Veranstaltung: | 58. Bundeskongress |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 0.B-W Wahl der weiteren Vorstandsmitglieder |
Antragsteller*in: | Simon Leiber |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.10.2024, 22:43 |
B-W-6: Simon Leiber
Vorstellung
Ihr Lieben,
Mein Bewerbungstext ist recht lang geworden. Für diejenigen von euch, die z.B. kurz vor der Wahl nochmal schnell durch die Bewerbungen skippen wollen, habe ich eine Kurzzusammenfassung meiner Bewerbung vorangeschoben:
Aktuell wird eine Debatte über Sicherheits- und Migrationspolitik auf dem Rücken derjenigen ausgetragen, die gerade erst neu in Deutschland sind. Meiner Überzeugung nach sollten wir den Fokus der Debatte auf die tatsächlichen Ursachen von Kriminalität und Gewalt verschieben, hin zum Themenfeld der Kriminalitätsprävention, um damit dem Rechtsrutsch besser Einhalt gebieten zu können. Ich bin überzeugt davon, dass wir als Jugendverband durch eine gute Kommunikationsstrategie diese Akzente in der Debatte setzen können und dafür würde ich mich als Beisitzer, wenn ihr mich wählen solltet, einsetzen.
Ihr Lieben,
an niemandem von euch wird die nun über ein Jahr andauernde Migrationsdebatte vorbeigegangen sein, die auf dem Rücken der migrantischen und migrantisierten Bevölkerung ausgetragen wird. Migration, Kriminalität und Integrationsdefizite und sogenanntes „Sozialschmarotzertum“ werden dabei in einen Topf geworfen und mit den Behauptungen versehen, dass jetzt superdringend Migration begrenzt und Zugewanderte abgeschoben werden müssten. Während man solche Parolen aus der rechten Ecke bereits hätte erwarten können, haben sich die sogenannten Volksparteien und die FDP diesen Forderungen im Grundsatz angeschlossen. Diesen rechtspopulistischen Forderungen schließen sich zudem nach Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung an, was angesichts der Dominanz dieser Parolen, die von AFD, CDU/CSU, SPD und FDP vorgebracht werden, nicht verwundern sollte.
Unsere Partei Bündnis 90/Die Grünen hat in einem Andrang aus Opportunismus und Verzweiflung in Teilen begonnen diese rechten Forderungen ebenfalls auszusprechen. Prominent fielen dabei unter anderem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und die Bewerberin für den Grünen Parteivorsitz Franziska Brantner auf. Dass die Grünen mit diesen Forderungen arbeiten wollen, empfinde ich als außerordentlich enttäuschend.
Während die Forderungen nach Abschiebungen und Migrationsbekämpfung Deutschland auf einen politischen rechten Pfad schicken, der nichts Gutes verheißen kann, gehen diese Forderungen vollständig an den tatsächlichen Ursachen vorbei.
Der Grundgedanke dieser Diskussion ist, dass Geflüchtete übermäßig in Kriminalität, schwere Gewaltdelikte, vermeintlicher Arbeitsverweigerung und Parallelgesellschaften verwickelt zu sein scheinen, ein fester nicht änderbarer Zustand sei, der nur durch Migrationsbekämpfung und Massenabschiebungen gelöst werden könne. Dieser Gedanke offenbart ein tief rassistisches Weltbild, das die Ursachen für diese durchaus negativen gesellschaftlichen Phänomene ignoriert, und nach „Remigration“ schreit. Es wird so getan, als seien die Herkunftsländer selbst der Grund dafür, dass eine Person kriminell würde und nicht die individuellen Lebensumstände der Täter*innen selbst.
Statistische überproportionale Kriminalitätshäufungen unter Zugewanderten gegenüber der Gesamtbevölkerung lassen sich teils bei genauem Hinschauen aufs Falschinterpretieren der polizeilichen Kriminalitätsstatistik zurückführen. Beispielsweise wird ignoriert, dass unter den Zugewanderten ein überproportionaler Männeranteil vorhanden ist und dass unter kriminell-gewordenen Menschen im Allgemeinen Männer überproportional vertreten sind, sodass es nicht verwundern sollte, dass unter Zugewanderten ein größerer Kriminellen-Anteil ist als in der Gesamtbevölkerung. Außerdem wird von Rechten gerne vergessen, dass der in der PKS betrachtete Bereich der „Ausländerkriminalität“ alle Menschen ohne deutschen Pass umfasst, die kriminell werden, also auch Touris oder EU-Ausländer*innen.
