Antrag: | Freiheit sichern: Gegen den autoritären Umbau! |
---|---|
Antragsteller*in: | Landesvorstand GJ Baden-Württemberg (dort beschlossen am: 27.10.2020) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 28.10.2020, 00:16 |
A-5-063: Freiheit sichern: Gegen den autoritären Umbau!
Verfahrensvorschlag: Antragstext
Von Zeile 66 bis 67 einfügen:
völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert und regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus beinhaltet.
Deutschland hat ein kontinuierliches Naziproblem, das gerade in den
Sicherheitsbehörden unübersehbar zutage tritt, sich dabei über die Jahrzehnte
aber nur in immer neuen Facetten zeigt. Ob Angriffe auf Geflüchtete, Anschläge
auf linke Politiker*innen und Aktivist*innen oder Hetzkampagnen gegen Frauen im
Internet: Rechte versuchen seit Jahrzehnten, durch Angst, Terror und gezielte
Diskursverschiebung ihre Vorstellungen einer homogenen Gesellschaft in die Tat
umzusetzen. Seit der AfD gelingt es ihnen, das lauter und auf größeren Bühnen zu
sagen, als viele aus der vermeintlichen “Mitte der Gesellschaft” in einem
Deutschland nach 1945 noch für denkbar gehalten haben. Während People of Color
und - besonders ostdeutsche - Antifaschist*innen seit Jahren davor warnen,
während Recherchenetzwerke immer wieder Waffenlager und geheime
Kampfsporttrainings für den “Tag X” aufdecken, schauen die, die uns Sicherheit
versprochen haben, systematisch weg. Polizei, Verfassungsschutz,
Innenministerien: Es scheint, als wüssten sie von diesem Problem nichts. Dass
sie das sehr wohl tun, ist uns nicht erst seit der Selbstenttarnung des NSU und
den begleitenden Untersuchungsausschüssen schmerzlich bewusst. Doch die Behörden
zeigen wenig Interesse daran, rechte Netzwerke oder rassistische Strukturen
aufzudecken, geschweige denn dagegen vorzugehen.
Die Gründe dahinter sind vielfältig: Eine der dabei viel zu oft außer Acht
gelassenen Ursachen liegt im Zusammenhang von Kapitalismus und Rassismus. Der
neoliberale Leistungs- und Konkurrenzgedanke ist eng verbunden mit offen rechter
Ideologie. Extreme ökonomische Ungleichheit wird im Neoliberalismus als normal
oder sogar als gerecht dargestellt. Der Schritt zu einer Befürwortung von
Ungleichheit zwischen Menschen ist dann nicht mehr weit: Rassismus und Sexismus
sind Ideologien, die bestehende Ungleichheiten rechtfertigen und als natürlich
darstellen wollen.
Die antifaschistische Gegenposition der Forderung nach Gleichheit, Gerechtigkeit
und ein Leben in Würde widerspricht sowohl der neoliberalen Normalisierung, wie
auch der offenen rechten Propagierung von Ungleichheit. Ein weiteres prägnantes
Beispiel für die ideologische Nähe ist die Konkurrenz, die der Neoliberalismus
zu einem sinnvollen Prinzip gesellschaftlichen Zusammenlebens erklärt. Es führt
zu der Behauptung, dass man sich gegen andere durchsetzen müsse, um das eigene
Glück zu mehren. Angewandt auf scheinbar homogene Gruppen wie Nationen oder
Ethnien, bedeutet dieses Prinzip den Kampf gegeneinander - was an sich schon
rechts ist; noch konsequenter angewandt bedeutet das den puren, rechtsextremen
Sozialdarwinismus.
Dieser Zusammenhang ist einer der Gründe, die in den letzten Jahren zu einer
Politik der “Versicherheitlichung” geführt haben: Immer öfter ist die Antwort
auf gesellschaftliche Probleme eine autoritäre, die von Repression und Gewalt
geprägt ist. Dabei wird dem Streben nach vermeintlicher Sicherheit mehr und mehr
untergeordnet. Sich gegen den autoritären Umbau der Gesellschaft zu stellen,
heißt daher auch, zu hinterfragen, was eigentlich Sicherheit ist und was als
Sicherheitsproblem wahrgenommen wird.
Neben dem neoliberalen Leistungs- und Konkurrenzdenken und der tief verwurzelten
rassistischen Abgrenzung von anderen, sind es im besonderen auch rechte
Kontinuitäten in deutschen Sicherheitsapparaten, die das Problem befeuern, statt
es zu bekämpfen.
Dass Rechte sich besonders bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz
wohlfühlen, ist dabei kein Zufall. Schon an der Gründung der heute bestehenden
Sicherheitsbehörden nach 1945 waren diverse Nazigrößen und SS-Kader fest
eingebunden und beteiligt. Es war der Normalfall, dass Nazis auch nach den NS-
Verbrechen munter weiter Karriere machen konnten - insbesondere in Behörden.
Rassistische Kontinuitäten in der Polizei
Mit diesem Hintergrund verwundern die zahllosen Fälle von Polizeigewalt gegen
People of Color und Linke ebenso wenig, wie die schwer zu überblickende Zahl an
rechten Chatgruppen, die gerade bundesweit auffliegen. Es geht dabei keineswegs
um Einzelfälle und das Fehlverhalten einzelner Polizist*innen: Die Strukturen
der Polizei begünstigen rassistischens und autoritäres Verhalten. Das muss sich
ändern, und zwar grundlegend: Der Einsatz staatlicher Gewalt muss eng
kontrolliert werden, Fehlverhalten muss zu spürbaren Konsequenzen führen und
Racial Profiling und anderen Diskriminierungen die Grundlage entzogen werden.
Dafür braucht es unabhängige Ermittlungsstellen, Polizeibeauftragte bei den
Parlamenten und eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung
eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine
völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln,
Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert und regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus beinhaltet.
Doch so dringend eine Reform der Polizei auch geboten ist: Auch die beste
Polizei kann gesellschaftliche Probleme nicht lösen, sondern allenfalls deren
Symptome bekämpfen. Der beste Polizeieinsatz ist deshalb einer, der gar nicht
erst nötig wird. Wer genug zum Leben hat, fängt seltener an, Geldbeutel zu
stehlen; wer bei Bedarf psychologische Begleitung bekommt, wird selten zur
Gefahr und wer Asylstatus genießt, muss nicht brutal abgeschoben werden. Und
natürlich braucht es zum Schutz der Betroffenen eine verantwortungsvolle und
staatlich kontrollierte Abgabe von Drogen, statt den längst verlorenen Kampf
dagegen mit immer absurderen Repressionen verzweifelt weiterzukämpfen.
Verfassungsschutz: Teil des Problems
Nur zu deutlich sieht man die beschriebenen Probleme am Verfassungsschutz. Die
zahlreichen Skandale, die rechten Netzwerke, in die der Verfassungsschutz selbst
eingebunden war oder diese mindestens gedeckt hat, sind dabei Kontinuitäten, die
nicht nur in der Vergangenheit liegen. Der Verfassungsschutz versagt damit nicht
nur, er stellt eine aktive Gefahr da, wie beispielsweise am NSU-Komplex
besonders deutlich wurde: Wenn der Verfassungsschutz nichts vom NSU wusste, dann
ist er unnütz. Aber wenn er davon wusste, dann ist er gefährlich.
