Veranstaltung: | 52. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND |
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Tagesordnungspunkt: | Beschlüsse |
Antragsteller*in: | Mitgliederversammlung (dort beschlossen am: 07.04.2019) |
Status: | Angenommen |
Beschlossen am: | 07.04.2019 |
Eingereicht: | 07.04.2019, 14:17 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V-4-B: Kein Verfassungsschutz, kein Staat, kein Überwachungsapparat!
Beschluss:
Das muss eine Demokratie aushalten können
Unsere Welt wird immer größer, bunter und vielseitiger – gleichzeitig gewinnen Diskurse über „Sicherheitsgefühl“, „potenzielle Täter*innen“ und „Terrorismus“ stets mehr die Oberhand. Wir beobachten, wie in ganz Deutschland Polizeigesetze verschärft werden und die Debatte über sogenannte „linksradikale Gewalt“ und „islamistischen Terror“ an Fahrtwind gewinnt und die Gesellschaft spaltet.
Mehr Kontrolle ist nicht gleich mehr Sicherheit!
Zum bestehenden Diskurs der Härte kommt die Intensivierung von Datenspeicherung und die Idee der größtmöglichen Kontrolle des öffentlichen Lebens hinzu: Individual- und Grundrechte werden dem emotional besetzten „Sicherheitsgefühl“ geopfert. Dass reale Sicherheit dabei nicht wächst, bleibt unbeachtet. So führte beispielsweise das Staatsversagen im Fall Amri nicht etwa dazu, dass endlich die lange geforderte Abschaffung des Verfassungsschutzes kommt, sondern trägt dazu bei, dass ein Generalverdacht alle nicht-weiß aussehenden Mitmenschen trifft und die Befugnisse der landes- und bundespolizeilichen Behörden vielfach ausgeweitet werden.
Der Wunsch nach absoluter Sicherheit ist dabei jedoch völlig illusorisch und niemals erreichbar. Allerdings beobachten wir, dass auf Basis dieses Wunsches tiefgreifende Rechtseingriffe geschehen. Mit der Konstruktion der „drohenden Gefahr“ oder von „gefährlichen Plätzen und Orten“ haben sich die „Sicherheitsbehörden“ Instrumente geschaffen, mittels derer sie willkürlich eine Politik der Härte durchsetzen können: eine Politik, die verstärkt Menschen trifft, die ohnehin schon diskriminiert werden. Dabei sind die realen Sicherheitsprobleme in unserer Gesellschaft durchaus vorhanden, die bisherige Innenpolitik, mit einem überforderten Innen- und Heimatminister in der Regierung, schafft es jedoch nicht, Lösungen anzubieten, die Kriminalität und Diskriminierung entgegenwirken, auch bevor diese entstehen.
Wir als GRÜNE JUGEND wollen deswegen ein solidarisches und emanzipatorisches Verständnis von Innenpolitik entwickeln, das die Kraft hat, als positive Erzählung dem Diskurs der Angst und Härte entgegenzustehen und welches wir in Partei und Gesellschaft tragen wollen:
Wo wollen wir hin?
Gerade im Diskurs der Sicherheit bleibt für uns eine freie Gesellschaft von oberster Priorität. Das betrifft nicht nur Möglichkeiten der freien Bewegung, Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung; sondern es soll hier auch um eine Gesellschaft gehen, die frei von Angst, Armut und Diskriminierung der Utopie eines schönen Lebens für alle näher kommt.
Wie kommen wir dahin?
Eine Neuordnung der Innenpolitik verlangt ein Neudenken in vielen Bereichen: in Sachen Recht und Rechtsnormen; in Fragen der Antirassismus- und Antidiskriminierungsarbeit; in Querschnittsthemen wie der Sozialpolitik; und auch ganz konkret in der Betrachtung innenpolitischer Institutionen. Wir wollen festlegen, wie ein Gesellschaftsbild aussehen kann, das unseren Forderungen entspricht und welche Art von Innenpolitik wir bejahen. Um diese Ansätze zu Ende denken zu können, braucht es eine tiefgreifende gesellschaftliche Analyse mit dem Mut, Themen radikal und neu zu denken und sich unbequemen Fragen zu stellen.
Individuelle Freiheit bewahren!
Innenpolitik darf niemals nur die ausführende Hand von bestehenden Rechtslagen sein, sondern muss diese immer und immer wieder hinterfragen! Deswegen betrachten wir im Folgenden die Rechte von Individuen und Gruppen im komplexen Konfliktfeld von sicherheits- und innenpolitischen Überlegungen.
Innenpolitik sollte immer in erster Linie vom Menschen aus gedacht werden. Der oberste Schutz gilt der prinzipiell immer geltenden Unschuldsvermutung der*des Einzelnen. Prämisse von Innenpolitik im Sinne der GRÜNEN JUGEND muss der Schutz der Grundrechte sein! Das umfasst viele juristische Fragen. Zunächst gilt das Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung auch heute im digitalen Zeitalter und sollte dementsprechend dringend eine Revision erfahren. Wir wollen das Versprechen auf das Recht an den eigenen Daten erneuern! Eine wichtige Rolle spielen hier auch die umstrittenen biometrischen Pässe. Die GRÜNE JUGEND will deren Benutzung binnen EU-Gesetzen abschaffen. Wir verhindern die totale Kontrollierbarkeit des Individuums!
Ebenso schützenswert ist das Post- und Fernmeldegeheimnis, auch und gerade in Hinsicht auf aktuelle Entwicklungen und angesichts von „Sicherheitsbehörden“, die ohne vorherige Beweislast private Gespräche abhören bzw. mitlesen. Neben Post und digitalem Datenverkehr muss auch die Unverletzlichkeit der Wohnung und des eigenen Körpers gelten – so sollten Leibesvisitationen durch die Staatsgewalt nur mit Beweislast erlaubt sein!
