Veranstaltung: | 1. Länderrat 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge |
Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 11.06.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 12.06.2025, 13:34 |
A-1: Kommunalwahlen sind Kampagnenzeiten! Mit gemeinsamer Strategie für linke Kommunen kämpfen.
Antragstext
Am 14. September in Nordrhein-Westfalen, im März 2026 in Bayern und Hessen, im Herbst 2026 dann in Niedersachsen und Berlin - über 50% der bundesweit
Wahlberechtigten werden im nächsten Jahr zu Kommunalwahlen aufgerufen.
Als GRÜNE JUGEND sehen wir darin einen mehr als guten Zeitpunkt, um als Verband mit einer gemeinsamen Strategie in künftige Kommunalwahlen zu gehen.
GJ x Kommunalpolitik: Für das große Ganze im ganz Kleinen kämpfen.
Bundesweit engagieren sich mehr als 200.000 Menschen kommunalpolitisch im Gemeinde- oder Stadtrat, Kreistag oder einer Bezirksvertretung. Sowohl
innerhalb der politischen Linken als auch verbandsintern beobachten wir, dass Kommunalpolitik und die Wirksamkeit einer linken Politik, die vor der
Haustür der Menschen ansetzt, in der Regel nur am Rande Beachtung findet. Die Gründe hierfür sind verschieden und auf den ersten Blick in weiten
Teilen nachvollziehbar.
Als GRÜNE JUGEND setzen wir uns eine gerechte Gesellschaft ein, in der kein Wirtschaftssystem mehr die planetaren Grenzen missachten darf, Menschen
ausbeutet und sie auf ihre Arbeitsleistung reduziert. Wir kritisieren gesellschaftliche Missstände und geben uns nicht damit zufrieden, wenn eine
Regierung die kleinste sozialpolitische Maßnahme als Allheilmittel gegen Armut verkauft, sondern wissen, dass Armut genau wie die Klimakrise und
Menschenfeindlichkeit mit diesem System zusammenhängt. Deshalb suchen wir nach großen Antworten und strukturellen Lösungen.
Und genau hier scheint der erste Widerspruch zu liegen: Unsere Ressourcen sind begrenzt und was wir wollen, ist ein grundlegender gesellschaftlicher
Wandel. Wozu also stundenlang in angestaubten Ratssälen über die Gemeindeordnung diskutieren?
Wir sehen diese Widersprüche und auch, dass die GRÜNE JUGEND in den letzten Jahren kein gemeinsames Verständnis von kommunalpolitischer Arbeit hatte.
Um das zu ändern, haben wir uns auf den Weg gemacht unsere Ansprüche an eine linke Kommunalpolitik und als Verband ein wirksames Verhältnis zu ihr zu
finden. Dafür haben wir Gespräche mit unseren Landesvorständen und Mitgliedern, die kommunalpolitisch aktiv sind, geführt. Diese Gespräche bilden die
Grundlage für diesen Antrag.
Zunächst möchten wir hier ausführlich die Herausforderungen die derzeit existieren ansprechen, daran anschließend Grundsätze eines kommunalpolitischen
Selbstverständnisses formulieren und Empfehlungen für alle Ebenen von Verantwortungsträger*innen aussprechen, um gut vorbereitet in Kommunalwahlen und
neue kommunale Wahlperioden zu gehen.
Wir verstehen diesen Antrag als eine Bestandsaufnahme, die keinen Anspruch auf End- oder Allgemeingültigkeit hat. Vielmehr möchten wir eine
Diskussionsgrundlage schaffen, mit der wir als Verband in den nächsten Jahren fortlaufend überprüfen können, inwiefern die Bewältigung bestehender
Herausforderungen sich künftig verbessert.
Ist-Zustand und Herausforderungen im Verhältnis von GJ x Kommunalpolitik
Ein großer Teil unserer Mitglieder findet den Weg zur GRÜNEN JUGEND über die Doppelmitgliedschaft bei Eintritt in die Grüne Partei. Die Zeit, die
Mitglieder brauchen, um in unseren Verbandsstrukturen aktiv zu werden, unterscheidet sich von Ort zu Ort, von Mitglied zu Mitglied.
Wenn Mitglieder zunächst Anschluss in ihrem Grünen Kreis- oder Ortsverband finden, passiert es nicht selten, dass ihnen schnell eine Kandidatur für
das Kommunalparlament angeboten wird. Dabei wird nicht immer transparent und auf die Lebensrealitäten junger Menschen achtend über ein kommunales
Mandat informiert. Die Grünen haben ein inneres Interesse daran junge Mitglieder auf kommunale Wahllisten zu stellen, da sie so einen vielfältigeren
Eindruck machen und sich erhoffen stärkere Ergebnisse bei jungen Wähler*innen zu erzielen.
Doch im Ergebnis landen dann junge Mitglieder mit falschen Vorstellungen und unrealistischen Anforderungen plötzlich in einem kommunalen Mandat und
sind damit erstmal für viele Jahre stark gebunden und haben nur noch wenig Zeit, um sich in die GRÜNE JUGEND einzubringen.
