Veranstaltung: | 2. Länderrat 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | A Aktuelle politische Lage |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | 2. Länderrat 2022 |
Beschlossen am: | 17.12.2022 |
Eingereicht: | 19.12.2022, 10:40 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Für ein Bürger*innengeld, das den Namen verdient – weg mit Hartz IV!
Beschlusstext
Arm gegen Ärmer – die politische Instrumentalisierung der
Union
Die wochenlange Debatte über das Bürger*innengeld wurde insbesondere von Union
und AfD für eine Instrumentalisierung von Armen gegenüber den Ärmsten gezielt
genutzt, um damit ihr eigenes Narrativ zu stützen, welches im Bürger*innengeld
eine unrechtmäßige Abkehr vom System „Hartz IV“ sieht. Tagelang wurde über
einzelne Aspekte der Reform gestritten, ohne die tatsächlich Betroffenen auch
nur im Geringsten einzubinden – über ihre Köpfe hinweg und an der Lebensrealität
vieler Menschen vorbei. Armenhass und kontrafaktische Narrative statt
demokratische Verantwortung für die Schwächsten in der Gesellschaft – das ist
die Politik von Union und AfD.
Für uns ist klar: Wir sind solidarisch mit allen, die in Sozialleistungsbezug
fallen! Wir wehren uns gegen jegliche Stigmatisierung arbeitsloser Menschen und
das Ignorieren ihrer finanziellen Not. Die Union spielt Arme gegen Ärmere aus
und reproduziert unsachgemäße Stereotype zu Arbeitslosen- Und das vor allem für
den politischen Geländegewinn. Das ist besonders in Zeiten multipler sozialer
Krisen unfassbar.
Ein fauler Kompromiss – untragbare Abstriche
Der im Vermittlungsausschuss des Bundesrats entstandene Kompromiss, der ein
Wegfallen der Vertrauenszeit von 6 Monaten vorsieht, ist für uns als Verband ein
nicht hinnehmbarer Beschluss, da nur Sanktionsfreiheit eine Abkehr vom
menschenfeindlichen Bild des*der Sozialschmarotzer*in bedeutet. Für uns steht
fest: Die Beibehaltung verfassungswidriger Sanktionsregime, wie dies vom
Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde, ist nicht vereinbar mit unseren
Vorstellungen eines solidarischen Sozialstaates. Wir setzen auf Ermächtigung und
Vertrauen, nicht Kontrolle und Drangsalierung.
Auch mit Sicht auf Langzeiterwerbstätige, die durch Schicksalsschläge in die
Arbeitslosigkeit geraten, sehen wir gravierende Mängel in der vorgelegten
Reform, insbesondere in der durch die Union mitgestalteten Kompromissfassung.
Eine Kürzung des Schonvermögens um ein Drittel (auf 40.000€) für die
Empfänger*innen und eine Halbierung des anrechnungsfreien Vermögens für dem
Haushalt angehörige Menschen auf nur 15.000€ (statt 30.000€) ist nicht
akzeptabel, da langjährige Erwerbstätigkeit nicht durch einzelne Begebenheiten
zunichte gemacht werden darf.
Statt der ursprünglich angedachten 2 Jahre, in der Bezieher*innen ihre Wohnung
nicht räumen und eine kleinere beziehen müssen, sollen
Bürger*innengeldbezieher*innen nun bereits nach nur einem Jahr potentiell ihre
gewohnten vier Wände verlassen müssen. Wohnraum ist ein Grundrecht. Menschen
können und dürfen nicht ihrem Umfeld entrissen werden, nur weil Behörden ihre
Wohnungsgröße für unangemessen halten. Auch wenn die Union in den letzten Wochen
wiederholt die Sorge vor Bürger*innengeldempfänger*innen, die Luxus-Lofte
beziehen und Sozialleistungen empfangen, befeuert hat, sieht die Realität für
die meisten im Bezug gänzlich anders aus. Einengende Räumlichkeiten, Verdrängung
an den Stadtrand, da dort die Mieten in der Regel niedriger ausfallen und
unzureichende Miteinbeziehung persönlicher und gesundheitlicher Gründe für die
Auswahl der jeweiligen Wohnung und ihrer Lage – all das stellt keine Seltenheit
dar.