Schützenswert sind gesellschaftliche, ethnische, religiöse und andere Minderheiten. Insbesondere nicht-weiße Menschen stehen in Deutschland noch immer und manchmal auch stets mehr unter Generalverdacht. Die GRÜNE JUGEND fordert ein Ende des Racial Profiling u. a. durch die Streichung des Ausdrucks „oder grenzpolizeilicher Erfahrung“ aus § 22 (1) des Gesetzes über die Bundespolizei. Innenpolitik ist immer auch Asylpolitik: Die GRÜNE JUGEND fordert hier eine Erneuerung des unveräußerlichen Grundrechts auf Asyl, sodass das Schutzbedürfnis der Geflüchteten endlich im Fokus steht!
Aktivist*innen schützen!
Wir als GRÜNE JUGEND wollen eine aktive Gesellschaft. Wir fördern Menschen die sich politisch und gesellschaftlich engagieren, wir wollen eine freie Debatte in Politik, Medien und Gesellschaft. Diese Debatte soll auch auf der Straße stattfinden. Deshalb ist die nach Artikel 8 des Grundgesetzes garantierte Versammlungsfreiheit von hoher Bedeutung für uns. Um diese zu schützen, fordern wir einen Umbau des Versammlungsgesetzes: ein Verbot von Polizeihunden und -pferden bei Großdemonstrationen, die Entkriminalisierung von Sitzblockaden, ein Verbot von chemischen Reizstoffen bei Demos und ein Ende des Verbotes von Vermumnmung und sogenannter passiver Bewaffnung! Es kann nicht sein, dass Vermummung bei religiösen Festen oder zu anderen Anlässen erlaubt ist, sie aber insbesondere Aktivist*innen auf Anti-Nazi-Demos nicht schützen darf. Deswegen fordert die GRÜNE JUGEND die Außerkraftsetzung der §§ 17a Abs. 2, 27 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3c, 29 Abs. 1 Nr. 1a im Versammlungsgesetz. Der §114 „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“, welcher nach den G20-Protesten eingeführt wurde, soll umgehend ersatzlos gestrichen werden.
Fragen von Staatlichkeit
Die GRÜNE JUGEND betrachtet die sogenannte „Staatshoheit“ oder „Staatsgewalt“ kritisch. Utopisch kämpfen wir für die Abschaffung aller Staaten und Grenzen – daher kann ein Staat für uns nur eine vorübergehende Situation darstellen. Dabei unterscheiden wir den Staat klar von der ‚Nation‘, welche wir ablehnen. Wir sehen Staatlichkeit selbst als ein einengendes und exkludierendes Konzept, weshalb das Augenmerk jeglicher staatlicher Gewalt immer auf das Individuum und benachteiligte Gruppen gelenkt werden muss. Im Kern ist Staatlichkeit für die GRÜNE JUGEND ein grundlegendes Konzept der Ordnung von menschlichem Miteinander. Damit sehen wir den Staat als eine Verwaltungseinheit, die alle schützt – kein Mehrheitenrecht, sondern ein Minderheitenrecht! – und der Möglichkeiten für alle Individuen schafft, ein freies und schönes Leben zu führen. Er sorgt durch individuelle und informationelle Freiheit für die Basis einer demokratischen Gesellschaft.
Polizeiliche Gewalt einschränken!
Für uns als GRÜNE JUGEND ist das föderale Prinzip, besonders in der Innenpolitik, bedeutend. Wegen der Erfahrungen aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur unterstützen wir die Verortung der Polizei in erster Linie auf Landesebene. Aus den gleichen Erfahrungen heraus fordert die GRÜNE JUGEND ebenfalls: Die Trennung Militär – Geheimdienst – Polizei muss aufrecht erhalten werden! Daraus ergibt sich die klare Ablehnung der aktuellen Polizeigesetzreformen, die polizeiliche Befugnisse ausweiten und ihre Ausrüstung verstärken und sie somit militarisieren. Außerdem lehnen wir diese aktuellen Entwicklungen ab, da sie mit äußerst diffusen Gefahrenbegriffen und dem Gefährder*innen-Begriff arbeiten, welche effektiv dazu führen, dass die polizeiliche Arbeit noch vor dem konkreten Verdacht stattfinden soll und sie dafür gleichzeitig mit geheimdienstlichen Befugnissen ausgerüstet werden soll. Auch verurteilt die GRÜNE JUGEND den aufgeblähten Sicherheitsapparat im Allgemeinen. Die verschiedenen Nachrichtendienste in Verbindung mit sechzehn Landespolizeien und einer Bundespolizei haben überschreitende und sich gegenseitig einschränkende Kompetenzen, die klar neu sortiert werden müssen. Außerdem braucht das Parlamentarische Kontrollgremium mehr Reichweite, Ressourcen und Kompetenzen, um diese Dienste effektiv kontrollieren und in ihre Arbeitsweise Einblick gewinnen zu können.
„Kriminalität“ neu denken
Die GRÜNE JUGEND fordert eine Revision der Justiz: alte Nazi-Gesetze wie Zum Beispiel die Paragrafen 211 und 219 des Strafgesetzbuches gehören dabei abgeschafft. Im § 211, verfasst vom damaligen NS-Staatssekretär Roland Freisler, werden „Mördern“ Charaktereigenschaften zugeschrieben. Die ebenfalls dort aufzufindende Trennung zwischen ‚Mord‘, ‚Totschlag‘ und ‚besonders schwerem Totschlag‘ aus Nazizeiten ist nicht haltbar und muss abgeschafft werden.
Wir, die GRÜNE JUGEND, fordern, Kriminalität neu zu denken. Wir wollen eine verbandsinterne und gesellschaftliche Debatte anstoßen, die sich mit der Frage von Kriminalität, „kriminellen Eigenschaften“, Schuld und inbesondere Bestrafung beschäftigt. Dabei soll der Fokus auf die Frage gelenkt werden, wie Polizei, unsere Sicherheitsarchitektur und die Mehrheitsgesellschaft Kriminalität konstruieren und das vermeintlich „Unnormale“ dabei zu kriminellen Handlungen erklären.