Doch selbst die wenigen Reförmchen, die als Konsequenz aus dem NSU-Komplex
gezogen wurden, werden in vielen Bundesländern wieder Stück für Stück zurück
gedreht.
Die Untauglichkeit des Verfassungsschutzes zeigt sich nicht zuletzt an der
vielfach widerlegten Hufeisentheorie, die weiterhin eisern die Grundlage
geheimdienstlichen Handelns darstellt: Statt Rassismus und menschenfeindliche
Ideologien entschlossen zu bekämpfen, wird linker Aktivismus mit diesen
gleichgesetzt und damit kriminalisiert. Eine solche ideologisch geprägte
Arbeitsweise entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage und verharmlost die
Gefahr durch rechte Gewalt massiv. Zudem scheitert das Prinzip der
Gewaltenteilung strukturell an dem Versuch, die Aktivitäten des
Verfassungsschutzes angemessen parlamentarisch zu kontrollieren.
Eine unkontrollierbare Behörde, die ihren erklärten Zielen entgegen arbeitet,
verliert ihre Daseinsberechtigung. Alle Versuche, den Verfassungsschutz zu
reformieren, sind gescheitert. An einer Auflösung der Verfassungsschutzämter
führt daher kein Weg vorbei. Anstelle dessen braucht es eine transparent und
wissenschaftlich arbeitende Dokumentationsstelle und eine massiv gestärkte
Zivilgesellschaft, die selbst dazu in der Lage ist, sich gegen
menschenfeindliche Ideologien zu stellen. Vieles von dem, was wir heute über
rechte Strukturen wissen, wissen wir nicht vom Geheimdienst, sondern von
antifaschistischen Recherchegruppen - allen Widerständen zum Trotz. Statt
Antifaschismus zu kriminalisieren, muss zivilgesellschaftliches Engagement gegen
Nazis unterstützt und gefördert werden.
Autoritarismus und Asylpolitik
Die autoritäre Bekämpfung von Symptomen gesellschaftlicher Missstände zeigt sich
auch in der zunehmend menschenfeindlichen Asylpolitik Deutschlands und der
europäischen Union. Europas Regierungen schotten sich zunehmend ab und verfolgen
die, die sich für die Rettung der Menschenrechte engagieren:
Seenotrettungsschiffe werden festgesetzt, NGOs, die illegale Pushbacks an den
Außengrenzen dokumentieren, werden verfolgt und der Zugang zu menschenunwürdigen
Massenlagern wird mehr und mehr eingeschränkt. Die Schande von Moria ist dabei
nur der vorläufige Höhepunkt einer menschenverachtenden Entwicklung, an der sich
auch die Bundesregierung eifrig beteiligt: Statt geltendes Recht anzuwenden und
denen, die nicht zuletzt unter unserer Wirtschaftsweise und den Folgen von
Umweltzerstörung fliehen müssen, ein menschenwürdige Unterkunft zu ermöglichen,
werden immer neue Vorwände gefunden, um Geflüchtete abzuwerten, sie in
Elendslagern an den Außengrenzen wegzusperren oder sie im Mittelmeer ertrinken
zu lassen. Die unaufhörlich steigende Zahl an Menschen auf der Flucht ist das
vielleicht sichtbarste Symptom der globalen Ungleichheit. Wenn wir unsere
Menschenrechte aufgeben, um diesen Menschen nicht helfen zu müssen, dann
verlieren wir alles.
Stattdessen braucht es eine sofortige Evakuierung und Schließung aller Lager und
eine solidarische Geflüchtetenpolitik, die Fliehenden neue Perspektiven schafft.
Es braucht ein neues und klimagerechtes Wirtschaftssystem, das die Krisen
unserer Zeit löst, statt sie weiter zu verschärfen und die Leidtragenden dieser
Krisen zu bekämpfen.
Der herrschenden Politik der Angst, Überwachung, Abschottung und Härte stellen
wir eine radikal emanzipatorische Gesellschaft entgegen, die die menschliche
Würde und Freiheit in den Mittelpunkt stellt.
Antragstext
Von Zeile 62 bis 67:
Dafür braucht es unabhängige Ermittlungsstellen, Polizeibeauftragte bei den Parlamenten und eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten. Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Zusätzlich braucht es regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus, um Polizeibeamt*innen für das Thema zu sensibilisieren.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Deutschland hat ein kontinuierliches Naziproblem, das gerade in den
Sicherheitsbehörden unübersehbar zutage tritt, sich dabei über die Jahrzehnte
aber nur in immer neuen Facetten zeigt. Ob Angriffe auf Geflüchtete, Anschläge
auf linke Politiker*innen und Aktivist*innen oder Hetzkampagnen gegen Frauen im
Internet: Rechte versuchen seit Jahrzehnten, durch Angst, Terror und gezielte
Diskursverschiebung ihre Vorstellungen einer homogenen Gesellschaft in die Tat
umzusetzen. Seit der AfD gelingt es ihnen, das lauter und auf größeren Bühnen zu
sagen, als viele aus der vermeintlichen “Mitte der Gesellschaft” in einem
Deutschland nach 1945 noch für denkbar gehalten haben. Während People of Color
und - besonders ostdeutsche - Antifaschist*innen seit Jahren davor warnen,
während Recherchenetzwerke immer wieder Waffenlager und geheime
Kampfsporttrainings für den “Tag X” aufdecken, schauen die, die uns Sicherheit
versprochen haben, systematisch weg. Polizei, Verfassungsschutz,
Innenministerien: Es scheint, als wüssten sie von diesem Problem nichts. Dass
sie das sehr wohl tun, ist uns nicht erst seit der Selbstenttarnung des NSU und
den begleitenden Untersuchungsausschüssen schmerzlich bewusst. Doch die Behörden
zeigen wenig Interesse daran, rechte Netzwerke oder rassistische Strukturen
aufzudecken, geschweige denn dagegen vorzugehen.
Die Gründe dahinter sind vielfältig: Eine der dabei viel zu oft außer Acht
gelassenen Ursachen liegt im Zusammenhang von Kapitalismus und Rassismus. Der
neoliberale Leistungs- und Konkurrenzgedanke ist eng verbunden mit offen rechter
Ideologie. Extreme ökonomische Ungleichheit wird im Neoliberalismus als normal
oder sogar als gerecht dargestellt. Der Schritt zu einer Befürwortung von
Ungleichheit zwischen Menschen ist dann nicht mehr weit: Rassismus und Sexismus
sind Ideologien, die bestehende Ungleichheiten rechtfertigen und als natürlich
darstellen wollen.
