Veranstaltung: | 1. Länderrat 2023 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | E.A Begleitantrag zur Europawahlkampagne |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Länderrat |
Beschlossen am: | 01.07.2023 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Europa, aber Links!
Beschlusstext
Europa, aber Links!
Unsere Grundpfeiler für die Europakampagne 2024
Schluss mit Krise(n) - Zeit für Veränderung!
Waldbrände, Überflutungen, Arbeitslosigkeit, Menschenrechtsverletzungen, Krieg –
Schlagzeilen, die wir täglich hören. Zu oft verbinden wir damit Geschehnisse,
die weit weg passieren - obwohl das unsere bittere Realität in Europa ist.
Denn während in Italien Wälder brennen, regiert eine rechtsextreme Regierung das
Land. Während in Frankreich jedes fünfte Kind unter der Armutsgrenze lebt, wird
der Sozialstaat schrittweise abgebaut. Und während die EU sich mit ihren Werten
schmückt, schafft sie das Recht auf Asyl quasi ab. Wir sehen: die Krisen und
ihre Auswirkungen treffen uns hier in Europa.
Auch in Deutschland ist die politische Lage alles andere als rosig: weitgehender
Klimaschutz oder eine Bekämpfung der sozialen Ungleichheit sind eher ein ferner
Traum als die Tagespolitik der Ampel. Statt Mieter*innen und vor allem
einkommensschwache Haushalte bei den gestiegenen Kosten des Wohnens zu
unterstützen, diskutieren wir seit Monaten das eigentlich klimapolitisch
notwendige Gebäudeenergiegesetz. Statt Kommunen finanziell zu entlasten, stimmt
die Ampel-Regierung einer Verschärfung des Asylrechts zu. Statt ambitionierter
Investitionen steht uns ein Sparkurs ins Haus.
Und nächstes Jahr also EU-Wahlen?!
Während all dieser Krisen & Rückschritte findet im nächsten Jahr die Wahl zum
Europäischen Parlament statt - und es ist angesichts dieser Entwicklungen
schwer, euphorisch darauf zu blicken.
Es wäre falsch, unsere Kritik an der EU leise zu stellen, aus Angst, den Rechten
in die Karten zu spielen - zu viel läuft derzeit schief. Für uns als
internationalistischer Verband ist dabei aber stets glasklar, dass wir nicht ins
Nationale zurückfallen können und dürfen. Deswegen definieren wir als Ziel ein
Europa, in dem die Bedürfnisse der arbeitenden Klasse und der Erhalt unserer
Lebensgrundlagen im Fokus stehen - nicht die Profite der Wenigen!
Dabei ist das, was in Deutschland passiert, für die Entwicklungen in Europa von
hoher Relevanz. Die Deutsche Bundesregierung spielt eine besondere, aber keine
besonders gute Rolle. Denn auch sie ist es, die anderen Ländern den eigenen
Sparkurs aufdrückt, sich selbst vor ambitioniertem Klimaschutz wegduckt und in
den Chor einstimmt, der das Recht auf Asyl aushöhlt. Umso relevanter ist es,
dass wir als Linke für eine klare Alternative einstehen und auch der eigenen
Bundesregierung die Stirn bieten.
Seit der letzten Europawahl 2019 hat sich für die Grüne Jugend einiges
verändert. Wir haben unsere Mitgliederzahlen verdoppelt. Wir haben uns vor Ort
verankert und haben nicht trotz, sondern gerade aufgrund der
Regierungsbeteiligung der Grünen einen starken Schwerpunkt auf Bewegungs- und
Basisarbeit gelegt. Wir lassen uns nicht von kleinschrittigen
Regierungskompromissen lähmen! Statt uns damit abspeisen zu lassen, fordern wir
weiter das Notwendige ein. Wir sind stärker geworden und wollen diese Kraft im
nächsten Jahr für unsere Kampagne nutzen!
Denn es waren nicht die Regierenden, sondern FridaysForFuture, die die
Europawahl 2019 zur Klimawahl machten. Die zivile Seenotrettung verteidigt bis
heute die Werte Europas, zur Not an den EU-Regierungen vorbei. Und die großen
Proteste gegen die Rentenreform in Frankreich haben auch unsere aufkommende
Streikbewegung in Deutschland jeden Tag aufs Neue inspiriert.
Veränderung ist möglich, wenn wir uns zusammenschließen. Dafür lohnt es sich
jetzt zu kämpfen.