Des Weiteren fordern wir die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten – zum Beispiel ist „schwarz fahren“ in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Ordnungswidrigkeit und kein Verbrechen! Außerdem bleiben wir bei der Forderung nach einer Legalisierung aller Drogen. ‚Weiche‘ Drogen wie Cannabis sollen damit konsumierbar werden, bei ‚harten’ Drogen wird damit eine bessere Qualitätskontrolle und Nachvollziehbarkeit des Handels möglich.
Keine Ruhe dem Rassismus und der Menschenfeindlichkeit!
Nicht zuletzt die bekannten Mitte-Studien (zuletzt Autoritarismus-Studie) der Universität Leipzig zeigten ein ums andere Jahr: Die Gesellschaft in der Bunderepublik hat ein Problem. Es manifestiert sich in gruppenbezogener Menschenfendlichkeit, Autoritarismus und Nationalismus. Was viele Antifaschist*innen in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen schon seit Jahrzehnten wissen, zeigt sich immer wieder auch in wissenschaftlich messbaren Zahlen. Die Studien ergeben seit Jahren gleichbleibend hohe Zustimmung zu autoritären, rassistischen und antisemitischen Aussagen.
Menschenfeindliche Ideologien benennen und einordnen
Dass das nicht nur die Einstellungen einer vernachlässigbaren und bemitlieidenswerten Minderheit sind, oder die Verbreitung von Rassismus nur ein zweitrangiges Problem ist, zeigt die alltägliche Diskriminierung und Ausgrenzung, die etwa Migrant*innen, Muslim*innen oder Homosexuelle und Trans jeden Tag erleben müssen. Solche Einstellungen begünstigen direkt und indirekt Hetze, Pöbeleien bis hin zu körperlicher Gewalt und rechten Morden. In der gesellschaftlichen Debatte spielt diese Dimension von Ausgrenzung und Rassismus und vor allem die Grundlagen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit eine viel zu geringe Rolle. Sowohl in der Wahrnehmung als auch in der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung.
Die gesellschaftliche Debatte beschränkt sich viel zu häufig auf die unhaltbare Extremismustheorie. Mit der Beschränkung auf die oft als gleichwertig angesehenen Phänomenbereiche „Linksextremismus“, „Rechtsextremismus“, „Islamismus“ und „Ausländerextremismus“ werden nicht nur völlig unterschiedliche Phänomene in einen Topf geworfen. Der Begriff „Extremist*in“ wird des Weiteren viel zu häufig als Legitimation für Repression und Ausgrenzung radikal-emanzipatorischer Positionen genutzt. Wir als GRÜNE JUGEND lehnen diese Extremismusbegriffe ab. Um endlich die ideologischen Grundlagen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und die Auslöser von Gewalt identifizieren zu können, braucht es mehr Mittel für die wisschenschaftliche Untersuchung. Auf dessen Grundlage muss die Debatte endlich gestellt werden! Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung müssen benannt und als Teil der aktuellen gesellschaftlichen Verfassung anerkannt anstatt als diffuser „Extremismus“ relativiert werden.
Zivilgesellschaft stärken!
Wenn heute in der Bundesrepublik rechte Gewalt und Rassismus benannt wird, sind es nie die staatlichen Behörden, die eine Debatte anstoßen oder Entwicklungen öffentlich machen. Viele antifaschistische Gruppen, Initiativen und Vereine organisieren jeden Tag Vorträge, Mahnwachen und Demonstrationen gegen Naziaufmärsche oder Veranstaltungen menschenverachtender Organisationen. Damit schaffen sie jeden Tag Freiräume für Migrant*innen und andere von Ausgrenzung betroffene Bevölkerungsgruppen und machen eine Diskussion über menschenfeindliche Ideologien – und was dagegen zu tun ist – erst möglich. Leider haben sie oft mit vielerlei Hürden zu kämpfen. Die Sichtbarmachung von alltäglicher Diskriminierung oder rechter Gewalt ist unpopulär und wird häufig nicht angemessen unterstützt. Neben dem Ausbau finanzieller Austattung müssen auch Hürden der zivilgesellschaftlichen antifaschistischen Arbeit abgebaut werden. Daher fordert die GRÜNE JUGEND:
- Antifaschistische Initiativen und Gruppen müssen in der Gesellschaft gehört und ernstgenommen werden. Sie sind ein Frühwarnsystem bei der Erfassung gefährlicher Entwicklungen. Ein Austausch von Sicherheitsbehörden und Politik muss geschaffen und institutionalisiert werden.
- Der Zugang zu Fördergeldern für Vereine und andere Organisationsformen muss erleichtert, die abrufbaren Mittel müssen ausgebaut werden.
- Förderprogramme, wie das Bundesprogramm „Demokratie Leben“, Radikalisierungspräventions- und Austeiger*innenprogramme müssen massiv auf allen politischen Ebenen ausgebaut werden.
- Damit die Zivilgesellschaft und antifaschistische Initiativen staatliches Handeln bewerten und möglichst barrierefrei an öffentliche Informationen kommen können, müssen Bürger*innen die Möglichkeit haben Auskunft von staatlichen Institutionen zu erhalten.
- Antifaschistischer Protest darf nicht weiter kriminalisiert werden. Weitere Strafrechtserschärfungen lehnen wir ab.
- Eine Verpflichtung antifaschistischer Initiativen, sich bei Anträgen auf Förderprogramme oder bei amtlichen Eintragungen zur FDGO (freiheitlich-demokratischen Grundordnung) bekennen zu müssen lehnen wir ab. Damit wird ein Bekenntnis zu einem diffusen und noch dazu umstrittenen Rechtsbegriff verlangt, der wie die Extremismustheorie eine Gleichsetzung völlig unterschiedlicher politischer Strömungen voraussetzt
Demokratiebildung stärken
Zentrale Aufgabe von politischer Bildung ist es, die Verbreitung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und die Wiederholung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern und die Teilhabe an demokratischen Willensbildungsprozessen zu ermöglichen. Demokratische Partizipation und damit Teilhabe aller Bürger*innen an der Gesellschaft wird durch eine vielfältige Medienlandschaft ermöglicht. Diese muss auch in der digitalisierten Gesellschaft aktiv erhalten werden. Daher fordert die GRÜNE JUGEND:
- Demokratiebildung und die kritische Auseinandersetzung mit Nationalismus, Rassismus und Diskriminierung müssen von Beginn an zentraler Bestandteil der Bildungslaufbahn sein.