Die antifaschistische Gegenposition der Forderung nach Gleichheit, Gerechtigkeit
und ein Leben in Würde widerspricht sowohl der neoliberalen Normalisierung, wie
auch der offenen rechten Propagierung von Ungleichheit. Ein weiteres prägnantes
Beispiel für die ideologische Nähe ist die Konkurrenz, die der Neoliberalismus
zu einem sinnvollen Prinzip gesellschaftlichen Zusammenlebens erklärt. Es führt
zu der Behauptung, dass man sich gegen andere durchsetzen müsse, um das eigene
Glück zu mehren. Angewandt auf scheinbar homogene Gruppen wie Nationen oder
Ethnien, bedeutet dieses Prinzip den Kampf gegeneinander - was an sich schon
rechts ist; noch konsequenter angewandt bedeutet das den puren, rechtsextremen
Sozialdarwinismus.
Dieser Zusammenhang ist einer der Gründe, die in den letzten Jahren zu einer
Politik der “Versicherheitlichung” geführt haben: Immer öfter ist die Antwort
auf gesellschaftliche Probleme eine autoritäre, die von Repression und Gewalt
geprägt ist. Dabei wird dem Streben nach vermeintlicher Sicherheit mehr und mehr
untergeordnet. Sich gegen den autoritären Umbau der Gesellschaft zu stellen,
heißt daher auch, zu hinterfragen, was eigentlich Sicherheit ist und was als
Sicherheitsproblem wahrgenommen wird.
Neben dem neoliberalen Leistungs- und Konkurrenzdenken und der tief verwurzelten
rassistischen Abgrenzung von anderen, sind es im besonderen auch rechte
Kontinuitäten in deutschen Sicherheitsapparaten, die das Problem befeuern, statt
es zu bekämpfen.
Dass Rechte sich besonders bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz
wohlfühlen, ist dabei kein Zufall. Schon an der Gründung der heute bestehenden
Sicherheitsbehörden nach 1945 waren diverse Nazigrößen und SS-Kader fest
eingebunden und beteiligt. Es war der Normalfall, dass Nazis auch nach den NS-
Verbrechen munter weiter Karriere machen konnten - insbesondere in Behörden.
Rassistische Kontinuitäten in der Polizei
Mit diesem Hintergrund verwundern die zahllosen Fälle von Polizeigewalt gegen
People of Color und Linke ebenso wenig, wie die schwer zu überblickende Zahl an
rechten Chatgruppen, die gerade bundesweit auffliegen. Es geht dabei keineswegs
um Einzelfälle und das Fehlverhalten einzelner Polizist*innen: Die Strukturen
der Polizei begünstigen rassistischens und autoritäres Verhalten. Das muss sich
ändern, und zwar grundlegend: Der Einsatz staatlicher Gewalt muss eng
kontrolliert werden, Fehlverhalten muss zu spürbaren Konsequenzen führen und
Racial Profiling und anderen Diskriminierungen die Grundlage entzogen werden.
Dafür braucht es unabhängige Ermittlungsstellen, Polizeibeauftragte bei den
Parlamenten und eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung
eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine
völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln,
Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Zusätzlich braucht es regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus, um Polizeibeamt*innen für das Thema zu sensibilisieren.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Doch so dringend eine Reform der Polizei auch geboten ist: Auch die beste
Polizei kann gesellschaftliche Probleme nicht lösen, sondern allenfalls deren
Symptome bekämpfen. Der beste Polizeieinsatz ist deshalb einer, der gar nicht
erst nötig wird. Wer genug zum Leben hat, fängt seltener an, Geldbeutel zu
stehlen; wer bei Bedarf psychologische Begleitung bekommt, wird selten zur
Gefahr und wer Asylstatus genießt, muss nicht brutal abgeschoben werden. Und
natürlich braucht es zum Schutz der Betroffenen eine verantwortungsvolle und
staatlich kontrollierte Abgabe von Drogen, statt den längst verlorenen Kampf
dagegen mit immer absurderen Repressionen verzweifelt weiterzukämpfen.
Verfassungsschutz: Teil des Problems
Nur zu deutlich sieht man die beschriebenen Probleme am Verfassungsschutz. Die
zahlreichen Skandale, die rechten Netzwerke, in die der Verfassungsschutz selbst
eingebunden war oder diese mindestens gedeckt hat, sind dabei Kontinuitäten, die
nicht nur in der Vergangenheit liegen. Der Verfassungsschutz versagt damit nicht
nur, er stellt eine aktive Gefahr da, wie beispielsweise am NSU-Komplex
besonders deutlich wurde: Wenn der Verfassungsschutz nichts vom NSU wusste, dann
ist er unnütz. Aber wenn er davon wusste, dann ist er gefährlich.
Doch selbst die wenigen Reförmchen, die als Konsequenz aus dem NSU-Komplex
gezogen wurden, werden in vielen Bundesländern wieder Stück für Stück zurück
gedreht.
Die Untauglichkeit des Verfassungsschutzes zeigt sich nicht zuletzt an der
vielfach widerlegten Hufeisentheorie, die weiterhin eisern die Grundlage
geheimdienstlichen Handelns darstellt: Statt Rassismus und menschenfeindliche
Ideologien entschlossen zu bekämpfen, wird linker Aktivismus mit diesen
gleichgesetzt und damit kriminalisiert. Eine solche ideologisch geprägte
Arbeitsweise entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage und verharmlost die
Gefahr durch rechte Gewalt massiv. Zudem scheitert das Prinzip der
Gewaltenteilung strukturell an dem Versuch, die Aktivitäten des
Verfassungsschutzes angemessen parlamentarisch zu kontrollieren.
Eine unkontrollierbare Behörde, die ihren erklärten Zielen entgegen arbeitet,
verliert ihre Daseinsberechtigung. Alle Versuche, den Verfassungsschutz zu
reformieren, sind gescheitert. An einer Auflösung der Verfassungsschutzämter
führt daher kein Weg vorbei. Anstelle dessen braucht es eine transparent und
wissenschaftlich arbeitende Dokumentationsstelle und eine massiv gestärkte
Zivilgesellschaft, die selbst dazu in der Lage ist, sich gegen
menschenfeindliche Ideologien zu stellen. Vieles von dem, was wir heute über
rechte Strukturen wissen, wissen wir nicht vom Geheimdienst, sondern von
antifaschistischen Recherchegruppen - allen Widerständen zum Trotz. Statt
Antifaschismus zu kriminalisieren, muss zivilgesellschaftliches Engagement gegen
Nazis unterstützt und gefördert werden.
