichen Entfremdung von der Mutterpartei, insbesondere im Bereich
Asylpolitik, Sozialpolitik und Klimagerechtigkeit. In internen Schreiben und öffentlichen Stellungnahmen kritisierten die ehemaligen
Vorstandsmitglieder, dass die Grünen keine glaubhafte linke Politik mehr vertreten würden und Kompromisse eingingen, die ihren Grundsätzen
widersprächen. Die politische Ausrichtung zu bewerten, ist nicht Bestandteil dieses Antrags. Der alte Bundesvorstand wurde bereits auf dem 58.
Bundeskongress in Leipzig politisch nicht entlastet. Der Austritt wurde monatelang vorbereitet mit Strategiepapieren und organisatorischen
Vorkehrungen wie der Kommunikation über inoffizielle Telegramkanäle, dem Löschen von Chats und der mutmaßlichen Weiternutzung von Parteistrukturen zum
finanziellen Vorteil, obwohl die Gründung eines neuen Jugendverbands bereits in Planung war.
Ein Elitenprojekt als Krise der Basisdemokratie
In der Retrospektive zeigt sich: Rund um den ehemaligen Bundesvorstand hatte sich eine Blase gebildet, ein enges Netzwerk aus Vertrauten, das
Entscheidungsprozesse dominierte und formale Beteiligung durch informelle Strukturen ersetzte. Unmut über Intransparenz, Vermeidung von Kommunikation
und kein Raum für offene Kritik waren Ausdruck davon.
Basis ist Boss – Macht durch Wahlen ist geliehene Macht
Der Austritt war kein Betriebsunfall. Er war Ausdruck eines systematischen Machtungleichgewichts und eines gestörten politischen Austauschs zwischen
der Basis und ihrer gewählten Spitze. Wenn das Vertrauen in gewählte Vertreter*innen schwindet, wenn Entscheidungsprozesse nicht mehr transparent
erscheinen und wenn Kritik als Angriff statt als Impuls wahrgenommen wird, dann ist nicht nur das Verhältnis zwischen Bundes- und Landesebene gestört,
dann steht unsere Vorstellung von gelebter Basisdemokratie insgesamt auf dem Spiel. In den vergangenen Monaten hat die Grüne Jugend eine ihrer
tiefsten politischen und organisatorischen Krisen durchlebt. Der Rücktritt des gesamten Bundesvorstands und zahlreicher Landesvorstände sowie die
Ankündigung einer alternativen Jugendorganisation hat eine tiefgreifende Debatte über Strategie, Identität und Parteiverhältnis der Grünen Jugend
notwendig gemacht. Viele (vorstands-)erfahrene Menschen hinterlassen eine Lücke in der Verbandsarbeit. Mitglieder, die geblieben sind, sind über das
Vorgehen des alten Bundesvorstands enttäuscht oder verunsichert, denn das Thema ist emotional und betrifft oft persönliche Freundschaften. „Zeit für
was Neues” ist zum Reizwort avanciert. Trotz der Härte des Konflikts hat unser Verband schnell reagiert: Übergangsstrukturen wurden geschaffen,
politische Arbeit wurde wieder aufgenommen und viele Aktive meldeten sich zurück. Mitglieder der Initiative #WirBleiben, vor allem aus den
Landesverbänden Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg und Bremen, haben Verantwortung übernommen und damit zum Fortbestehen unseres
Verbands beigetragen. Sie verdienen dafür unseren großen Dank und Respekt. Das ist eine große Stärke der Grünen Jugend: unsere Fähigkeit zur
Selbstheilung. Doch diese Stärke darf uns nicht davon abhalten, aus der Krise politische Schlüsse zu ziehen.
Zeit für Aufarbeitung, Zeit für Strukturwandel
Dabei gilt: Krise kann auch geil sein, wenn wir daraus lernen können. Wir wollen eine politische Aufarbeitung, die Ursachen benennt, Dynamiken
analysiert und konkrete Handlungsvorschläge liefert. Deshalb fordern wir mit diesem Antrag die Einsetzung einer unabhängigen Kommission, die mit
Beteiligung der Basis, der Landesverbände und externen Perspektiven arbeitet. Denn die beste Antwort auf Machtkonzentration ist eine organisierte,
handlungsfähige Basisdemokratie. Klar ist: Die Macht in unserem Verband gehört nicht denen, die sie temporär ausüben. Sie gehört denen, die den
Verband tragen. Der Aufbruch nach der Krise beginnt dort, wo wir unsere Strukturen in Frage stellen und sie gemeinsam demokratischer machen.
Forderungen
1. Unabhängige Kommission einsetzen
- Eine nach dem FINTA*-Statut quotierte Kommission zur Aufarbeitung wird wie folgt eingesetzt:
- 1 Mitglied des aktuellen Bundesvorstandes (ohne Stimmrecht)
- 1 externe Moderation mit Verbandserfahrung (durch Pol. GF Rat gewählt)
- 8 Mitglieder, gewählt durch den Bundeskongress
- Die Kommission soll i. d. R. mitgliederöffentlich tagen, darf jedoch auch Personen begründet ausschließen oder Sitzungen, die
Persönlichkeitsrechte betreffen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit abhalten, Gäst*innen haben kein Rede- oder Stimmrecht.