- Wir wollen die Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung ausbauen und strukturell stärken.
- Auch auf europäischer Ebene soll eine Institution zur Stärkung von Demokratie und Grundrechten mittels politischer Bildung geschaffen werden.
- Wir wollen staatliche Unterstützung für unabhängige Medien und Journalist*innen, welche darauf angewiesen sind. Die Vielfalt der Medienlandschaft darf nicht der Willkür des Marktes überlassen werden
Menschenfeindlichkeit in Sicherheitsbehörden
Rassismus, Diskriminierung und Autoritarismus sind auch und besonders ein zentrales Problem deutscher Sicherheitsbehörden und -strukturen. Dies zeigte sich nicht zuletzt beim Umgang staatlicher Behörden und der Politik mit Rechtsterrorismus, wie etwa im Fall des NSU. Nicht nur Verfassungsschutzbehörden und Polizei haben sich hier als unfähig erwiesen, auf Gefahren von Rechts angemessen reagieren zu können. Auch Staatsanwaltschaften, Gerichte, verschiedene Medien und Politiker*innen haben vorhandene Informationen nicht genutzt oder vielfach unbewusst, häufig aber auch bewusst falsch bewertet. Wie etwa der Fall „Hanniball“ und sein rechtsterroristisches Netzwerk zeigen, wurden die nötigen Konsequenzen bis heute nicht gezogen. Aufklärung wurde immer wieder aktiv verhindert. Sicherheitsbehörden, wie die Polizei, sind schon immer ein besonderer Anziehungspunkt für autoritäre Charaktere und Ideologien der Ungleichwertigkeit gewesen. Dies ist im Bereich der Inneren Sicherheit besonders problematisch, da Gewalt und Ausgrenzung immer zuerst marginalisierte Gruppen treffen und Behörden wie Polizei oder Verfassungsschutz eine hohe Definitionshoheit über die Entwicklung und Bewertung von Kriminalität besitzen. Rassismus, Hetze, Gewalt von Rechts und Hasskriminalität werden nur sehr unzureichend erfasst. Das liegt zum einen an der mangelnden Bereitschaft, Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit als solche zu benennen. Zum Anderen leiden die Kriminalstatistiken in Deutschland an einigen strukturellen Problemen. Daher fordert die GRÜNE JUGEND:
- Der kriminalpolizeiliche Meldedienst für politisch motivierte Gewalt (KPMD-PMK) muss reformiert werden. Rassistische und menschenverachtende Tatmotivationen müssen besser berücksichtigt werden und eine nachträgliche Änderung bei neuen Erkenntnissen soll erleichtert werden.
- Beamt*innen müssen laufend fortgebildet werden, um Hasskriminalität und die ideologischen Grundlagen der Tatmotivation sicher erkennen zu können.
- Die Tatmotivation Hasskriminalität muss in der juristischen Aufarbeitung von Straftaten eine größere Rolle spielen als heute.
- Behörden und Nicht-Regierungsorganisationen wie etwa die Amadeu Antonio Stiftung, kommen bei der Zählung von rechten Morden zu völlig unterschiedlichen Zahlen. Wir fordern unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen, in den Bundesländern und auf Bundesebene, zur Aufarbeitung und Neubewertung der Fälle, die in Auftrag gegeben werden müssen.
- Der NSU-Komplex oder auch das Oktoberfest-Attentat sind Beispiele für rechten Terror in Deutschland. Ihre Aufarbeitung geht nur schleppend voran und wird immer wieder sabotiert. Wir fordern: keinen Schlussstrich und kein Ende der Aufklärung! Nichts wird vergeben! Niemand wird vergessen!
- Die Einrichtung und ausreichende Austattung von Beauftragten gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene.
- Es soll flächendeckend Möglichkeiten geben, etwa antisemitische Vorfälle barrierearm und anonym melden zu können. Denn eine Anzeige zu stellen ist für Betroffene häufig eine große Barriere, die die Sichtbarkeit von rechten Übergriffen verringert und die sich im Graubereich des Strafbaren bewegenden Ausfälle gegen Minderheiten noch weiter schmälert.
- Rechter Terror ist eine sehr reale Bedrohung für viele Menschen in Europa. In der öffentlichen Debatte spielt er jedoch nur selten eine zentrale Rolle. Das muss sich ändern!
- Mitarbeiter*innen staatlicher Organe haben eine besonders hohe Verantwortung. Menschenfeindliche Ideologie darf keine Auswirkungen auf staatliches Handeln mit sich ziehen. Diskriminierungsfreiheit und Antirassismus müssen zentraler Bestandteil der Ausbildung von Staatsbediensteten sein. Zudem müssen menschenfeindliche Einstellungen, Handlungen und die Verwicklung in extrem rechte Strukturen dazu führen, dass die betroffenen Polizeibeamt*innen zügig und dauerhaft aus dem Dienst entfernt werden
Innenpolitik ist nicht nur Polizei und Kameras
Wenn es Sinn und Zweck der Innenpolitik ist, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Menschen frei von Angst leben können, müssen wir sie weiter denken, als nur die Angst davor, Opfer eines Verbrechens zu werden. Angst vor Armut, Angst vor Abstieg, Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung sind sehr relevante Phänomene in der heutigen Gesellschaft und gleichzeitig aber auch Motoren von Unsicherheit und Kriminalität.
Innenpolitik als Querschnittsthema: Sozialpolitik
Dabei kommt vor allem dem Feld der Sozialpolitik, neben vielen weiteren, eine entscheidende Rolle zu. Denn Armut und Perspektivenmangel sind wesentliche Faktoren für "klassische" Kriminalität, vor allem Raub und Diebstahl.
