Veranstaltung: | 2. Länderrat 2022 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | A Aktuelle politische Lage |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | 2. Länderrat 2022 |
Beschlossen am: | 17.12.2022 |
Eingereicht: | 19.12.2022, 10:30 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Frau, Leben, Freiheit!
Beschlusstext
Frau, Leben, Freiheit!
Der Mord an Jina Mahsa Amini, eine junge iranische Kurdin, war ein staatlicher
Femizid ausgeführt durch die Sittenpolizei des Mullah-Regimes. Tausende Frauen,
queere Menschen und Jugendliche strömen seit dem Mord an Jina Mahsa Amini auf
die Straßen, einige reißen sich öffentlich das Kopftuch ab und legen sich mit
dem Repressionsapparat an, der die Proteste auf brutalste Weise eindämmen will.
„Jin, Jiyan, Azadi – Zan, Zendegi, Azadi! Frau, Leben, Freiheit“ – ist der
Leitspruch der Proteste. Unter diesem Aufruf haben kurdische Frauen ihren
Widerstand bereits gegen die islamische Terrorgruppe ISIS organisiert und
bekräftigt. Heute, im Iran, organisieren sie sich in ihrem Kampf für Demokratie
und Freiheit. Die Protestbewegung ist aber keine rein weibliche – auch Männer,
Junge und Alte gehen auf die Straße und unterstützen den Aufstand gegen die
Unterdrückung. Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Iran sind seit Jahren
schlecht.
Viele Iraner*innen leben in heftiger Armut, einige haben nicht einmal Zugang zu
sauberem Trinkwasser, während Angehörige des Mullah-Regimes ein Luxusleben
führen und die Gewinne aus der Ölwirtschaft an einige wenige gehen.Auch deswegen
wird die Protestbewegung zunehmend von Arbeiter*innen unterstützt, die ihre
Betriebe, wie die Ölraffinerien, bestreiken.
Immer mehr mehr Menschen wehren sich gegen die islamistisch motivierte
Unterdrückung von Frauen, von Homosexuellen, von queeren Menschen, gegen Armut,
gegen ihre wirtschaftliche Ausbeutung – kurz: sie begehren auf gegen ein Regime,
das ihre Rechte und ihr Wohlergehen verachtet. Das Wesen des Regimes der
Islamischen Republik besteht aus reiner Gewalt unnd Terror, ist ein staatlicher
Förderer des Terrorismus, der auch gegen die eigene Zivilbevölkerung mit
exzessiver Gewalt und Terror vorgeht und deren Protest niederschlägt: Tausende
Protestierende wurden seit Beginn der Aufstände inhaftiert, viele wurden
gefoltert, einige Demonstrant*innen sogar getötet. Trotzdem gelingt es dem
mächtige Repressionsapparat der islamischen Republik nicht, diese revolutionäre
Bewegung zu beenden. Eine Bewegung, die Gleichberechtigung, Menschenrechte und
Freiheit anstrebt, wird sich am Ende gegen Unrecht und Diktatur durchsetzen,
daran hält sich die Mehrheit der Iraner*innen fest.
Die Wut ist keine neue
Schon kurz nach der islamischen Revolution 1979 wurde der Verschleierungszwang
eingeführt. Frauen waren damit die erste Gruppe, deren Grundrechte direkt nach
der Revolution von der islamischen Führung eingeschränkt wurde. Schon damals
versammelten sich Frauen und protestierten tagelang gegen die Einschränkung
ihrer Freiheiten. In den folgenden Jahren wurden Oppositionelle verfolgt,
gefoltert und ermordet, Kurd*innen diskriminiert und ein immer brutalerer
Machtapparat aufgebaut. Auch hat das Regime im Iran jahrelang versucht, Gruppen
im Land gegeneinander auszuspielen, so auch die Mehrheitsgesellschaft gegen die
Kurd*innen. Aber jetzt, unter dem Slogan »Frau, Leben, Freiheit« kommen alle
zusammen.