Hierin liegt eine ganz offene Herausforderung im Verhältnis des Verbandes gegenüber kommunalpolitischem Engagement.
Doch nicht nur wegen fehlender Zeit sind GJ-Kommunalpolitiker*innen manchmal weniger erreichbar für uns als Verband - auch fehlen bis heute häufig
passende Räume, die einerseits Anknüpfungspunkte bieten an ihre tägliche Arbeit vor Ort und andererseits einen oft erwünschten Austausch mit anderen
jungen Kommunalpolitiker*innen ermöglichen. Dieser Austausch wäre vor allem deshalb wichtig, weil sie oft die einzigen jungen, linken Menschen in
ihrem kommunalen Gremium sind. Und so bleibt oft nichts, als sich überwiegend mit älteren, manchmal konservativeren Grünen politisch auszutauschen und
strategisch zusammenzuarbeiten. Hierin liegt das Risiko einer Entfremdung gegenüber dem Verband und einer allgemeinen Depolitisierung, auch weil in
der Vergangenheit nicht mitgedacht wurde, wie das Spannungsverhältnis wertschätzend und für den Verband hilfreich überbrückt werden kann.
Zusammengefasst bedeutet das: Derzeit entscheiden sich junge Mitglieder oft für kommunalpolitisches Engagement, ohne umfassende, transparente
Informationen als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt zu bekommen. Fehlende Zeit, nicht organisierte Vernetzungsräume und oft entfernt
scheinende Inhalte unserer Bildungsarbeit sorgen dafür, dass sie sich weniger aktiv in die Grüne Jugend einbringen.
Unser kommunalpolitisches Selbstverständnis
Kommunalpolitik bietet Räume für einen sachlichen und alltagsnahen Austausch über Politik. Hier lassen sich politische Logiken fernab vom Rampenlicht
lernen. Das bedeutet, dass es vor Ort besser möglich sein kann, breite Bündnisse zwischen Zivilgesellschaft und Politik zu bauen. Als GRÜNE JUGEND
verstehen wir uns als Aktivist*innen, die genau diese Bündnisse, zwischen Straße und Parlament, aufbauen und mitgestalten wollen.
Vor diesem Hintergrund möchten wir Kommunalpolitik künftig als Bestandteil der politischen Arbeit der GRÜNEN JUGEND verstehen. Das bedeutet, dass wir
Mitglieder, die sich von sich aus entscheiden, für ein kommunales Mandat zu kandidieren, auf ihrem Weg unterstützen möchten und sie als aktive
Verbündete im Aktivismus für eine gerechtere Gesellschaft sehen. Ihre individuellen Entscheidungen respektieren wir und schätzen es, dass Mitglieder
diese Form des Engagements wählen.
Dennoch müssen wir feststellen, dass die kommunalpolitischen Strukturen und rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Engagements nicht auf die
Lebensrealitäten junger Menschen abgestimmt sind und enorm viele Ressourcen binden; oft über Jahre hinweg. Auch ist die politische Wirksamkeit
innerhalb einer Grünen Fraktion und im Gesamtgefüge eines kommunalen Gremiums am Ende des Tages sehr begrenzt.
Deshalb werden wir unsere Mitglieder als GRÜNE JUGEND nicht aktiv dazu ermutigen kommunale Mandate anzustreben, sondern sich mit ihrer Zeit in unseren
Kreisverbänden, auf Landes- und Bundesebene im Verband einzubringen.
Wenn junge Menschen ein kommunales Mandat annehmen wollen, möchten wir sie in Zukunft aber mehr in die Verbandsarbeit einbinden: So wollen wir
Landesverbände ermutigen, feste Vernetzungsstrukturen auf Landesebene schaffen, die (angehenden) Kommunalis Austausch- und Mentoring-Möglichkeiten
bieten. Auf der anderen Seite möchten wir das Mandatsverständnis von GJ-Kommunalis als eines prägen, in dem kommunale Bündnisarbeit im Vordergrund
steht. Kommunalpolitiker*innen haben häufig Zugriff auf große Netzwerke vor Ort. Die daraus entstehenden Kontakte zu möglichen Bündnispartner*innen
können für unsere Kreisverbände eine große Hilfe für die aktivistische Arbeit sein.
Außerdem stehen im Mittelpunkt von Kommunalpolitik häufig ganz direkte Verteilungsfragen: Linke Politik in der Kommune macht aus, dass wir eine starke
Lobby für diejenigen sind, die selbst nicht mit am Tisch sitzen. Der Zuwachs an Aufgaben, die durch Bund und Länder an die Kommunen weitergegeben
wird, war in den letzten Jahren enorm. Gleichzeitig hat sich an der grundlegenden Finanzierung und Einnahmestruktur der Kommunen kaum etwas verändert.
Diese fahrlässige Politik hat dazu geführt, dass viele Kommunen bundesweit unter angespannten Haushaltslagen arbeiten. Dort, wo das Geld knapp ist,
wird oft zuallererst bei marginalisierten Gruppen gespart. Das ist weder gerecht noch gemeinwohlorientiert.