Sozialpolitische Maßnahmen innenpolitisch denken
Bisher werden sozialpolitische Maßnahmen nur als Solche gedacht. Die Ministerien und oft leider auch die Abgeordneten in der Innen- und der Sozialpolitik arbeiten aneinander vorbei. Daraus folgt eine unzureichende Abstimmung der Maßnahmen und Verantwortungsdiffusion, insbesondere für langfristig präventive sozialpolitische Maßnahmen, welche ein Kern guter Innenpolitik sein könnten. Daher müssen sozialpolitische Maßnahmen vor allem darauf überprüft werden, ob sie Menschen langfristig ein gutes Leben ermöglichen, frei von Angst und Armut, dann wird auch die Kriminalitätsrate deutlich sinken. Ein sehr gutes Beispiel ist hierfür auch die Wohnungspolitik. Die zunehmende Gentrifizierung, der Bau von Sozial-Wohnungen vor allem am Stadtrand und Diskriminierung bei der Wohnungssuche führen dazu, dass sich in vielen Städten Viertel herausbilden, in denen Armut und Benachteiligung aufeinandertreffen und es zu einem Multiplikationseffekt kommt. Dies wäre jedoch leicht zu verhindern, ist aber offenbar nicht gewollt.
Als GRÜNE JUGEND fordern wir daher eine dauerhafte Institutionalisierung der Zusammenarbeit des Innenministeriums mit betreffenden anderen Ministerien wie dem BMAS, dem BMFSFJ und dem BMG. Gleichzeitig muss sich auch auf parlamentarischer Ebene etwas tun, eine Enquete-Kommission oder ein parlamentarischer Beirat wären hier mögliche Wege.
Rassismus und Kapitalismus - 2 Facetten eines Problems
Angst vor Abstieg ist ein wesentlicher Faktor für Diskriminierung und Ausgrenzung, das haben uns diverse Studien immer wieder gezeigt. Soziale Deprivation oder die Angst davor führen zur Verstärkung von Gruppenbildung, Ausgrenzung und in Folge zu Gewalt. Unter sozialer Deprivation verstehen wir die gesellschaftliche Ausgrenzung von Menschen, insbesondere durch systemische und strukturelle Prozesse. Innenpolitisch folgt daraus, sowohl die reale soziale Deprivation abzubauen, als auch der auf Angst vor sozialer Deprivation basierenden Diskriminierung etwas entgegenzusetzen. Daher fordern wir als GRÜNE JUGEND:
- Die Ausgrenzung vieler Menschen durch den Abbau staatlicher Strukturen muss zurückgedreht werden. Viele Menschen werden vom Staat im Stich gelassen, weil Krankenhäuser schließen und der Bus nicht mehr fährt. Diese Entwicklung müssen wir umkehren und uns bewusst machen, dass dieser Abbau staatlicher Strukturen dazu führt, dass sich Menschen von der Demokratie abwenden und eher dazu bereit sind, die Schuld auf diskriminierte Gruppen zu schieben.
- Unsere Raumpolitik muss sich grundlegend ändern. Die Stadt ist nicht das Ideal, an dem alles ausgerichtet wird und der Rest fällt hinten runter. Aber auch in der Stadt müssen wir darauf achten, dass keine Gebiete entstehen, in denen sich durch soziale Deprivation Hass und Diskriminierung multiplizieren.
- Aber auch die Abwertung anderer Gruppen auf Grund der Angst vor sozialer Deprivation muss abgebaut werden. Dafür müssen wir raus aus der Leistungsgesellschaft, insbesondere aber auch hin zur solidarischen Begegnungsgesellschaft, in der Begegnungs- und Diskursräume für alle da sind um gemeinsam an der solidarischen Gesellschaft zu bauen und Erfahrungen im Kontakt mit vermeintlich anderen Menschen zu machen.
- An vielen Stellen greifen Nazis und Faschist*innen auf Basis mangelnder Alternativen in Vierteln nach der Diskurshoheit in den Stadtteilen, indem sie Jugendzentren betreiben und soziale Treffpunkte organisieren um ihre eigene Ideologie zu verbreiten. Hier muss hart durchgegriffen werden. Es darf keine staatlich finanzierten oder offiziell anerkannten sozialen Projekte von bekannten Nazis geben.
Berlin, wir haben ein Problem!
Auch institutionell muss sich vieles ändern, um dem von uns angestrebten Ideal einer Innenpolitik näher zu kommen. Polizei, Justiz und Behörden müssen großzügig reformiert werden!
Grundlegende Kritik der Polizei
Eine politische Einschätzung der Polizei darf nicht bei der Betrachtung konkreter Handlungsweisen Halt machen, sondern muss auch das Grundkonstrukt Polizei und Staatsgewalt mit einbeziehen. Dabei ist insbesondere der Gewaltbegriff interessant. Eine der Grundlagen des modernen Staatsbegriffs ist das Gewaltmonopol. Dieses heißt im Umkehrschluss aber auch, dass die Interpretation dessen, was Gefahr ist, in der Hand der Polizei und des Staates und damit implizit in der Hand der Mehrheitsgesellschaft liegt. Das ist vor allem für diskriminierte Gruppen ein großes Problem, das institutionell so tief sitzt, dass verständlich ist, wenn bspw. persons of color (PoC) kein Vertrauen in die Polizei und den Staat haben. In diesem Zusammenhang lehnen wir das Grundkonzept der „gefährlichen Orte“ ab, vor allem auch, da sie in der Regel von der Polizei bestimmt werden.
Ein weiteres Grundproblem ist die Orientierung und Beurteilung polizeilicher Arbeit an konkreten Messziffern. Festnahmequoten sind dafür ein besonders krasses Beispiel, aber auch die Anzahl durchgeführter Kontrollen sowie weitere Messziffern sind hoch problematisch. Diese Neoliberalisierung der Polizeiarbeit lehnen wir entschieden ab. Polizeiliche Arbeit darf niemals an konkreten Messzahlen polizeilichen Handelns sondern maximal an Zahlen der konkreten Schadensfälle gemessen werden.