Autoritarismus und Asylpolitik
Die autoritäre Bekämpfung von Symptomen gesellschaftlicher Missstände zeigt sich
auch in der zunehmend menschenfeindlichen Asylpolitik Deutschlands und der
europäischen Union. Europas Regierungen schotten sich zunehmend ab und verfolgen
die, die sich für die Rettung der Menschenrechte engagieren:
Seenotrettungsschiffe werden festgesetzt, NGOs, die illegale Pushbacks an den
Außengrenzen dokumentieren, werden verfolgt und der Zugang zu menschenunwürdigen
Massenlagern wird mehr und mehr eingeschränkt. Die Schande von Moria ist dabei
nur der vorläufige Höhepunkt einer menschenverachtenden Entwicklung, an der sich
auch die Bundesregierung eifrig beteiligt: Statt geltendes Recht anzuwenden und
denen, die nicht zuletzt unter unserer Wirtschaftsweise und den Folgen von
Umweltzerstörung fliehen müssen, ein menschenwürdige Unterkunft zu ermöglichen,
werden immer neue Vorwände gefunden, um Geflüchtete abzuwerten, sie in
Elendslagern an den Außengrenzen wegzusperren oder sie im Mittelmeer ertrinken
zu lassen. Die unaufhörlich steigende Zahl an Menschen auf der Flucht ist das
vielleicht sichtbarste Symptom der globalen Ungleichheit. Wenn wir unsere
Menschenrechte aufgeben, um diesen Menschen nicht helfen zu müssen, dann
verlieren wir alles.
Stattdessen braucht es eine sofortige Evakuierung und Schließung aller Lager und
eine solidarische Geflüchtetenpolitik, die Fliehenden neue Perspektiven schafft.
Es braucht ein neues und klimagerechtes Wirtschaftssystem, das die Krisen
unserer Zeit löst, statt sie weiter zu verschärfen und die Leidtragenden dieser
Krisen zu bekämpfen.
Der herrschenden Politik der Angst, Überwachung, Abschottung und Härte stellen
wir eine radikal emanzipatorische Gesellschaft entgegen, die die menschliche
Würde und Freiheit in den Mittelpunkt stellt.
Von Zeile 66 bis 67 einfügen:
völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert und regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus beinhaltet.
Deutschland hat ein kontinuierliches Naziproblem, das gerade in den
Sicherheitsbehörden unübersehbar zutage tritt, sich dabei über die Jahrzehnte
aber nur in immer neuen Facetten zeigt. Ob Angriffe auf Geflüchtete, Anschläge
auf linke Politiker*innen und Aktivist*innen oder Hetzkampagnen gegen Frauen im
Internet: Rechte versuchen seit Jahrzehnten, durch Angst, Terror und gezielte
Diskursverschiebung ihre Vorstellungen einer homogenen Gesellschaft in die Tat
umzusetzen. Seit der AfD gelingt es ihnen, das lauter und auf größeren Bühnen zu
sagen, als viele aus der vermeintlichen “Mitte der Gesellschaft” in einem
Deutschland nach 1945 noch für denkbar gehalten haben. Während People of Color
und - besonders ostdeutsche - Antifaschist*innen seit Jahren davor warnen,
während Recherchenetzwerke immer wieder Waffenlager und geheime
Kampfsporttrainings für den “Tag X” aufdecken, schauen die, die uns Sicherheit
versprochen haben, systematisch weg. Polizei, Verfassungsschutz,
Innenministerien: Es scheint, als wüssten sie von diesem Problem nichts. Dass
sie das sehr wohl tun, ist uns nicht erst seit der Selbstenttarnung des NSU und
den begleitenden Untersuchungsausschüssen schmerzlich bewusst. Doch die Behörden
zeigen wenig Interesse daran, rechte Netzwerke oder rassistische Strukturen
aufzudecken, geschweige denn dagegen vorzugehen.
Die Gründe dahinter sind vielfältig: Eine der dabei viel zu oft außer Acht
gelassenen Ursachen liegt im Zusammenhang von Kapitalismus und Rassismus. Der
neoliberale Leistungs- und Konkurrenzgedanke ist eng verbunden mit offen rechter
Ideologie. Extreme ökonomische Ungleichheit wird im Neoliberalismus als normal
oder sogar als gerecht dargestellt. Der Schritt zu einer Befürwortung von
Ungleichheit zwischen Menschen ist dann nicht mehr weit: Rassismus und Sexismus
sind Ideologien, die bestehende Ungleichheiten rechtfertigen und als natürlich
darstellen wollen.
Die antifaschistische Gegenposition der Forderung nach Gleichheit, Gerechtigkeit
und ein Leben in Würde widerspricht sowohl der neoliberalen Normalisierung, wie
auch der offenen rechten Propagierung von Ungleichheit. Ein weiteres prägnantes
Beispiel für die ideologische Nähe ist die Konkurrenz, die der Neoliberalismus
zu einem sinnvollen Prinzip gesellschaftlichen Zusammenlebens erklärt. Es führt
zu der Behauptung, dass man sich gegen andere durchsetzen müsse, um das eigene
Glück zu mehren. Angewandt auf scheinbar homogene Gruppen wie Nationen oder
Ethnien, bedeutet dieses Prinzip den Kampf gegeneinander - was an sich schon
rechts ist; noch konsequenter angewandt bedeutet das den puren, rechtsextremen
Sozialdarwinismus.
Dieser Zusammenhang ist einer der Gründe, die in den letzten Jahren zu einer
Politik der “Versicherheitlichung” geführt haben: Immer öfter ist die Antwort
auf gesellschaftliche Probleme eine autoritäre, die von Repression und Gewalt
geprägt ist. Dabei wird dem Streben nach vermeintlicher Sicherheit mehr und mehr
untergeordnet. Sich gegen den autoritären Umbau der Gesellschaft zu stellen,
heißt daher auch, zu hinterfragen, was eigentlich Sicherheit ist und was als
Sicherheitsproblem wahrgenommen wird.
Neben dem neoliberalen Leistungs- und Konkurrenzdenken und der tief verwurzelten
rassistischen Abgrenzung von anderen, sind es im besonderen auch rechte
Kontinuitäten in deutschen Sicherheitsapparaten, die das Problem befeuern, statt
es zu bekämpfen.
Dass Rechte sich besonders bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz
wohlfühlen, ist dabei kein Zufall. Schon an der Gründung der heute bestehenden
Sicherheitsbehörden nach 1945 waren diverse Nazigrößen und SS-Kader fest
eingebunden und beteiligt. Es war der Normalfall, dass Nazis auch nach den NS-
Verbrechen munter weiter Karriere machen konnten - insbesondere in Behörden.
Rassistische Kontinuitäten in der Polizei
Mit diesem Hintergrund verwundern die zahllosen Fälle von Polizeigewalt gegen
People of Color und Linke ebenso wenig, wie die schwer zu überblickende Zahl an
rechten Chatgruppen, die gerade bundesweit auffliegen. Es geht dabei keineswegs
um Einzelfälle und das Fehlverhalten einzelner Polizist*innen: Die Strukturen
der Polizei begünstigen rassistischens und autoritäres Verhalten. Das muss sich
ändern, und zwar grundlegend: Der Einsatz staatlicher Gewalt muss eng
kontrolliert werden, Fehlverhalten muss zu spürbaren Konsequenzen führen und
Racial Profiling und anderen Diskriminierungen die Grundlage entzogen werden.
Dafür braucht es unabhängige Ermittlungsstellen, Polizeibeauftragte bei den
Parlamenten und eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung
eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine
völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln,
Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert und regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus beinhaltet.