Sozialstaat bedeutet Unterstützung – nicht Gängelung durch
Sanktionen
Für uns ist klar: Bei der Reform zum Bürger*innengeld kann es nicht bleiben.
Selbst vor der Einigung mit der Union hat der Vorschlag der Ampelregierung nicht
dem entsprochen, was eigentlich für eine menschenwürdige Grundsicherung nötig
wäre.
Eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes war schon lange bitter nötig, die
kommende Erhöhung um 50 Euro, stellt in der aktuellen Situation jedoch
allenfalls eine Inflationsbereinigung dar.
Damit eine Regelsatzerhöhung in dieser Legislaturperiode noch kommt, wie es
bereits parteiinterne Beschlusslage ist, werden wir uns weiterhin bei den Grünen
dafür einsetzen.
Auch Sanktionen lehnen wir weiterhin grundsätzlich ab. Sie drangsalieren, lähmen
und zwingen Menschen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Aber das darf nicht das Ziel einer menschenwürdigen Grundsicherung sein. Viele
Menschen sind unfreiwillig arbeitslos und sie haben das Recht auf eine echte
Unterstützung, statt einer Bestrafung
Armut bekämpfen statt verwalten
Wir fordern ein radikales Umsteuern der Ampel. Hartz IV und all seine
Abkömmlinge müssen weg. Daher setzen wir uns in unserem politischen Kampf für
folgende Maßnahmen ein:
- Ein Ende der Sanktionen beim Bürger*innengeld
- Deckelungsfreies Schonvermögen
- Eine armutsfeste Grundsicherung von 1.100€ (mit Möglichkeit zur
Beantragung individuellen Mehrbedarfs)
- Inflationsbereinigte halbjährliche Anpassung des Regelsatzes und seiner
Bausteine (Bildung, Wohnung, Kultur und Freizeit, etc.)
- Wohnungsbeibehalt während des gesamten Bezugs statt Karenzzeit
- Regelmäßige Feedbackgespräche zwischen Sachbearbeiter*innen und
Bezieher*innen. Jobcenter sollten ein ermutigender Ort sein, in dem
Menschen Unterstützung in ihrer Entwicklung erfahren. Die Realität ist
durch die knappen Recourcen und den Druck, der durch Sanktionen entsteht
oft eine andere. Deswegen setzen wir uns auch für eine bessere personelle
und finanzielle Austattung von Jobcentern ein.
- Die Überführung von Kindersatz und Kindergeld in eine Kindergrundsicherung
für alle, die das Existenzminimum sichert
- Hinzuverdienstgrenzen abschaffen (insbesondere für Angehörige von
Bezieher*innen)
- Automatische Auszahlung bei Fehlen eines Lohnarbeitsverhältnisses, um
bürokratische Hürden abzubauen, mehr Recourcen in den Jobcentern für die
Unterstützung frei zu machen und Stigmatisierung entgegen zu wirken
- Einführung einer Jobgarantie durch gemeinwohlorientierte und garantierte
Vollbeschäftigung über staatliche Job-Angebote. Diese Angebote sollen für
alle zugänglich sein, die aufgrund von struktureller Ausgrenzung vom
Arbeitsmarkt und Wettbewerb zwischen den Arbeitnehmer*innen derzeit keine
Beschäftigung realisieren können, aber gerne einer gesellschaftlich-
sinnvollen Tätigkeit nachkommen würden. Dieses Angebot muss sich an den
aktuell auf dem Arbeitsmarkt geltenden Standards wie Mindestlohn,
Urlaubsanspruch und Zugang zu Sozialversicherung orientieren.
Armut ist und bleibt keine Entscheidung. Die aktuelle Reform von Hartz IV hin
zum Bürger*innengeld ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass mit ihr ein
menschenwürdiges Leben ohne Existenzängste immer noch nicht möglich ist.
Eine Welt, in der niemand arm sein muss ist möglich. Wir kämpfen weiterhin
dafür.