Außerdem besteht ein Grundproblem bei der Kontrolle der Polizei. Die Verselbstständigung polizeilichen Handelns, gepaart mit einem Mangel an Kontrollmechanismen führt dazu, dass viele der im Folgenden beschriebenen konkreten Probleme nicht konsequent angegangen werden können. Oft gilt der Grundsatz „Was in der Polizei schief läuft, regelt die Polizei intern.“ – ein Grundsatz, der nicht nur mit demokratischen Rechtsstaatprinzipien unvereinbar ist, sondern auch dazu führt, dass Polizist*innen auch für schwere Vergehen in der Regel ohne größere Konsequenzen davon kommen. Darum brauchen wir in allen Bundesländern und auf Bundesebene unabhängige Polizeibeauftragte mit einem großen Personalstab und Ermitlungsbefugnissen, an die sich alle Menschen, auch Polizist*innen, bei Beschwerden wenden können. Gleichzeitig entsteht Corpsgeist vor allem in abgeschlossenen Einheiten wie Einsatzhundertschaften und der Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit.
Racial Profiling und Rassismus in der Polizei
Für viele PoC und auch für andere marginalisierte Gruppen ist Rassismus in Deutschland Alltag. Insbesondere betroffen sind sie aber von polizeilichem Rassismus, der sich besonders in Racial Profiling äußert. Die Kontrolle von PoC an Bahnhöfen, öffentlichen Plätzen und sogenannten „gefährlichen Orten“ ist an vielen Stellen eher die Regel als die Ausnahme. Durch die häufigere Kontrolle werden bei PoC, die, bspw. in Fällen des sogenannten „Ausländerrechts“ ohnehin häufig schon mehr Straftaten begehen können, auch mehr Straftaten festgestellt. Das führt, neben der sozialpolitischen Ausgrenzung, insbesondere von Geflüchteten, zu der „Analyse“, PoC würden mehr Straftaten begehen, was wiederum zu mehr Kontrollen führt, und so weiter.
Es bleibt die Frage, was dagegen getan werden kann. Einige Lösungsansätze präsentieren wir oben. Wichtig ist aber auch der Einsatz der Zivilgesellschaft. Wir solidarisieren uns mit Initiativen gegen rassistische und diskriminierende Kontrollen und Racial Profiling und rufen dazu auf, selbst tätig zu werden und einzuschreiten, wenn rassistische und diskriminierende Kontrollen durchgeführt werden. Daneben muss ein stärkerer Fokus in der Ausbildung und der Dienstaufsicht auf das Bewusstsein über diskriminierende Denkmuster und Strukturen gelegt werden. Im Übrigen bekräftigen wir unseren Beschluss vom 46. Bundeskongress mit dem Titel „Strukturellen Rassismus in Polizeiarbeit und Strafrecht bekämpfen!“
Bewaffnung und Aufrüstung der Polizei
Viele der Waffen in den Händen der Polizei werden leichtfertig oder verfrüht eingesetzt. Außerdem ist oft unklar, wann, wie und wo Waffen eingesetzt wurden. Darum erneuern wir unsere Forderung nach einer grundlegenden Dokumentationspflicht beim Einsatz von jeglichen Waffen. Außerdem müssen bestimmte Waffen, die auf Grund ihres Wesens als nicht tödlich angesehen werden, aber tödlich sein können, ganz aus dem Polizeiarsenal verschwinden. Insbesondere sogenanntes Pfefferspray und Elektrotaser können tödliche Folgen haben, die Polizist*innen beim Einsatz aber nicht abschätzen können. Daher dürfen sie nicht eingesetzt werden. Auch die Entwicklung der neuen Polizeigesetze, dass die Polizei Handgranaten, auch gegen Menschen, einsetzen darf, lehnen wir entschieden ab. Oft wird das Tragen von Waffen auch mit der Selbstverteidigung gerechtfertigt. Hier müssen andere Ansätze und Lösungen gefunden werden. Den Ausbau von Schutzmaßnahmen sowie die Entwicklung von Systemen, die Betroffene nicht verletzen, unterstützen wir.
Den Einsatz von Bodycams lehnen wir grundsätzlich ab. Die zwei existierenden Modelle setzen grundlegende Eingriffe in die Privatsphäre voraus. Es gibt ein Modell, bei dem nur der*die jeweilige Polizist*in entscheiden kann, ob Aufnahmen gespeichert werden, dies lehnen wir aus dem offensichtlichen Grund ab, dass damit Betroffene nicht geschützt werden können. Das zweite Modell, das dauerhaft aufnimmt, ist ein so grundlegender Eingriff in die Privatsphäre der Aufgenommenen, dass auch dieses Modell nicht eingesetzt werden sollte. Darüber hinaus ist in beiden Modellen nicht geklärt, wie die aufgenommenen Daten so gesichert werden, dass sie nicht für Dritte zugänglich sind aber eben auch nicht ausschließlich im Gewahrsam der Polizei aufbewahrt werden.
Sogenannte polizeiliche „Präventiv“-Eingriffe
Die massive Ausbreitung von polizeilichen Ermittlungen bereits in das Vorfeld von eventuell strafrechtlich relevantem Handeln lehnen wir ab. Die Antwort auf die Abschaffung von Inlandsgeheimdiensten kann nicht die Übertragung der Befugnisse auf die Polizei sein. Was wir bisher nicht zuletzt aus unserem Rechtsverständnis abgelehnt haben, wird nicht dadurch richtiger, dass dies durch die Polizei durchgeführt wird.
Wir reformieren Justiz und Staatsanwaltschaft!