Doch so dringend eine Reform der Polizei auch geboten ist: Auch die beste
Polizei kann gesellschaftliche Probleme nicht lösen, sondern allenfalls deren
Symptome bekämpfen. Der beste Polizeieinsatz ist deshalb einer, der gar nicht
erst nötig wird. Wer genug zum Leben hat, fängt seltener an, Geldbeutel zu
stehlen; wer bei Bedarf psychologische Begleitung bekommt, wird selten zur
Gefahr und wer Asylstatus genießt, muss nicht brutal abgeschoben werden. Und
natürlich braucht es zum Schutz der Betroffenen eine verantwortungsvolle und
staatlich kontrollierte Abgabe von Drogen, statt den längst verlorenen Kampf
dagegen mit immer absurderen Repressionen verzweifelt weiterzukämpfen.
Verfassungsschutz: Teil des Problems
Nur zu deutlich sieht man die beschriebenen Probleme am Verfassungsschutz. Die
zahlreichen Skandale, die rechten Netzwerke, in die der Verfassungsschutz selbst
eingebunden war oder diese mindestens gedeckt hat, sind dabei Kontinuitäten, die
nicht nur in der Vergangenheit liegen. Der Verfassungsschutz versagt damit nicht
nur, er stellt eine aktive Gefahr da, wie beispielsweise am NSU-Komplex
besonders deutlich wurde: Wenn der Verfassungsschutz nichts vom NSU wusste, dann
ist er unnütz. Aber wenn er davon wusste, dann ist er gefährlich.
Doch selbst die wenigen Reförmchen, die als Konsequenz aus dem NSU-Komplex
gezogen wurden, werden in vielen Bundesländern wieder Stück für Stück zurück
gedreht.
Die Untauglichkeit des Verfassungsschutzes zeigt sich nicht zuletzt an der
vielfach widerlegten Hufeisentheorie, die weiterhin eisern die Grundlage
geheimdienstlichen Handelns darstellt: Statt Rassismus und menschenfeindliche
Ideologien entschlossen zu bekämpfen, wird linker Aktivismus mit diesen
gleichgesetzt und damit kriminalisiert. Eine solche ideologisch geprägte
Arbeitsweise entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage und verharmlost die
Gefahr durch rechte Gewalt massiv. Zudem scheitert das Prinzip der
Gewaltenteilung strukturell an dem Versuch, die Aktivitäten des
Verfassungsschutzes angemessen parlamentarisch zu kontrollieren.
Eine unkontrollierbare Behörde, die ihren erklärten Zielen entgegen arbeitet,
verliert ihre Daseinsberechtigung. Alle Versuche, den Verfassungsschutz zu
reformieren, sind gescheitert. An einer Auflösung der Verfassungsschutzämter
führt daher kein Weg vorbei. Anstelle dessen braucht es eine transparent und
wissenschaftlich arbeitende Dokumentationsstelle und eine massiv gestärkte
Zivilgesellschaft, die selbst dazu in der Lage ist, sich gegen
menschenfeindliche Ideologien zu stellen. Vieles von dem, was wir heute über
rechte Strukturen wissen, wissen wir nicht vom Geheimdienst, sondern von
antifaschistischen Recherchegruppen - allen Widerständen zum Trotz. Statt
Antifaschismus zu kriminalisieren, muss zivilgesellschaftliches Engagement gegen
Nazis unterstützt und gefördert werden.
Autoritarismus und Asylpolitik
Die autoritäre Bekämpfung von Symptomen gesellschaftlicher Missstände zeigt sich
auch in der zunehmend menschenfeindlichen Asylpolitik Deutschlands und der
europäischen Union. Europas Regierungen schotten sich zunehmend ab und verfolgen
die, die sich für die Rettung der Menschenrechte engagieren:
Seenotrettungsschiffe werden festgesetzt, NGOs, die illegale Pushbacks an den
Außengrenzen dokumentieren, werden verfolgt und der Zugang zu menschenunwürdigen
Massenlagern wird mehr und mehr eingeschränkt. Die Schande von Moria ist dabei
nur der vorläufige Höhepunkt einer menschenverachtenden Entwicklung, an der sich
auch die Bundesregierung eifrig beteiligt: Statt geltendes Recht anzuwenden und
denen, die nicht zuletzt unter unserer Wirtschaftsweise und den Folgen von
Umweltzerstörung fliehen müssen, ein menschenwürdige Unterkunft zu ermöglichen,
werden immer neue Vorwände gefunden, um Geflüchtete abzuwerten, sie in
Elendslagern an den Außengrenzen wegzusperren oder sie im Mittelmeer ertrinken
zu lassen. Die unaufhörlich steigende Zahl an Menschen auf der Flucht ist das
vielleicht sichtbarste Symptom der globalen Ungleichheit. Wenn wir unsere
Menschenrechte aufgeben, um diesen Menschen nicht helfen zu müssen, dann
verlieren wir alles.
Stattdessen braucht es eine sofortige Evakuierung und Schließung aller Lager und
eine solidarische Geflüchtetenpolitik, die Fliehenden neue Perspektiven schafft.
Es braucht ein neues und klimagerechtes Wirtschaftssystem, das die Krisen
unserer Zeit löst, statt sie weiter zu verschärfen und die Leidtragenden dieser
Krisen zu bekämpfen.
Der herrschenden Politik der Angst, Überwachung, Abschottung und Härte stellen
wir eine radikal emanzipatorische Gesellschaft entgegen, die die menschliche
Würde und Freiheit in den Mittelpunkt stellt.
Antragstext
Von Zeile 62 bis 67:
Dafür braucht es unabhängige Ermittlungsstellen, Polizeibeauftragte bei den Parlamenten und eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten. Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Zusätzlich braucht es regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus, um Polizeibeamt*innen für das Thema zu sensibilisieren.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Deutschland hat ein kontinuierliches Naziproblem, das gerade in den
Sicherheitsbehörden unübersehbar zutage tritt, sich dabei über die Jahrzehnte
aber nur in immer neuen Facetten zeigt. Ob Angriffe auf Geflüchtete, Anschläge
auf linke Politiker*innen und Aktivist*innen oder Hetzkampagnen gegen Frauen im
Internet: Rechte versuchen seit Jahrzehnten, durch Angst, Terror und gezielte
Diskursverschiebung ihre Vorstellungen einer homogenen Gesellschaft in die Tat
umzusetzen. Seit der AfD gelingt es ihnen, das lauter und auf größeren Bühnen zu
sagen, als viele aus der vermeintlichen “Mitte der Gesellschaft” in einem
Deutschland nach 1945 noch für denkbar gehalten haben. Während People of Color
und - besonders ostdeutsche - Antifaschist*innen seit Jahren davor warnen,
während Recherchenetzwerke immer wieder Waffenlager und geheime
Kampfsporttrainings für den “Tag X” aufdecken, schauen die, die uns Sicherheit
versprochen haben, systematisch weg. Polizei, Verfassungsschutz,
Innenministerien: Es scheint, als wüssten sie von diesem Problem nichts. Dass
sie das sehr wohl tun, ist uns nicht erst seit der Selbstenttarnung des NSU und
den begleitenden Untersuchungsausschüssen schmerzlich bewusst. Doch die Behörden
zeigen wenig Interesse daran, rechte Netzwerke oder rassistische Strukturen
aufzudecken, geschweige denn dagegen vorzugehen.