Solidarität mit dem Freiheitskampf!
Es sind die Menschen im Iran, die ihr Schicksal in die Hand nehmen und für
Freiheit einstehen. Es ist unsere Aufgabe, sie dabei bestmöglich zu
unterstützen.
Was zu tun ist:
- Als Grüne Jugend unterstützen wir die Demonstrationen in Deutschland,
mobilisieren zu ihnen und beteiligen uns mit unseren Kreisverbänden vor
Ort in der Organisierung ebendieser. Wir unterstützen das besondere
Engagement der iranischen Exilgesellschaft in Deutschland in ihrem Kampf
für Freiheit und Demokratie im Iran und stellen ihnen im Rahmen unserer
Möglichkeiten Kompetenzen und Ressourcen für ihre Aktivitäten zur
Verfügung.
- Wir sehen es als unser unmittelbares Handlungsfeld, sicheres politisches
Engagement für Exil-Iraner*innen in Deutschland zu ermöglichen. Deswegen
setzen wir uns für die Schließung des islamischen Zentrums in Hamburg ein,
welches eng mit dem Regime im Iran verstrickt ist.
- Die Revolutionsgarde muss offiziell als Terrororganisation eingestuft
werden und ein weitreichendes Einreiseverbot für Mitglieder verhängt
werden. Alle Immobilien und Vermögen von natürlichen und juristischen
Personen, die den Revolutionsgarden zugeordnet sind, sind zurückzuführen,
zu beschlagnahmen und den Personen Zugriff auf mögliche Konten zu
verwehren.
- Darüber hinaus ist es die Aufgabe der Bundesregierung, den behördlichen
Schutz für Exil-Iraner*innen zu ermöglichen.
- Wir brauchen einen sofortigen Abschiebestopp in den Iran. Die
Einreisesperre für bereits abgeschobene Menschen muss zurückgenommen
werden und allen Iraner*innen ein Bleiberecht gewährt werden.
- Es braucht schnellstmöglich eine unbürokratische und bedingungslose
Aufnahme geflüchteter Menschen aus dem Iran – zum Beispiel durch Bundes-
oder Landesaufnahmeprogramme.
- Menschen, die direkt oder indirekt mit oder für die Bundesrepublik
Deutschland gearbeitet haben, sind durch ihre Tätigkeit und ihr Engagement
gefährdert. Die Bundesregierung trägt besondere Verantwortung diese
Menschen zu schützen und ihnen und ihren Familienangehörigen die Einreise
nach Deutschland zu ermöglichen.
- Sanktionen, die die Bevölkerung des Irans treffen, sind kontraproduktiv.
Sinnvoll sind gezielte Sanktionen gegen Einzelpersonen und Organisationen,
die mit dem Regime verstrickt sind und es unterstützen. Dazu gehört neben
einem Kooperations- und Betätigungsverbot auch die Konfiszierung von
Einkommen und Vermögen sowie die strafrechtliche Verfolgung.
- Der Zugang zum freien Internet ist für die mutigen Menschen im Iran
notwendig, um auf der einen Seite miteinander zu kommunizieren und auf der
anderen Seite, internationale Aufmerksamkeit und Solidarität zu erzeugen.
Das Regime der islamischen Republik schränkt diesen Zugang immer weiter
ein. Die vielen Initiativen aus Zivilgesellschaft, Unternehmen und auch
Regierungen, diese Sperren zu umgehen und weiterhin Kommunikation zu
ermöglichen sind eine Form praktischer Solidarität!
- Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, Wege zu finden, Oppositionelle
direkt zu unterstützen. Dafür braucht es einen engen Dialog mit der
Protestbewegung, um auszuloten, welche Unterstützung vor Ort tatsächlich
hilfreich ist
- Wir setzen uns für eine Welt frei von Atomwaffen ein. Ob man mit dem
gewaltvollen Mullah-Regime verlässliche Abmachungen eingehen kann, ist
zurecht umstritten. Dementsprechend ist es richtig, dass die Verhandlungen
zum Atomwaffenvertrag weiterhin gestoppt bleiben.