Damit gerade von Diskriminierung betroffene Personen ein Leben frei von Angst führen können müssen wir auch den Bereich der Justiz und Staatsanwaltschaft beachten. Gerade beim Erkennen und Benennen von Hasskriminalität nimmt dieser Bereich eine entscheidene Rolle ein. Dafür ist es nicht nur wichtig, dass es auch hier Schulungen dazu gibt, sondern die Justiz insgesamt besser finanziell ausgestaltet wird um die zeitlichen Kapazitäten zu schaffen, Hasskriminalität zu erkennen und sich vor allem auch den Opfern von dieser ausreichend widmen zu können. Darüber hinaus müssen wir gerade auch in diesen Bereichen darauf achten, dass die Diversität der Gesellschaft repräsentiert ist. Eine Frau mit Kopftuch ist Teil der Gesellschaft und muss daher auch selbstverständlich in einen Gerichtssaal gehören. Um diese Repräsentanz gewährleisten zu können, müssen wir diskriminierende Gesetzte abschaffen. Auch gerichtliche Konstellationen, die von vornherein diskriminierend sind, wollen wir abschaffen. Dies betrifft insbesondere Asylverfahren.
Verfassungsschutz abschaffen, ein für alle Mal
Die Bundes- und Landesämter für Verfassungsschutz haben nicht nur in den Fällen des NSU und Anis Amri immer wieder gezeigt, dass sie nicht vor Leid und Gefahr schützen, sondern oft im Gegenteil insbesondere rechte Strukturen noch mitfinanzieren. Das Konzept eines Inlands-Geheimdienstes, der die Aufgabe hat, das zu schützen, was Konservative als Mehrheitsgesellschaft verstehen, lehnen wir in aller Deutlichkeit ab. Eine Gesellschaft, wie sie sich der Verfassungsschutz als demokratiekonform vorstellt, ist eine unfreie und angepasste Gesellschaft, eine Vorstellung, die wir aus radikal emanzipatorischer Perspektive deutlich ablehnen. Bis der Verfassungsschutz endlich abgeschafft ist, müssen wir aber auch damit umgehen, dass er aktuell existiert. Mit diesem Beschluss schließen wir uns dem der GRÜNEN JUGEND Niedersachsen von 2018 an und fordern:
- das Ende des V-Leute-Systems
- die Auflösung der Beurteilungskriterien „linksextrem“, „rechtsextrem“ und „Ausländerextremismus“ (sic!) sowohl beim Bundesverfassungsschutz, als auch in den Landesverfassungsschutzämtern und beim Staatsschutz
- die Überführung der parlamentarischen Kontrolle in die Öffentlichkeit
- die Entbindung von Aufgaben der Bekämpfung von Spionage
Darüber hinaus lehnen wir die von Innenminister Seehofer geforderte Ausdehnung der Befugnisse des Verfassungsschutzes auf Online-Durchsuchungen und die Überwachung von Kindern ab.
Gegen rechte Strukturen in Bundeswehr und MAD vorgehen!
Zwei zentrale Punkte werden innenpolitisch dauerhaft in Bezug auf die Bundeswehr diskutiert: Rassistische und rechtsextreme Strukturen innerhalb der Bundeswehr und die Frage nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern. Unsere Antwort auf diese Fragen ist eindeutig:
1. Rechtsextreme Strukturen wie das Netzwerk um "Hannibal" oder Franco A. wurden zu lange heruntergespielt, „übersehen“ oder zu Einzelfällen deklariert. Rassismus und Rechtsextremismus werden aber von der autoritären Struktur der Bundeswehr begünstigt, außerdem zieht sie durch diese Struktur überproportional Menschen an, die autoritäre Einstellungen ohnehin schon haben. Daraus folgt zweierlei: Zum Einen muss der Bundeswehr der autoritäre Charakter genommen werden. Das harte Bestrafungssystem und quälende Ausbildungsmethoden dürfen nicht mehr angewendet werden. Gleichzeitig müssen rechtsextreme Netzwerke von Unabhängigen ohne Tabus aufgeklärt werden. Es darf nicht sein, dass Rechtsextreme Zugang zu Kriegswaffen und scharfer Munition haben.
2. Bislang darf die Bundeswehr nur im Fall von Katastrophen und bei "innerem Notstand" eingesetzt werden. Einer Ausweitung dieser Befugnisse stehen wir entschieden entgegen. Allerdings kritisieren wir auch die bisher bereits bestehenden Rechte. Bei G20, Anti-Nazi-Demos und Kohleprotesten haben wir bereits gesehen, dass vermeintlich Konservative den Traum haben, die Bundeswehr gegen Aktivist*innen einzusetzen. Dies, begründet auf dem „inneren Notstand“, würde bedeuten, die Axt an die Grundfesten der Demokratie zu setzen. Auch die Regelung für Katastrophenfälle ist für uns kein Grund dafür, die Tür für den Einsatz der Bundeswehr offen zu lassen. Die Aufgaben die dabei aktuell die Bundeswehr übernimmt können durch einen zivilen Krisendienst angelehnt an das technische Hilfswerk deutlich besser durchgeführt werden.
Der militärische Abschirmdienst ist, so die Selbstbeschreibung, dafür zuständig, „politischen Extremismus“ in der Bundeswehr frühzeitig zu erkennen und die betreffenden Personen zu beobachten bzw. zu sanktionieren. Er nimmt damit also de facto die Rolle des Verfassungsschutzes ein. Und analog zum Bundesamt für Verfassungsschutz hat auch der MAD massive strukturelle Probleme bei der Bekämpfung rechter Strukturen. Vor allem Verharmlosung und die Tendenz, von Einzelfällen zu sprechen, sind die zentralen Probleme. Hinzu kommt, dass der MAD fast ausschließlich aus ehemaligen Soldat*innen und Mitarbeiter*innen des Verteidigungsministeriums besteht, die auf Grund ihrer vorherigen Tätigkeit keinen neutralen Blick haben. Daher fordern wir, den MAD aufzulösen. Die Bekämpfung menschenfeindlicher Tendenzen soll in Zukunft durch eine Kooperation einer zu schaffenden Sonder-Anwaltschaft, dem wissenschaftlichen Institut zur Analyse diskriminierender Gewalt und menschenfeindlicher Strukturen und den allgemeinen Sicherheitsbehörden erfolgen. Die restlichen Aufgaben des MAD können in die allgemeine Zuständigkeit der Bundeswehr überführt werden.