Inhaltliche Schwerpunkte für die Kampagne
Um viele junge Menschen für ein solidarisches Europa zu begeistern, reicht es
lange nicht mehr, einfach nur für Europa zu sein. Gerade angesichts der vielen
besorgniserregenden Entwicklungen, die wir innerhalb der EU wahrnehmen, brauchen
wir konkrete Visionen, die junge Menschen begeistern, politisieren und ihnen
eine Alternative zum Status Quo aufzeigen. Deswegen wollen wir unsere Visionen
von einem anderen Europa auf konkrete Themen herunterbrechen, die wir gemeinsam
auf die Straßen bringen!
Für ein soziales Europa!
Den Kopf nur in den Sand zu stecken und die Wahlergebnisse faschistischer
Parteien nur auf ihre gute Kommunikationsstrategien zu schieben, ist falsch. Die
Zugewinne der europäischen Rechten lassen sich - anders als in Diskursen
manchmal behauptet - nicht mit der Naivität von Menschen erklären, sondern mit
der Unzufriedenheit, von dem momentan bestehenden System im Stich gelassen zu
werden. Dabei dürfen wir nicht vergessen, wie sehr die aufgezwungene Sparpolitik
2010 gerade in südeuropäischen Ländern zu Angst vor Krisen gesorgt hat - dort
können die Rechten mit scheinbar einfachen Lösungen anknüpfen. Aber die
gewählten Rechten Regierungen führen keineswegs zu einer verbesserten Situation
der arbeitenden Klasse. Die beste Lösung, den Rechten den Nährboden zu
entziehen, ist daher nicht, Menschen zu verurteilen, die denken, rechte Lösungen
könnten ihnen tatsächlich helfen. Die beste Lösung ist es, endlich soziale,
ökologische (Klassen-)Politik zu machen. Rechte versprechen der Bevölkerung
Stabilität, doch verschleiern die soziale Spaltung, vor allem durch Abgrenzung
nach außen. Das kann keine Antwort sein! Unsere Antwort ist ein solidarisches,
soziales Europa mit einer vereinten Arbeiter*innenklasse für globale
Gerechtigkeit.
Klimagerechtigkeit
Die Klimakatastrophe macht vor Grenzen nicht halt. Denn trotz der Überflutungen,
der Dürren und der Waldbrände gibt es keine Regierung weit und breit, die sich
den Herausforderungen annehmen will. Die Europäische Union, als eines der
kapitalistischen Zentren der Welt, hat maßgeblich zur menschengemachten
Klimakrise beigetragen - diese Verantwortung muss sie übernehmen und aktiv
handeln, statt nur lose Versprechungen zu machen. Das Argument der gemeinsamen
europäischen Lösung wird genutzt, um selbst keine ambitionierte
Klimaschutzpolitik vorantreiben zu müssen. Die Europäische Kommission gibt sich
zwar grün, doch mit Konzerninteressen wird sich dabei nicht angelegt. Das ist
für uns nicht akzeptabel! Wir machen uns stark für einen Klimaschutz, der die
Profiteure der Zerstörung zur Kasse bittet und das Leben der Menschen
verbessert. Als Grüne Jugend fordern wir eine Klimaschutzpolitik, die dem 1,5-
Grad-Ziel gerecht wird und über marktbasierte Mechanismen hinausgeht.
Leave no one behind!
Das vermeintliche Werteprojekt EU lässt tausende Menschen auf dem Mittelmeer
ertrinken. Dabei ist es oft die ausbeuterische Politik der EU selbst, die
Menschen erst zur Flucht zwingt. Nicht zuletzt die deutsche Zustimmung zur
Verschärfung des europäischen Asylrechts hat gezeigt: jegliche bereits
vereinbarten roten Linien der Ampel-Regierung waren schnell vergessen. Sie alle
wurden gerissen, um eine gemeinsame europäische Lösung zu finden - und das,
obwohl sie für mehr Chaos, mehr Gewalt, mehr Leid sorgen wird. Das Leben von
Menschen auf der Flucht wurde damit nicht verbessert, sondern verschlimmert.
Durch Abschottung flieht aber kein Mensch weniger! Für uns steht fest: Wir
verteidigen das Recht auf Asyl, denn es ist nicht verhandelbar! Gleichzeitig
nehmen Rassismus und Ablehnung gegen Geflüchtete zu. Das bedroht nicht nur
Menschen an den Außengrenzen, sondern auch migrantisierten Menschen in der EU,
die diesem Hass und der Hetze ausgesetzt sind. Das nehmen wir nicht hin! Der
Schutz von Menschen steht für uns im Mittelpunkt unserer Politik!