Die Gründe dahinter sind vielfältig: Eine der dabei viel zu oft außer Acht
gelassenen Ursachen liegt im Zusammenhang von Kapitalismus und Rassismus. Der
neoliberale Leistungs- und Konkurrenzgedanke ist eng verbunden mit offen rechter
Ideologie. Extreme ökonomische Ungleichheit wird im Neoliberalismus als normal
oder sogar als gerecht dargestellt. Der Schritt zu einer Befürwortung von
Ungleichheit zwischen Menschen ist dann nicht mehr weit: Rassismus und Sexismus
sind Ideologien, die bestehende Ungleichheiten rechtfertigen und als natürlich
darstellen wollen.
Die antifaschistische Gegenposition der Forderung nach Gleichheit, Gerechtigkeit
und ein Leben in Würde widerspricht sowohl der neoliberalen Normalisierung, wie
auch der offenen rechten Propagierung von Ungleichheit. Ein weiteres prägnantes
Beispiel für die ideologische Nähe ist die Konkurrenz, die der Neoliberalismus
zu einem sinnvollen Prinzip gesellschaftlichen Zusammenlebens erklärt. Es führt
zu der Behauptung, dass man sich gegen andere durchsetzen müsse, um das eigene
Glück zu mehren. Angewandt auf scheinbar homogene Gruppen wie Nationen oder
Ethnien, bedeutet dieses Prinzip den Kampf gegeneinander - was an sich schon
rechts ist; noch konsequenter angewandt bedeutet das den puren, rechtsextremen
Sozialdarwinismus.
Dieser Zusammenhang ist einer der Gründe, die in den letzten Jahren zu einer
Politik der “Versicherheitlichung” geführt haben: Immer öfter ist die Antwort
auf gesellschaftliche Probleme eine autoritäre, die von Repression und Gewalt
geprägt ist. Dabei wird dem Streben nach vermeintlicher Sicherheit mehr und mehr
untergeordnet. Sich gegen den autoritären Umbau der Gesellschaft zu stellen,
heißt daher auch, zu hinterfragen, was eigentlich Sicherheit ist und was als
Sicherheitsproblem wahrgenommen wird.
Neben dem neoliberalen Leistungs- und Konkurrenzdenken und der tief verwurzelten
rassistischen Abgrenzung von anderen, sind es im besonderen auch rechte
Kontinuitäten in deutschen Sicherheitsapparaten, die das Problem befeuern, statt
es zu bekämpfen.
Dass Rechte sich besonders bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz
wohlfühlen, ist dabei kein Zufall. Schon an der Gründung der heute bestehenden
Sicherheitsbehörden nach 1945 waren diverse Nazigrößen und SS-Kader fest
eingebunden und beteiligt. Es war der Normalfall, dass Nazis auch nach den NS-
Verbrechen munter weiter Karriere machen konnten - insbesondere in Behörden.
Rassistische Kontinuitäten in der Polizei
Mit diesem Hintergrund verwundern die zahllosen Fälle von Polizeigewalt gegen
People of Color und Linke ebenso wenig, wie die schwer zu überblickende Zahl an
rechten Chatgruppen, die gerade bundesweit auffliegen. Es geht dabei keineswegs
um Einzelfälle und das Fehlverhalten einzelner Polizist*innen: Die Strukturen
der Polizei begünstigen rassistischens und autoritäres Verhalten. Das muss sich
ändern, und zwar grundlegend: Der Einsatz staatlicher Gewalt muss eng
kontrolliert werden, Fehlverhalten muss zu spürbaren Konsequenzen führen und
Racial Profiling und anderen Diskriminierungen die Grundlage entzogen werden.
Dafür braucht es unabhängige Ermittlungsstellen, Polizeibeauftragte bei den
Parlamenten und eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung
eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine
völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln,
Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Zusätzlich braucht es regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus, um Polizeibeamt*innen für das Thema zu sensibilisieren.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Doch so dringend eine Reform der Polizei auch geboten ist: Auch die beste
Polizei kann gesellschaftliche Probleme nicht lösen, sondern allenfalls deren
Symptome bekämpfen. Der beste Polizeieinsatz ist deshalb einer, der gar nicht
erst nötig wird. Wer genug zum Leben hat, fängt seltener an, Geldbeutel zu
stehlen; wer bei Bedarf psychologische Begleitung bekommt, wird selten zur
Gefahr und wer Asylstatus genießt, muss nicht brutal abgeschoben werden. Und
natürlich braucht es zum Schutz der Betroffenen eine verantwortungsvolle und
staatlich kontrollierte Abgabe von Drogen, statt den längst verlorenen Kampf
dagegen mit immer absurderen Repressionen verzweifelt weiterzukämpfen.
Verfassungsschutz: Teil des Problems
Nur zu deutlich sieht man die beschriebenen Probleme am Verfassungsschutz. Die
zahlreichen Skandale, die rechten Netzwerke, in die der Verfassungsschutz selbst
eingebunden war oder diese mindestens gedeckt hat, sind dabei Kontinuitäten, die
nicht nur in der Vergangenheit liegen. Der Verfassungsschutz versagt damit nicht
nur, er stellt eine aktive Gefahr da, wie beispielsweise am NSU-Komplex
besonders deutlich wurde: Wenn der Verfassungsschutz nichts vom NSU wusste, dann
ist er unnütz. Aber wenn er davon wusste, dann ist er gefährlich.
Doch selbst die wenigen Reförmchen, die als Konsequenz aus dem NSU-Komplex
gezogen wurden, werden in vielen Bundesländern wieder Stück für Stück zurück
gedreht.
Die Untauglichkeit des Verfassungsschutzes zeigt sich nicht zuletzt an der
vielfach widerlegten Hufeisentheorie, die weiterhin eisern die Grundlage
geheimdienstlichen Handelns darstellt: Statt Rassismus und menschenfeindliche
Ideologien entschlossen zu bekämpfen, wird linker Aktivismus mit diesen
gleichgesetzt und damit kriminalisiert. Eine solche ideologisch geprägte
Arbeitsweise entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage und verharmlost die
Gefahr durch rechte Gewalt massiv. Zudem scheitert das Prinzip der
Gewaltenteilung strukturell an dem Versuch, die Aktivitäten des
Verfassungsschutzes angemessen parlamentarisch zu kontrollieren.
Eine unkontrollierbare Behörde, die ihren erklärten Zielen entgegen arbeitet,
verliert ihre Daseinsberechtigung. Alle Versuche, den Verfassungsschutz zu
reformieren, sind gescheitert. An einer Auflösung der Verfassungsschutzämter
führt daher kein Weg vorbei. Anstelle dessen braucht es eine transparent und
wissenschaftlich arbeitende Dokumentationsstelle und eine massiv gestärkte
Zivilgesellschaft, die selbst dazu in der Lage ist, sich gegen
menschenfeindliche Ideologien zu stellen. Vieles von dem, was wir heute über
rechte Strukturen wissen, wissen wir nicht vom Geheimdienst, sondern von
antifaschistischen Recherchegruppen - allen Widerständen zum Trotz. Statt
Antifaschismus zu kriminalisieren, muss zivilgesellschaftliches Engagement gegen
Nazis unterstützt und gefördert werden.