Zukunft des Bundesnachrichtendienstes
Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist als Auslandsgeheimdienst in der Theorie dafür zuständig, Gefahren von außen frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. Allerdings lassen sich hierbei immer wieder strukturelle und inhaltliche Probleme feststellen, die nicht zu überwinden sind. So hat der BND in der Vergangenheit massiv Rechtsbruch begangen, bspw. durch nicht rechtmäßige Datenverarbeitung und Datenweitergabe oder die Behinderung der Kontrolle; das bestätigen auch Bundesdatenschutzbeauftragte. Offenbar scheint der BND in den letzten Jahren den Versuch unternommen zu haben, Deutschland im digitalen Zeitalter zu sichern, allerdings lässt sich relativ schnell erkennen, dass er dafür a) nicht gerüstet ist und b) an der falschen Stelle ansetzt.
Unsere Antwort im Bereich der digitalen Sicherheit muss statt des massiven Ausspähens und widerrechtlicher Datenweitergabe doch vor allem in der Sicherheit der Einzelnen und der Behörden vor digitalen Angriffen liegen. Dafür brauchen wir allerdings dringend einen deutlichen Ausbau der digitalen Grundkompetenzen in der gesamten Bevölkerung. Außerdem müssen wir den Weg weg von proprietärer Software, die oft Sicherheitslücken zulässt oder sogar bewusst einschleust und hin zu mehr Open Source und Transparenz gehen. Dazu gehört auch, dass der BND und Partner*innen keine Sicherheitslücken bewusst herstellen dürfen um Menschen ausspähen zu können. Um die Probleme bei der Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten in den Griff zu bekommen, gibt es keine andere Möglichkeit, als diese sukzessiv abzubauen und stattdessen auf die Zusammenarbeit im Bereich der IT-Infrastruktur zu setzen. So können wir auch die relevante Infrastruktur besser vor Angriffen schützen.
Langfristig müssen wir jedoch grundlegend hinterfragen, ob ein Auslandsgeheimdienst, insbesondere in Form des BND, notwendig ist. Letztendlich sind die strukturellen Probleme nämlich so groß, dass bei deren Abbau keine Handlungsfelder mehr für den BND übrig bleiben – der BND wird damit obsolet und gehört abgeschafft.
Unsere Forderungen an Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Sanitäter*innen
Wenn Innenpolitik heißt, Menschen ein Leben frei von Angst zu ermöglichen, wird ein Bereich der Innenpolitik häufig vernachlässigt: Die Versorgung von Menschen in Notfällen und die Prävention, bereits bevor Notfälle passieren können. Feuerwehr, THW und Sanitäter*innen sind grundlegende Säulen der öffentlichen Daseinsfürsorge und müssen vor allem in die praktisch-präventive Arbeit noch stärker einbezogen werden. Viel zu häufig werden Dinge wie Brandschutz und Fluchtwege eher als lästiges Übel denn als sinnvolle Präventionsmaßnahme wahrgenommen. Hier muss, auch durch die verstärkte praktische Konsultation dieser Berufsgruppen, ein anderes Bewusstsein geschaffen und ganz praktisch Hilfe angeboten werden. Dafür müssen wir diese Strukturen deutlich besser finanzieren und mehr Menschen in diese Berufe bringen. Gerade in den letzten Jahren und Jahrzehnten sind es Strukturen wie die Feuerwehr und Rettungssanitäter*innen, die in ländlichen Räumen immer weiter abgebaut werden und wurden, sodass es in Ernstfällen sehr lange dauern kann, bis Menschen zur Hilfe kommen.
Bisher wurde dann häufig versucht, dies mit dem Konstrukt der freiwilligen Feuerwehr aufzufangen, die an vielen Orten auch einer der letzten sozialen Räume ist. Leider sind diese, wie viele andere Räume auch, besonders anfällig für Diskriminierung und Rassismus. Und deshalb ist es besonders problematisch, dass die Rettung von Menschen Strukturen obliegt, die in besonderer Weise anfällig sind für diskriminierende Haltungen. Daher dürfen wir uns nicht länger auf die Freiwilligen bei der Rettung anderer Menschen verlassen. Hier bedarf es professioneller Strukturen, die im Zweifelsfall auch deutlich einfacher zur Rechenschaft gezogen werden können.
Ein Leben ohne Angst vor Behörden!
Auch in anderen Bereichen des Alltags, die häufig in innenpolitischen Debatten nicht mitgedacht werden, ist die Frage eines Lebens ohne Angst häufig von strukturellen Problemlagen abhängig. Im alltäglichen Kontakt mit dem Staat, sei es beim Bürger*innenamt, beim Kontakt mit dem Ordnungsamt oder beim Beantragen des Kitagutscheins beim Jugendamt. In all diesen Bereichen muss es selbstverständlich sein, dass die Struktur der Mitarbeiter*innen die Diversität der Bevölkerung widerspiegelt. Es kann nicht sein, dass ein vermeintlicher Migrationshintergrund dazu führt, dass eine Person vor Behördenbesuchen Angst hat, oder dass vermeintlich migrantische Betriebe sehr viel häufiger von Durchsuchungen des Ordnungsamtes betroffen sind. Denn auch das ist eine, wenn auch noch seltener als solche wahrgenommene, Form von Racial Profiling! Um dem entgegenzuwirken muss eine klare Schulung gegen Racial Profiling und anderes diskriminierendes Verhalten wichtiger Bestandteil in der Ausbildung und Fortbildung der Mitarbeiter*innen von Ordnungsamt und Behörden sein. Darüber hinaus wollen wir explizit für mehr Vielfalt bei der Auswahl der Mitarbeiter*innen werben und strukturelle Diskriminierungen auch in der Einstellungspraxis abschaffen.
Links und Referenzen
Beschlusslage der GRÜNEN JUGEND Niedersachsen zum Verfassungsschutz, beschlossen auf der Landesmitgliederversammlung im April 2018: https://gj-nds.de/blog/2018/04/verfassungsschutz-abschaffen-der-fehler-liegt-im-system/
Beschluss vom 46. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND zu Racial Profiling: https://gruene-jugend.de/strukturellen-rassismus-in-polizeiarbeit-und-strafrecht-bekaempfen/