Über diese 3 Stränge hinaus gibt es weitere Themen, die wir in die Kampagne
einbinden wollen: ein Beispiel dafür sind die Situationen von Frauen und queeren
Menschen in Europa, die ständig unter Attacke sind. Das Kampagnenteam wird dazu
beauftragt, passende Formate dafür zu finden.
Ran ans Werk!
Diese Kampagne bietet für uns als Verband viele Chancen; Mit einer
eigenständigen Kampagne, die im gesamten Bundesgebiet für Solidarität in Europa
und darüber hinaus eintritt, wollen wir unser Profil als eigenständige linke
Jugendorganisation schärfen. Im Fokus unserer Kampagne stehen nicht
Wahlergebnisse, sondern die Politisierung und Organisierung junger Menschen
bundesweit.
Die Ziele der Kampagne
Wir wollen diese Kampagne nutzen, als gesamter Verband zentrale Themen nach
vorne zu stellen und als Verband weiter zu wachsen – denn nur, wenn wir viele
sind, kann eine starke Linke für internationale Solidarität kämpfen! Dabei
nutzen wir die Kampagne, um unsere eigene kritische Analyse über den Zustand der
EU und unsere Anforderungen an einen Politikwechsel zu schärfen und bringen
unsere Themen gemeinsam auf die Straße und in die Öffentlichkeit.
Die Europawahl bietet durch das Wahlalter 16 und das Wahlrecht für Menschen mit
europäischem Pass besonderes Mobilisierungspotenzial. Dieses wollen wir nutzen
um sowohl sehr junge Menschen als auch beispielsweise migrantisierte Personen
noch stärker als bisher in den Blick zu nehmen.
Unsere Kampagne ist dezentral. Wir zielen darauf ab, an den verschiedensten
Orten in Deutschland aktiv zu sein und junge Menschen dort abzuholen, wo sie
wohnen und leben. Im Stadtpark, an der Berufsschule, an der Schule, an der Uni.
Durch Dezentralität soll der gesamte Verband aktiviert und in seiner
Kampagnenfähigkeit gestärkt werden – ob im ländlichen Raum oder in der
Millionenmetropole. In dem Jahr der verstärkten Auseinandersetzung mit dem
Internationalismus, wollen wir unsere Theorie in Praxis umwandeln und unsere
Analyse auf die Straße bringen.
Die Gesichter der Kampagne sind die Gesichter der Grünen Jugend: Die
Sprecher*innen auf den jeweiligen Ebenen.
Für das Europaparlament kandidieren auch junge linke Grüne, die eng mit der
Grünen Jugend verbunden sind! Sie haben unsere Unterstützung in der Aufstellung.
Und wir werden gerne mit ihnen für Veranstaltungen und Aktionen
zusammenarbeiten, genau so wie wir es mit Bündnispartnern aus
zivilgesellschaftlichen Bewegungen tun.
Auf allen Ebenen aktiv!
Wir sind als Verband gerade dann besonders stark, wenn wir an einem Strang
ziehen! Eine gute Aufgabenteilung ist essentiell, um die Kampagne an alle Orte
zu tragen.
Die Kampagne findet dezentral und vor Ort statt! Deswegen sind die Kreisverbände
der zentrale Dreh- und Angelpunkt der Kampagne. Denn sie planen, wo und wann der
nächste Stand vor Schule und Jugendzentrum Sinn macht. Sie begeistern im
direkten Gespräch neue junge Menschen und sind der erste Anlaufort für
Neumitglieder.
Damit Kreisverbände dieser Aufgabe bestmöglich nachkommen können, erhalten sie
Unterstützung von ihren Landesvorständen. Sie schaffen Räume, in denen wir
lernen, die Kampagne inhaltlich und methodisch umzusetzen. Besonders wichtig
dafür werden die Landesmitgliederversammlungen ab Herbst und Landesvorstands-
Kreisvorstands-Treffen. Die Landesvorstände helfen Kreisverbänden in der Planung
vor Ort, durch Potenzialanalysen und stetige Hilfestellung.
Die Inhalte der Kampagne, von Erzählung über Zielgruppenanalysen zu Aktionsidee,
werden vom Kampagnenteam aufgrund dieser Beschlusslage erarbeitet.
Der Bundesvorstand und das Team unterstützen Landesvorstände in der Umsetzung in
ihrem Landesverband. Dabei liegt ein besonderes Augenmaß auf die Anpassung an
den Landesverband und die Zielfindung anhand der jeweiligen Gegebenheiten der
Region.