Autoritarismus und Asylpolitik
Die autoritäre Bekämpfung von Symptomen gesellschaftlicher Missstände zeigt sich
auch in der zunehmend menschenfeindlichen Asylpolitik Deutschlands und der
europäischen Union. Europas Regierungen schotten sich zunehmend ab und verfolgen
die, die sich für die Rettung der Menschenrechte engagieren:
Seenotrettungsschiffe werden festgesetzt, NGOs, die illegale Pushbacks an den
Außengrenzen dokumentieren, werden verfolgt und der Zugang zu menschenunwürdigen
Massenlagern wird mehr und mehr eingeschränkt. Die Schande von Moria ist dabei
nur der vorläufige Höhepunkt einer menschenverachtenden Entwicklung, an der sich
auch die Bundesregierung eifrig beteiligt: Statt geltendes Recht anzuwenden und
denen, die nicht zuletzt unter unserer Wirtschaftsweise und den Folgen von
Umweltzerstörung fliehen müssen, ein menschenwürdige Unterkunft zu ermöglichen,
werden immer neue Vorwände gefunden, um Geflüchtete abzuwerten, sie in
Elendslagern an den Außengrenzen wegzusperren oder sie im Mittelmeer ertrinken
zu lassen. Die unaufhörlich steigende Zahl an Menschen auf der Flucht ist das
vielleicht sichtbarste Symptom der globalen Ungleichheit. Wenn wir unsere
Menschenrechte aufgeben, um diesen Menschen nicht helfen zu müssen, dann
verlieren wir alles.
Stattdessen braucht es eine sofortige Evakuierung und Schließung aller Lager und
eine solidarische Geflüchtetenpolitik, die Fliehenden neue Perspektiven schafft.
Es braucht ein neues und klimagerechtes Wirtschaftssystem, das die Krisen
unserer Zeit löst, statt sie weiter zu verschärfen und die Leidtragenden dieser
Krisen zu bekämpfen.
Der herrschenden Politik der Angst, Überwachung, Abschottung und Härte stellen
wir eine radikal emanzipatorische Gesellschaft entgegen, die die menschliche
Würde und Freiheit in den Mittelpunkt stellt.
Von Zeile 62 bis 67:
Dafür braucht es unabhängige Ermittlungsstellen, Polizeibeauftragte bei den Parlamenten und eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten. Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Zusätzlich braucht es regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus, um Polizeibeamt*innen für das Thema zu sensibilisieren.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Deutschland hat ein kontinuierliches Naziproblem, das gerade in den
Sicherheitsbehörden unübersehbar zutage tritt, sich dabei über die Jahrzehnte
aber nur in immer neuen Facetten zeigt. Ob Angriffe auf Geflüchtete, Anschläge
auf linke Politiker*innen und Aktivist*innen oder Hetzkampagnen gegen Frauen im
Internet: Rechte versuchen seit Jahrzehnten, durch Angst, Terror und gezielte
Diskursverschiebung ihre Vorstellungen einer homogenen Gesellschaft in die Tat
umzusetzen. Seit der AfD gelingt es ihnen, das lauter und auf größeren Bühnen zu
sagen, als viele aus der vermeintlichen “Mitte der Gesellschaft” in einem
Deutschland nach 1945 noch für denkbar gehalten haben. Während People of Color
und - besonders ostdeutsche - Antifaschist*innen seit Jahren davor warnen,
während Recherchenetzwerke immer wieder Waffenlager und geheime
Kampfsporttrainings für den “Tag X” aufdecken, schauen die, die uns Sicherheit
versprochen haben, systematisch weg. Polizei, Verfassungsschutz,
Innenministerien: Es scheint, als wüssten sie von diesem Problem nichts. Dass
sie das sehr wohl tun, ist uns nicht erst seit der Selbstenttarnung des NSU und
den begleitenden Untersuchungsausschüssen schmerzlich bewusst. Doch die Behörden
zeigen wenig Interesse daran, rechte Netzwerke oder rassistische Strukturen
aufzudecken, geschweige denn dagegen vorzugehen.
Die Gründe dahinter sind vielfältig: Eine der dabei viel zu oft außer Acht
gelassenen Ursachen liegt im Zusammenhang von Kapitalismus und Rassismus. Der
neoliberale Leistungs- und Konkurrenzgedanke ist eng verbunden mit offen rechter
Ideologie. Extreme ökonomische Ungleichheit wird im Neoliberalismus als normal
oder sogar als gerecht dargestellt. Der Schritt zu einer Befürwortung von
Ungleichheit zwischen Menschen ist dann nicht mehr weit: Rassismus und Sexismus
sind Ideologien, die bestehende Ungleichheiten rechtfertigen und als natürlich
darstellen wollen.
Die antifaschistische Gegenposition der Forderung nach Gleichheit, Gerechtigkeit
und ein Leben in Würde widerspricht sowohl der neoliberalen Normalisierung, wie
auch der offenen rechten Propagierung von Ungleichheit. Ein weiteres prägnantes
Beispiel für die ideologische Nähe ist die Konkurrenz, die der Neoliberalismus
zu einem sinnvollen Prinzip gesellschaftlichen Zusammenlebens erklärt. Es führt
zu der Behauptung, dass man sich gegen andere durchsetzen müsse, um das eigene
Glück zu mehren. Angewandt auf scheinbar homogene Gruppen wie Nationen oder
Ethnien, bedeutet dieses Prinzip den Kampf gegeneinander - was an sich schon
rechts ist; noch konsequenter angewandt bedeutet das den puren, rechtsextremen
Sozialdarwinismus.
Dieser Zusammenhang ist einer der Gründe, die in den letzten Jahren zu einer
Politik der “Versicherheitlichung” geführt haben: Immer öfter ist die Antwort
auf gesellschaftliche Probleme eine autoritäre, die von Repression und Gewalt
geprägt ist. Dabei wird dem Streben nach vermeintlicher Sicherheit mehr und mehr
untergeordnet. Sich gegen den autoritären Umbau der Gesellschaft zu stellen,
heißt daher auch, zu hinterfragen, was eigentlich Sicherheit ist und was als
Sicherheitsproblem wahrgenommen wird.
Neben dem neoliberalen Leistungs- und Konkurrenzdenken und der tief verwurzelten
rassistischen Abgrenzung von anderen, sind es im besonderen auch rechte
Kontinuitäten in deutschen Sicherheitsapparaten, die das Problem befeuern, statt
es zu bekämpfen.
Dass Rechte sich besonders bei der Polizei oder dem Verfassungsschutz
wohlfühlen, ist dabei kein Zufall. Schon an der Gründung der heute bestehenden
Sicherheitsbehörden nach 1945 waren diverse Nazigrößen und SS-Kader fest
eingebunden und beteiligt. Es war der Normalfall, dass Nazis auch nach den NS-
Verbrechen munter weiter Karriere machen konnten - insbesondere in Behörden.