- Die Kommission arbeitet transparent und erhält vom Bundesvorstand sowie der Bundesgeschäftsstelle Zugang zu allen nötigen Informationen, also z.
B. Protokollen von Bundes- und Länderebene, Räumlichkeiten, Chats, Interviews mit betroffenen Personen und Angestellten.
- Basismitglieder sollen ein Auskunftsrecht bekommen, wenn sie in den Protokollen des ehemaligen Bundesvorstands namentlich genannt werden.
- Die Kommission legt bis zum 1. Länderrat 2026 einen einstimmigen Abschlussbericht vor (Minderheitenvotum möglich) mit verbandsinternem
Abschluss-Call.
- Die Ergebnisse sollen in ein neues Selbstverständnis einfließen.
2. Krise aufarbeiten
- Der neue Bundesvorstand legt einen transparenten Bericht zu Rücktritten und Austritten des alten BuVo vor. Grundlage sind Interviews, Protokolle
und Gespräche mit Beteiligten unter Wahrung persönlicher Rechte.
- Aufarbeitung muss strukturell, politisch und personell erfolgen, mit dem Ziel einer ehrlichen Analyse ohne Schuldzuschreibungen.
3. Transparenz und Kommunikation
Zentrale Entscheidungsprozesse zu Strategie, Struktur und Ressourcenverwendung müssen dokumentiert und offen kommuniziert werden.
Künftige Konflikte mit der Mutterpartei sowie innerhalb des Verbandes frühzeitig mit der Mitgliedschaft debattieren.
4. Umgang mit Doppelmitgliedschaften und „Zeit für was Neues“ (inzwischen JuLis)
- - Es braucht eine verbandsweite Klärung, ob eine Doppelmitgliedschaft bei Mitgliedschaften in „Zeit für was Neues“ bzw. “Junge Linke” mit der
Grünen Jugend vereinbar ist.
- Wir vertrauen auf die unabhängige Rechnungsprüfung, die mutmaßliche Zweckentfremdung von Finanz- und Sachmitteln zu überprüfen und ggf. das
Schiedsgericht anzurufen.
5. Politische Bildung und Zusammenhalt fördern
- Die GJ soll ein internes Bildungsangebot zum Umgang mit innerorganisatorischen Konflikten und Strategiedifferenzen schaffen.
- Um bis zum kommenden Bundeskongress eine zielführende Debatte über die finanzielle Entlastung führen zu können, brauchen die Mitglieder vom
aktuellen Bundesvorstand Informationen über bereits gegangene Schritte und Auskunft zur juristischen Sachlage.
- Landesverbände sollen durch den Bundesvorstand aktiv dabei unterstützt werden, basisdemokratischer zu werden und Konflikte gemeinsam konstruktiv
zu lösen.
6. Strukturelle Veränderungen
- - Strukturelle Veränderungen, die dazu führen, dass nicht wieder eine Elitenbildung in unserem basisdemokratischen Verband stattfindet.
- Basis, Kreis- und Landesverbände müssen in Entscheidungen auf Bundesebene systematisch eingebunden werden.
7. Demokratie und Feedbackkultur stärken
- Wir bekennen uns zur Grünen Jugend als ein Ort des solidarischen Handelns, des strategischen Denkens und des gelebten Miteinanders.
- Diese Krise war nicht das Ende, sondern der Beginn eines neuen, stärkeren Miteinanders, um gemeinsam an einer Verbesserung des Verbandsklimas zu
arbeiten.
Begründung
Nur wer sich ehrlich mit Fehlern, Spannungen und strategischen Irrwegen auseinandersetzt, kann gestärkt daraus hervorgehen. Die Grüne Jugend hat die Möglichkeit, aus dieser Krise zu lernen. Nicht mit Schuldzuweisungen, sondern mit politischer Klarheit, struktureller Offenheit und einem solidarischen Blick nach vorn. Die Kommission zur Aufarbeitung soll ein Instrument für neue Stärke, mehr Demokratie und ein geschärftes Selbstverständnis als linke Kraft sein. Kritik im Sinne kritischen Denkens bedeutet auch Reflexion, Lob und Lernen.
[Weitere Begründung erfolgt mündlich oder befindet sich in Antragstext. Dieser Antrag wurde gekürzt.]
Unterstützer*innen
- Damian Koenig (KV Leipzig)
- Lukas Wölfert (KV Coburg)
- Richard Gemba (KV Bayreuth)
- Charlotte Langen (KV Mainz)
- Sarah Bolz (KV Speyer)
- Thorben Thieme (KV Altenkirchen)
- Senem Bozdag (KV Offenbach)
- Sebastian Dambaur (KV Marburg)
- Jakob Krumpholz (KV Limburg)
- Ronja Zierold (KV Mittelsachsen)
- Laetitia Wendt (KV Frankfurt)