Veranstaltung: | 53. Bundeskongress der Grünen Jugend |
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Tagesordnungspunkt: | K – Feministische Kämpfe |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesmitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 02.11.2019 |
Eingereicht: | 02.11.2019, 18:24 |
Antragshistorie: | Version 1 |
50% reichen nicht - männliche Dominanz im parlamentarischen Raum zurückdrängen
Beschlusstext
Als Grüne Jugend begrüßen und unterstützen wir Vorhaben, die zu mehr
Repräsentation von Frauen, inter, trans und nicht-binären Personen führen, auch
und grade in unseren Parlamenten.
Im parlamentarischen Kontext drückt sich Gleichberechtigung nicht allein durch
die Anzahl von Mandatsträger*innen aus. Auch die Verteilung von
Spitzenpositionen in Präsidium und Fraktionen, Ausschussmitgliedschaften,
Redezeiten, thematische Aufteilungen und die grundsätzliche Arbeitsweise von
Parlamenten müssen Bestandteil der Debatte um eine tatsächliche Gleichstellung
im parlamentarischen Raum sein. Dass mehr Frauen, inter, trans und nicht-binäre
Personen im parlamentarischen Kontext vorkommen, ist ein großer Gewinn, denn nur
so kann die parlamentarische Realität irgendwann auch die der Gesellschaft
abbilden. Maßnahmen um dies zu erreichen müssen allerdings aufgrund der
komplexen Problemlage divers sein.
Die Grüne Jugend und Bündnis 90/Die Grünen haben eine 50+-Quote. Diese sorgt
dafür, dass mindestens 50 % von Amts- und Mandatsträger*innen von Frauen bei
Bündnis 90/Die Grünen und mindestens 50 % von Frauen, inter, trans und nicht-
binären Personen bei der Grünen Jugend besetzt werden müssen. Mit dieser
Regelung sind wir diejenigen, die fast ausnahmslos die meisten Frauen, inter,
trans und nicht-binären Personen in Parlamente entsenden. Unsere harte Quote hat
bewiesen, wie nötig sie ist und wie dringend alle Parteien sie brauchen würden.
Ein Gesetz zur Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit im politischen und
parlamentarischen Raum darf also nicht dazu führen, dass 50%+Quoten aufgelöst
oder aufgeweicht werden müssen.
Die Förderung von Frauen in der politischen Sphäre ist notwendig, damit sie den
gleichen Zugang zu Entscheidungsprozessen bekommen, wie Männer. Sinkende
Frauenanteile in unseren Parlamenten auf Bundes- und Landesebene zeigen, dass
sich die gesellschaftlichen Hürden, die Frauen im Patriarachat in den Weg gelegt
werden, nicht von selbst beseitigen.
Inter, trans und nicht-binäre Personen leiden auch in der politischen Sphäre
unter Unsichtbarkeit und Diskriminierung. Um sich an der Erkämpfung eigener
Rechte und der Gestaltung der eigenen Zukunft beteiligen zu können ist eine
angemessene Repräsentation in unseren Parlamenten ein wichtiger Schritt auf dem
Weg zur Gleichberechtigung. Auch der Zwang sich in ein binäres
Geschlechtersystem einordnen zu müssen erhöht derzeit die Hürden sich aktiv in
der politischen Sphäre einzubringen.
Harte Quoten, gezielte Förderung und die explizite Benennung von
Kandidaturmöglichkeiten können wirksame Werkzeuge sein, um sowohl Frauen, als
auch inter, trans und nicht-binären Personen zu dem ihnen zustehenden
politischen Einfluss und der nötigen Wirkmacht für gesellschaftliche
Veränderungen zu verhelfen
Solange wir keine tatsächliche Gleichberechtigung haben, kann es keine Über-
Repräsentation von Frauen, inter, trans und nicht-binären Personen geben! De
facto würde in der derzeitigen gesellschaftlichen Realität eine 50/50-Quote eine
Männerquote bedeuten. Eine Quote muss gesellschaftlich benachteiligte Gruppen
stärken und zu deren Repräsentation führen, statt die Hälfte der Macht für
Männer zu reservieren.
Für ein Gesetz, das möglichst alle Problemlagen von Repräsentation von Frauen,
inter, trans und nicht-binären Personen im politischen und parlamentarischen
Raum berücksichtigt und dementsprechend keine binäre 50/50-Quote sein kann,
brauchen wir Rechtssicherheit. Unter dem Vorwand der Rechtssicherheit wird
allerdings in der derzeitigen Debatte vorrangig ein binäres Rechtsmodell
vorgeschlagen.
Für eine angemessene Quotierung von Ämtern und Mandaten im politischen und
parlamentarischen Raum müssen Gesetze zur Verbesserung der
Geschlechtergerechtigkeit im politischen und parlamentarischen Raum in Zukunft
sowohl eine Mindestquotierung für Frauen, als auch die klare Bennenung für
Kandidaturmöglichkeiten von inter, trans und nicht-binären Personen beinhalten.
Die vor dem Bundesverfassungsgericht erstrittene dritte Geschlechtseintragung
(„divers“) ist eine biologistische Kategorie. Diese möchten wir nicht
manifestieren, sondern die Geschlechtsidentitäten aller Menschen anerkennen und
diese in ihrem Kampf um ihre Rechte stärken.
Die Möglichkeit für inter, trans, und nicht-binären Personen auf allen
verfügbaren Plätzen zu kandidieren kann dabei sowohl die Hürden zu einer
Kandidatur absenken, als auch eine prozentuale Deckelung vermeiden.
Wir brauchen einen Prozess hin zu einem intersektionalen Gesetz, das nicht nur
die Perspektive von Frauen sondern von allen nicht-männlichen Personen mitdenkt
und zur Verbesserung der Repräsentation eben dieser führt. Dabei lassen wir uns
nicht gegeneinander ausspielen!
Begründung
Strukturell wurden Frauen in allen gesellschaftlichen Räumen, auch im politischen, lange nicht geduldet und auch nach einer rechtlichen Gleichstellung zeigt sich deutlich, dass eine tatsächliche Gleichstellung nicht existiert. Das erkennt auch das Grundgesetz an und formuliert deshalb: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“. Die gesellschaftliche und politische Teilhabe von inter, trans und nicht-binären Personen ist auch im Vergleich dazu noch immer stark marginalisiert und in Parlamenten fast nicht vorhanden.
In Brandenburg und Thüringen wurden Parité-Gesetze beschlossen, um eine Verbessung der Geschlechtergerechtigkeit in Parlamenten zu erzielen. In vielen weiteren Bundesländern gibt es politische Debatten dazu und auch auf Bundesebene wird das Thema aufgegriffen. Wir brauchen verbindliche Maßnahmen um mehr Frauen, inter, trans und nicht-binären Personen den Weg in politische und parlamentarische Räume zu ermöglichen. Dafür aber ein binäres System zu stärken, welches wir stattdessen aufbrechen müssten kann nicht der richtige Weg sein.