Rassistische Kontinuitäten in der Polizei
Mit diesem Hintergrund verwundern die zahllosen Fälle von Polizeigewalt gegen
People of Color und Linke ebenso wenig, wie die schwer zu überblickende Zahl an
rechten Chatgruppen, die gerade bundesweit auffliegen. Es geht dabei keineswegs
um Einzelfälle und das Fehlverhalten einzelner Polizist*innen: Die Strukturen
der Polizei begünstigen rassistischens und autoritäres Verhalten. Das muss sich
ändern, und zwar grundlegend: Der Einsatz staatlicher Gewalt muss eng
kontrolliert werden, Fehlverhalten muss zu spürbaren Konsequenzen führen und
Racial Profiling und anderen Diskriminierungen die Grundlage entzogen werden.
Dafür braucht es unabhängige Ermittlungsstellen, Polizeibeauftragte bei den
Parlamenten und eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für alle Einheiten.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung
eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine
völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln,
Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Zusätzlich braucht es regelmäßige verpflichtende Schulungen im Bereich Antirassismus, um Polizeibeamt*innen für das Thema zu sensibilisieren.
Betroffene von Racial Profiling sollen übermäßige Kontrollen durch Einführung eines verpflichtenden Ticket-Systems nachweisen können. Außerdem braucht es eine völlig neue Aus- und Weiterbildung, die sich an diskriminierungsfreiem Handeln, Kommunikation, Deeskalation und Konfliktprävention orientiert.
Doch so dringend eine Reform der Polizei auch geboten ist: Auch die beste
Polizei kann gesellschaftliche Probleme nicht lösen, sondern allenfalls deren
Symptome bekämpfen. Der beste Polizeieinsatz ist deshalb einer, der gar nicht
erst nötig wird. Wer genug zum Leben hat, fängt seltener an, Geldbeutel zu
stehlen; wer bei Bedarf psychologische Begleitung bekommt, wird selten zur
Gefahr und wer Asylstatus genießt, muss nicht brutal abgeschoben werden. Und
natürlich braucht es zum Schutz der Betroffenen eine verantwortungsvolle und
staatlich kontrollierte Abgabe von Drogen, statt den längst verlorenen Kampf
dagegen mit immer absurderen Repressionen verzweifelt weiterzukämpfen.
Verfassungsschutz: Teil des Problems
Nur zu deutlich sieht man die beschriebenen Probleme am Verfassungsschutz. Die
zahlreichen Skandale, die rechten Netzwerke, in die der Verfassungsschutz selbst
eingebunden war oder diese mindestens gedeckt hat, sind dabei Kontinuitäten, die
nicht nur in der Vergangenheit liegen. Der Verfassungsschutz versagt damit nicht
nur, er stellt eine aktive Gefahr da, wie beispielsweise am NSU-Komplex
besonders deutlich wurde: Wenn der Verfassungsschutz nichts vom NSU wusste, dann
ist er unnütz. Aber wenn er davon wusste, dann ist er gefährlich.
Doch selbst die wenigen Reförmchen, die als Konsequenz aus dem NSU-Komplex
gezogen wurden, werden in vielen Bundesländern wieder Stück für Stück zurück
gedreht.
Die Untauglichkeit des Verfassungsschutzes zeigt sich nicht zuletzt an der
vielfach widerlegten Hufeisentheorie, die weiterhin eisern die Grundlage
geheimdienstlichen Handelns darstellt: Statt Rassismus und menschenfeindliche
Ideologien entschlossen zu bekämpfen, wird linker Aktivismus mit diesen
gleichgesetzt und damit kriminalisiert. Eine solche ideologisch geprägte
Arbeitsweise entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage und verharmlost die
Gefahr durch rechte Gewalt massiv. Zudem scheitert das Prinzip der
Gewaltenteilung strukturell an dem Versuch, die Aktivitäten des
Verfassungsschutzes angemessen parlamentarisch zu kontrollieren.
Eine unkontrollierbare Behörde, die ihren erklärten Zielen entgegen arbeitet,
verliert ihre Daseinsberechtigung. Alle Versuche, den Verfassungsschutz zu
reformieren, sind gescheitert. An einer Auflösung der Verfassungsschutzämter
führt daher kein Weg vorbei. Anstelle dessen braucht es eine transparent und
wissenschaftlich arbeitende Dokumentationsstelle und eine massiv gestärkte
Zivilgesellschaft, die selbst dazu in der Lage ist, sich gegen
menschenfeindliche Ideologien zu stellen. Vieles von dem, was wir heute über
rechte Strukturen wissen, wissen wir nicht vom Geheimdienst, sondern von
antifaschistischen Recherchegruppen - allen Widerständen zum Trotz. Statt
Antifaschismus zu kriminalisieren, muss zivilgesellschaftliches Engagement gegen
Nazis unterstützt und gefördert werden.
Autoritarismus und Asylpolitik
Die autoritäre Bekämpfung von Symptomen gesellschaftlicher Missstände zeigt sich
auch in der zunehmend menschenfeindlichen Asylpolitik Deutschlands und der
europäischen Union. Europas Regierungen schotten sich zunehmend ab und verfolgen
die, die sich für die Rettung der Menschenrechte engagieren:
Seenotrettungsschiffe werden festgesetzt, NGOs, die illegale Pushbacks an den
Außengrenzen dokumentieren, werden verfolgt und der Zugang zu menschenunwürdigen
Massenlagern wird mehr und mehr eingeschränkt. Die Schande von Moria ist dabei
nur der vorläufige Höhepunkt einer menschenverachtenden Entwicklung, an der sich
auch die Bundesregierung eifrig beteiligt: Statt geltendes Recht anzuwenden und
denen, die nicht zuletzt unter unserer Wirtschaftsweise und den Folgen von
Umweltzerstörung fliehen müssen, ein menschenwürdige Unterkunft zu ermöglichen,
werden immer neue Vorwände gefunden, um Geflüchtete abzuwerten, sie in
Elendslagern an den Außengrenzen wegzusperren oder sie im Mittelmeer ertrinken
zu lassen. Die unaufhörlich steigende Zahl an Menschen auf der Flucht ist das
vielleicht sichtbarste Symptom der globalen Ungleichheit. Wenn wir unsere
Menschenrechte aufgeben, um diesen Menschen nicht helfen zu müssen, dann
verlieren wir alles.
Stattdessen braucht es eine sofortige Evakuierung und Schließung aller Lager und
eine solidarische Geflüchtetenpolitik, die Fliehenden neue Perspektiven schafft.
Es braucht ein neues und klimagerechtes Wirtschaftssystem, das die Krisen
unserer Zeit löst, statt sie weiter zu verschärfen und die Leidtragenden dieser
Krisen zu bekämpfen.
Der herrschenden Politik der Angst, Überwachung, Abschottung und Härte stellen
wir eine radikal emanzipatorische Gesellschaft entgegen, die die menschliche
Würde und Freiheit in den Mittelpunkt stellt.