Auch unsere europäische Dachorganisation, FYEG, wird eine eigene Europakampagne
haben, bei der sie Fokus auf Mobilisierung und Organisierung der eigenen
Mitglieder, aber vor allem auch unpolitisierter Menschen setzen möchten. Das
unterstützen wir, mit konkreter Kooperation zwischen der Kampagne von FYEG und
unserer als Grünen Jugend wird sich das Kampagnenteam noch in diesem Jahr
beschäftigen.
Mit dem gerade stattfindenden Train-the-Trainers Programm werden gleichzeitig
auch Multiplikator*innen für die Kampagneninhalte ausgebildet. Eine
Ausbildungseinheit des Programms wird sich hierbei explizit mit dem Thema Europa
beschäftigen. So ermöglichen wir, dass auf Veranstaltungen im Herbst und Winter
wie Landesmitgliederversammlungen und Landesvorstands-Kreisverbands-Treffen der
ganze Verband für die Kampagne bereit gemacht werden kann.
Der Fahrplan für die nächsten Monate
Auf diesem Länderrat beschließen wir die Kampagnenschwerpunkte und bestätigen
das Kampagnenteam. Anhand dieses Beschlusses wird das Team sich an die
Erarbeitung der Kampagne machen.
Die Sommerakademie unter dem Motto “Europa? Mit Links!” dient zur vertieften
Ausbildung von Verantwortungsträger*innen zum Thema Europa. Nur wer etwas selbst
gut verstanden hat, kann gute Bildungsformate für Bundes- und Landesebene
organisieren!
Auf dem Bundeskongress können die ersten Zwischenstände der Kampagne, wie die
Kampagnenerzählung vorgestellt werden. Außerdem werden wir Kampagnenforderungen
diskutieren und beschließen. Dort wird auch das neue Corporate Design der GRÜNEN
JUGEND vorgestellt, welches wir in der Europakampagne, aber auch darüber hinaus
verwenden werden. Wir werden den Herbst und Winter nutzen, um alle gemeinsam das
neue Corporate Design zu lernen, damit wir es ab kommenden Jahr auf allen Ebenen
des Verbandes flächendeckend verwenden können. Mit einem gemeinsamen Design ist
die Grüne Jugend nach außen klar erkennbar!
Über den gesamten Herbst und den Winter wird das Kampagnenteam die Kampagne
weiter ausarbeiten und Anfang nächsten Jahres werden wir die Kampagne in aller
Breite kennenlernen. Auf regionalen Veranstaltungen wie den
Landesmitgliederversammlungen und den Landesvorstände-Kreisvorstände-Treffen
lernen wir die Inhalte der Kampagne kennen und schulen uns methodisch. Die
ausgebildeten Trainer*innen werden mithelfen, die Kampagne an alle Orte zu
bringen.
Nach dem ersten Präsenz-Frühjahrskongress in diesem Jahr zum Thema
Internationalismus wird auch der nächste Frühjahrskongress zum Thema Europa ein
Highlight darstellen. Danach starten wir in die heiße Phase. Am 9. Juni wird
gewählt! Im Anschluss werden wir uns viel damit beschäftigen, die neuen
Mitglieder einzubinden und kurz durchzuatmen, um voller Energie in die Ost-
Landtagswahlen im Herbst zu starten!
Superwahljahr
Gleichzeitig zur Europawahl werden in vielen Bundesländern Kommunalwahlen
stattfinden: Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Dazu kommen
Landtagswahlen im Herbst in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Das
Kampagnenteam wird beauftragt, mit den betroffenen Landesverbänden in einen
frühen Austausch zu kommen, um Potenziale durch die Verschränkungen der Kampagne
zu nutzen und auch bei einer realistischen Kapazitätenplanung zu unterstützen.
Angesichts des Rechtsrucks kommen den Kommunal- und Landtagswahlen in den Ost-
Bundesländern eine besondere Rolle zu. Wir wollen die Kampagne nutzen, um unsere
Ost-Landesverbände zu stärken, damit wir gemeinsam für eine echte Veränderung
einstehen können! Unser Ziel - ein linker Machtaufbau: in Barnim, in Bautzen und
in Balingen. In Hamburg, in Heiligenstadt und in Hagenow. In Mainz, in Marpingen
und in Magdeburg. Wir kämpfen für ein besseres Leben überall.
Und ein solidarisches, klimagerechtes und soziales Europa?
Das erreichen wir nur mit Links.
Begründung
erfolgt mündlich