Kommunale Mandatsträger*innen der GRÜNEN JUGEND sollten dieses Spannungsfeld immer im Sinne der 99% auflösen und für eine Politik kämpfen, die für
diejenigen einsteht, die sich selbst nicht vertreten können.
Für die Umsetzungen konkret in Ortsgruppen bedeutet das: Nutzt das Wissen und die Ressourcen!
Wenn ihr wisst, wo Sozialbindungen auslaufen, könnt ihr vor Ort mit jungen Menschen ins Gespräch kommen und sie für die Grüne Jugend begeistern. Wenn
ihr wisst, wo mal wieder gekürzt werden soll, könnt ihr die Demo organisieren und wenn ihr das Büro in einen solidarischen Ort verwandeln wollt, habt
ihr da jemanden mit Reichweite und Kontakten.
Kommunalwahlen sind Kampagnenzeiten
Unabhängig davon, ob Mitglieder für ein kommunales Parlament kandidieren - Kommunalwahlen sind für uns Kampagnen-Zeiträume! Wie auch alle anderen
Wahlkämpfe bieten Kommunalwahlkämpfe einen Zeitraum in dem junge Menschen sich stärker politisieren und wir als GRÜNE JUGEND zeigen können, dass es
sich lohnt gemeinsam mit uns für eine gerechtere Zukunft zu kämpfen.
Die besten Kampagnen lassen sich dann führen, wenn sie breite Beteiligung ermöglichen und frühzeitig geplant werden. Deshalb schlagen wir vor, bereits
1,5 Jahre vor einer anstehenden Kommunalwahl das Thema auf einer Landesmitgliederversammlung oder einem Bildungswochenende zu setzen. So haben viele
Mitglieder die Möglichkeit Ideen für die Kampagne einzubringen. Auch ein Kampagnen-Team, das auf Landesebene im Jahr der Kommunalwahl eingesetzt wird,
kann ein guter Ort sein, um mehr Mitglieder an der Ausgestaltung der Kampagne zu beteiligen.
Die inhaltliche Besonderheit bei einer Kommunalwahl-Kampagne liegt darin, dass die relevanten Themen direkt vor der Haustür stattfinden. Hierin
besteht ein großes Mobilisierungspotential, das wir als Verband nutzen sollten: GJ-Kreisverbände sollten sich frühzeitig, mit Unterstützung durch den
Landesverband, ein “Leuchtturm-Projekt” für ihre Kommune suchen, das sie möglicherweise in das Wahlprogramm der Grünen verhandeln können, vor allem
aber in der Kampagnenzeit mit Aktionen bewerben können.
Seien es ein neues Jugendzentrum, eine bessere ÖPNV-Anbindung oder kostenfreie Menstruationsartikel auf öffentlichen Toiletten: Über Petitionen,
Beteiligungsformate, Podiumsgespräche, Anfragen an Parteien, Suchen von zivilgesellschaftlichen Bündnispartner*innen - für jedes linke Projekt lässt
sich vor Ort Kampagne machen. Hier sollte ein Schwerpunkt einer Kommunalwahl-Kampagne liegen.
Handlungsempfehlungen für alle Ebenen
Handlungsempfehlungen für den Bundesvorstand:
Der Bundesvorstand stellt einen Unterordner im Wissenswerk in der Grünen Wolke zur Verfügung, in der kommunalpolitische Antragsideen eingestellt
werden können
Der Bundesvorstand unterstützt die Landesverbände in der Entwicklung von schlagfertigen Kommunalwahl-Kampagnen
Der Bundesvorstand versucht die Übertragbarkeit der Inhalte unserer Bildungsarbeit auf die praktische kommunalpolitische Arbeit vor Ort zu
erhöhen
Der Bundesvorstand unterstützt strukturschwache Landesverbände in der überregionalen Vernetzung ihrer kommunalen Mandatsträger*innen
Handlungsempfehlungen für die Landesvorstände:
Die Landesvorstände sollten 1,5 Jahre vor einer anstehenden Kommunalwahl in die erste Phase der Kampagnen-Planung einsteigen. Hierzu kann sich
ein eigenes Bildungswochenende zur Einbindung der Mitgliedschaft anbieten
Die Landesvorstände unterstützen ihre Kreisverbände bei der Suche nach einem “Leuchtturm-Projekt” für eine kommunale Kampagne im Wahlkampf
Die Landesvorstände etablieren feste Vernetzungsstrukturen für kommunale Mandatsträger*innen und legen eine Verantwortlichkeit für diesen
Bereich innerhalb des Landesvorstandes fest
Die Landesvorstände sammeln im Vorfeld der Wahlprogramm-Prozesse vor Ort überregional tragfähige linke Antragsideen, die an die Kreisverbände
zur Einbringung in die lokalen Grünen Wahlprogramme weitergegeben werden
Handlungsempfehlungen für die Kreisvorstände:
Die Kreisvorstände bemühen sich um einen regelmäßigen Austausch mit ihren kommunalen Mandatsträger*innen
Die Kreisvorstände finden im Rahmen eines Kommunalwahlkampfes ein “Leuchtturmprojekt”, mit dem sie vor Ort Kampagne machen und junge Menschen
mobilisieren