Gemeinsam für Freiheit und Menschenrechte,
überall!
Das außenpolitische Handeln der Bundesregierung ist widersprüchlich und bei
weitem nicht nur wertegeleitet. Während die Kurd*innen in Ostkurdistan im Iran
treibende Kraft für die Revolution sind, werden sie in Südkurdistan von der
Türkei angegriffen. Mittlerweile häufen sich die Berichte, dass es sich um
Giftgasangriffe handelt. Hierzu schweigt die Bundesregierung, wie schon bei den
Angriffen auf Nord-Ost-Syrien.
Die Bundesregierung muss sich für eine unabhängige Aufklärung einsetzen, ob es
sich tatsächlich um Giftgasangriffe handelt. Sie muss die völkerrechtswidrigen
Angriffe in Nord-Ost-Syrien (Rojava) klar verurteilen, und sich für ihr Ende
einsetzen. Es sind auch Waffen aus Deutschand, die bei den imperialistischen
Angriffen durch Deutschlands NATO-Partner Türkei eingesetzt wurden.
Hier sehen wir, was passiert, wenn der Anspruch eines werteorientierten Handelns
nicht mit der Interessenslage des Staates zusammen fallen. Wir kämpfen für eine
Welt , in der das Wohl des einen nicht auf dem Leid des anderen fußt. Eine Welt
ohne Krieg, Ausbeutung und Diskriminierung. Eine Welt, in der die Menschenrechte
im Mittelpunkt des politischen Handeln stehen. Diesen Anspruch erhebt die
Bundesregierung mit dem Bekenntnis zu feministischer Außenpolitik ebenfalls an
sich. In den Momenten, wo wertegeleitetes Handeln notwendig wäre, auch wenn es
sich gegen die eigenen Staats- und Kapitalinteressen richtet, sehen wir aber,
dass die Regierung ihren Anspruch verfehlt. Für uns bedeutet das nur umso mehr:
Wir stehen solidarisch an der Seite der Kurd*innen! Die Beziehungen zwischen
Staaten ist von Abhängigkeiten und geopolitischen, oft wirtschaftlichen
Interessen geprägt.
Als Linke stellt uns das vor die Herausforderung, wirkmächtige Handlungsfelder
zu erkennen und zu nutzen. Dass die Situation im Iran auch hier in Deutschland
Hunderttausende auf die Straßen treibt, zeigt, wie groß das Potential für
internationale Solidarität ist. Hieran können wir anknüpfen. Wenn das Regime
Internet und Messenger abschaltet, um die Stimmen der Proteste im Iran zu
ersticken, dann stehen wir umso lauter für die mutigen Menschen im Iran ein. Als
internationalistische Feminist*innen, als Unterstützer*innen der revolutionären
Kräfte im Iran, müssen wir jetzt das Machbare tun, um die Kräfte vor Ort zu
unterstützen.
Internationale Solidarität brauchen wir auch dann, wenn diejenigen, die für
Freiheit kämpfen, gerade keine internationale Bühne haben, wenn sie in der
Minderheit sind und wenn noch viel Aufbauarbeit zu leisten ist. Wie wir sie auf
der einen Seite durch die direkte Verbindung zu Akteuren im Ausland und auf der
anderen Seite durch den Druck auf die eigene Regierung unterstützen können, sind
Fragen, denen wir uns als GRÜNE JUGEND im nächsten Jahr vermehrt annehmen
werden. Wir wollen dabei an dem Aufbau einer internationalistischen Linken
arbeiten, die in globalen Fragen nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen
kann, sondern international miteinander vernetzt eine echte Schlagkraft
entwickeln kann.