Allerdings sollte bei all den verbreiteten Falschaussagen in dieser Debatte nicht vergessen werden, dass es tatsächlich einige Zugewanderte gibt, die hier kriminell werden und/oder kaum in die gesellschaftliche Grundordnung integriert sind. Dasselbe gilt allerdings genauso für andere Gruppen unserer Gesellschaft ohne Zuwanderungsgeschichte.
Innere Sicherheit ist ein Grundpfeiler unseres freien demokratischen Zusammenlebens und sollte genauso verteidigt werden, wie unsere Verfassung vor faschistischen Bewegungen geschützt werden muss. Für unsere Sicherheit gibt es Polizei, Rechtsstaat und Justiz sowie unsere demokratischen Institutionen, die strafrechtliche Vorgaben machen. Alles in allem ist Deutschland ein sicheres Land, aber es gibt Lücken der inneren Sicherheit, die geschlossen werden könnten und deren Füllung das Sicherheitsgefühl der Bürger*innen steigern würde, denn schließlich kann nichts ein subjektives Sicherheitsgefühl effektiver verbessern als eine höhere objektive innere Sicherheit. In Island schließen die Menschen teilweise nicht mal ihre Haustüren ab, weil sie sich sicher sein können, dass ihrem Hab und Gut nichts passiert. In Deutschland würden das vermutlich nur die wenigsten machen.
Wenn hier in Deutschland über innere Sicherheit debattiert wird, dann stehen oft Forderungen über härtere Strafen, mehr Überwachung oder mehr Polizeipräsenz im Raum, die allerdings entweder für die Polizei gar nicht praktikabel sind oder die, wenn sie dann umgesetzt werden, keine nennenswerten Verbesserungen bringen. Es gibt allerdings eine vielversprechende Alternative zu Verschärfungen der Kriminalitätsbekämpfung: Kriminalitätsprävention
Möglicherweise schrecken lange Haftstrafen viele davon ab tatsächlich kriminell zu werden, allerdings nicht alle. Besser wäre es zu verhindern, dass die Leute überhaupt einen Grund in ihrem Leben finden kriminell zu werden. Eigentumsdelikte wie Diebstahl oder Raub werden vermutlich besonders häufig von Menschen begangen, die in finanzieller Schieflage sind. Eine auskömmliche Sozialpolitik, ausreichend schnell erreichbare soziale Aufstiegsmöglichkeiten aus eigener Kraft und bezahlbarer Wohnraum könnten, wenn die Politik diese Maßnahmen endlich ernsthaft in Erwägung ziehen würde, das Kriminalitätsrisiko massiv senken.
Ein weiterer gefürchteter Bereich von Kriminalität sind schwere Gewaltdelikte, worunter auch besonders schwere Straftaten wie Mord oder Vergewaltigung zählen, aber auch die aktuell häufig erwähnten Messerangriffe. Disclaimer vorab: Jede Person, die solche Taten begeht, wird nicht durch ihre Lebensumstände gezwungen so zu handeln und ist vollständig für diese Taten verantwortlich und muss dafür rechtsstaatlich angemessen bestraft werden. Trotzdem gibt es Risikofaktoren, die im Falle solcher Straftäter*innen überproportional oft vorkommen, deren Bekämpfung oder Milderung schwere Gewalttaten vorbeugen könnte und damit die Sicherheit hierzulande erhöhen könnten.
Der Haupttreiber für schwere Gewaltstraftaten von Flüchtlingen ist die Entwurzelung aus ihrem sozialen Umfeld, das eigentlich Geborgenheit und Anerkennung geben müsste. In Kombination mit schweren Traumata und einer chronisch-erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen, die Empathie und Selbstkontrolle mindert, und einem Gefühl von Wert- und Machtlosigkeit werden die Betroffenen, die nicht depressiv werden zum Teil schwer gewalttätig und zu einer Gefahr für die innere Sicherheit. Anstatt den jeweiligen Menschen selbst als das abschiebbare Problem zu betrachten, sollte die Politik daran arbeiten die Wirkung dieser Risikofaktoren zu schmälern. Angefangen dabei, dass das Gesundheitssystem auch Kapazitäten errichtet, um den allgemein hohen Bedarf an Psychotherapie im Land endlich abzudecken und um insbesondere den Zugang für Menschen aus niedrigeren Schichten zu Psychotherapien zu erleichtern. Des Weiteren ist der Faktor Armut auch hierbei ein Brandbeschleuniger, der die Eingliederung in gesellschaftliche Strukturen, in den Arbeitsmarkt und in ein stabiles soziales Umfeld behindert und damit unter dem akuten Verdacht steht Betroffenen jegliches Gefühl von Selbstwirksamkeit und Selbstwert zu nehmen, ein Problem, dem sich Regierungen akribisch hinwenden müssen, um Lösungen zu schaffen. Zentral muss es sein den Menschen, egal ob zugewandert oder hier geboren, die Möglichkeit zu geben schneller durch ihr eigenes Schaffen sozial aufsteigen können.
Außerdem muss die Awareness der Mehrheitsbevölkerung gegenüber Rassismus und Klassismus gestärkt werden und eine gesellschaftliche Offenheit erzeugt werden, die es Zugewanderten möglichst einfach macht, ein neues stabiles soziales Umfeld aufzubauen und Arbeitgeber*innen dazu animiert sich verstärkt der Ausbildung und Beschäftigung der Zugewanderten anzunehmen.
Die genannten Maßnahmen sind alle nicht besonders einfach durchzusetzen und die Bereitschaft der vergangenen Politik für die unteren Schichten der Gesellschaft Geld auszugeben war bisher zu gering. Im Angesicht der teils menschenfeindlichen Migrations- und Sicherheitsdebatte in vielen Teilen der Gesellschaft, ist ein neuer Fokus der Diskussion notwendig, auf Lösungen, die überhaupt erst verhindern, dass Menschen kriminell werden, anstatt weiterhin zu behaupten, dass „Abschiebungen im großen Stil“ die Probleme unserer Gesellschaft vollständig lösen können. Diese symbolpolitischen Forderungen rechter Parteien müssen mit konstruktiven Lösungsvorschlägen überdeckt werden, um die Einwanderungsfeindlichkeit in Deutschland zu dämpfen, schließlich erfordert der demografische Wandel von Deutschland, dass es gut funktionierende Zuwanderungssysteme inklusive effektiver sozialer Integration gibt.
Für Wähler*innen der CDU/CSU ist Sicherheitspolitik ein Hauptgrund diese Parteien zu wählen. Den Unionsparteien wird die höchste sicherheitspolitische Kompetenz unterstellt. Angesichts der sicherheitspolitischen Lücke, die die Union durch das Vernachlässigen von Kriminalitätsprävention in allen ihren Regierungsjahren hinterlässt, können wir durch das Zielen auf Lösungen für die Beseitigung dieses sicherheitspolitischen Vakuums Wähler*innen für progressivere Parteien wie die Grünen gewinnen und mehr gesellschaftlichen Rückhalt für soziale Politik gewinnen und den gesellschaftlichen Rechtsrutsch rückabwickeln.
Ein Jugendverband einer größeren Partei wie die Grüne Jugend kann dafür den Anstoß geben in unserer Gesellschaft anders über die Themen von Sicherheit und Migration zu sprechen.
Damit die GJ diesen Anstoß in eine bessere Zukunft geben kann, möchte ich mich als Beisitzer im Vorstand unseres Verbandes bewerben.
Es wäre eine Ehre für mich von euch unterstützt zu werden. Einen Toast auf einen gelingenden Neustart unserer GJ.
Euer Simon
Details zu mir im Überblick
- Geboren und aufgewachsen in Lüdenscheid, NRW
- Alter: 21 Jahre
- 2021 Abitur am Bergstadt-Gymnasium Lüdenscheid
- 2021 GJ- und Grünenbeitritt
- Seit 2021 Studium der Molekularen Biotechnologie an der Technischen Universität München
- Landesverband: Bayern
- Kreisverband: Freising
- Wenn ihr Rückfragen noch im Vorhinein habt
- Insta: @simon_rebird
- Email: simon.rebird@gmail.com