| Veranstaltung: | 2. Länderrat 2020 | 
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | P - Aktuelle politische Lage | 
| Status: | Beschluss | 
| Beschluss durch: | 2. Länderrat 2020 | 
| Beschlossen am: | 26.07.2020 | 
| Eingereicht: | 27.07.2020, 15:13 | 
| Antragshistorie: | Version 1   | 
Dringlichkeitsantrag: Nazi-Netzwerke konsequent aufdecken und bekämpfen
Beschlusstext
In den letzten Tagen und Wochen sind immer mehr Details über die Drohbriefe des 
selbsternannten „NSU 2.0“ ans Licht gekommen. Fast täglich gibt es neue 
Nachrichten über Drohbriefe und -mails, die an Politiker*innen, Anwält*innen, 
Journalist*innen, Kabarettist*innen und weitere Personen gingen, die sich in 
verschiedenen Kontexten bereits gegen Nazis eingesetzt haben. Ihnen gilt unsere 
uneingeschränkte Solidarität. Bereits seit 2018 wurden immer wieder Drohbriefe 
verschickt. Dabei wurden zum Teil persönliche, nicht öffentlich verfügbare Daten 
verwendet, die zuvor aus Polizeicomputern in Wiesbaden und Frankfurt abgerufen 
wurden. Tatverdächtige konnten nicht ermittelt werden; die Polizist*innen, deren 
Konten benutzt wurden, werden lediglich als Zeugen geführt. Es ist 
offensichtlich, dass die hessische Polizei entweder nicht willens, oder nicht in 
der Lage ist, die dringend notwendige umfassende Aufklärung zu leisten.Deswegen 
muss Aufklärung von außen erfolgen. Wir fordern die sofortige Übernahme der 
Ermittlungen durch die Generalbundesanwaltschaft. Die dafür notwendige 
Voraussetzung, der Anfangsverdacht der Bildung einer terroristischen 
Vereinigung, ist mehr als naheliegend. Dabei müssen alle beteiligten 
Polizist*innen sofort umfassend vernommen und mögliches Beweismaterial 
sichergestellt werden. Bisher ist dies nicht vollumfänglich erfolgt. 
Gleichzeitig ist wenig darüber bekannt, wie die Akteur*innen hinter den 
Drohbriefen agieren und wie weit sie zu gehen bereit sind. Deshalb fordern wir 
jetzt umfassende Schutzmaßnahmen für die Betroffenen, bevor die Akteur*innen die 
Möglichkeit haben, den Drohungen Taten folgen zu lassen.
Im Zusammenhang mit den ersten Ermittlungen im Jahr 2018 wurde schnell klar, 
dass im Frankfurter Polizeirevier offenbar eine Vernetzung rechtsextremer 
Polizist*innen existierte. Das zeigt, dass hier nicht nur Einzeltäter*innen am 
Werk sind, sondern gezielt und organisiert Angst verbreitet werden soll. Darüber 
hinaus wird durch die Drohungen an die Berliner Abgeordnete Anne Helm eine 
Verbindung ins Berliner Nazi-Milieu deutlich. Gerade wenn Sicherheitsbehörden an 
extrem rechten Strukturen offenbar maßgeblich beteiligt sind, muss umfassend und 
unverzüglich dafür Sorge getragen werden, dass schonungslos aufgeklärt wird und 
dass die handelnden Akteur*innen nicht die Möglichkeit bekommen, ihre Taten 
fortzusetzen. Extrem rechte Strukturen in Sicherheitsbehörden müssen sowohl in 
Hessen, als auch in ganz Deutschland vollständig zerschlagen werden. Um die 
Bildung solcher Strukturen zielgerichtet bekämpfen zu können, begrüßen wir die 
bereits angestrebte Einsetzung einer externen und unabhängigen Sonderkommission, 
die die Geschehnisse bei der hessischen Polizei aufarbeiten und politische 
Handlungsempfehlungen für die Zukunft erarbeiten soll. Dabei sollten unbedingt 
auch wissenschaftliche Untersuchungen zu extrem rechten und rassistischen 
Einstellungen innerhalb der Polizei regelmäßig vorgenommen werden. Zur Klärung 
der politischen Verantwortlichkeiten und genauen Abläufe muss zudem ein 
parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet werden, nachdem alle 
relevanten Tatsachen durch die Staatsanwaltschaft ermittelt wurden.
Wie der Fall in Hessen gezeigt hat, sind rechtsextreme Polizist*innen oft nicht 
allein, sondern gut vernetzt, auch innerhalb des eigenen Reviers. Wo Nazi-
Netzwerke innerhalb der Polizei existieren, gibt es auch immer viele 
Polizist*innen, die wegschauen. Deshalb muss als Konsequenz aus dem Aufdecken 
solcher Netzwerke mit Nachdruck daran gearbeitet werden, besonders die 
Problemreviere konsequent zu entnazifizieren und rechtsextremistische Strukturen 
vollständig aufzulösen. Dies kann auch heißen, ganze Reviere aufzulösen und neu 
zu gründen. Polizist*innen aufgelöster Reviere und Dienststellen sollen 
systematisch in Hinblick auf menschenfeindliche Ideologien überprüft werden, 
bevor diese weiter im Polizeidienst tätig sind. Wer der Überprüfung nicht 
standhält, muss aus dem Polizeidienst ausgeschlossen werden. Diese systematische 
Überprüfung muss daher schon für alle, die im Polizeidienst tätig sein wollen, 
im Einstellungsprozess verpflichtend stattfinden. Um Missstände möglichst 
frühzeitig erkennen zu können, müssen unabhängige, nur den Parlamenten zur 
Rechenschaft verpflichtete Ermittlungsstellen geschaffen werden und für 
Whistleblower*innen ein umfassender Schutz garantiert werden. Für die Entfernung 
von extrem rechten Polizist*innen aus dem Dienst sollten die Hürden gesenkt 
werden. Allerdings ist auch klar, dass dienstrechtliche Maßnahmen nicht die 
Strafgerichtsbarkeit ersetzen. Deswegen ist es notwendig, extrem rechte 
Straftaten innerhalb der Polizei konsequent anzuklagen und die Täter*innen vor 
Gericht zu bringen, anstatt sie zu schützen.
Wo Nazi-Netzwerke existieren ist meist auch der Verfassungsschutz nicht weit. Da 
der Verfassungsschutz sich ein ums andere Mal als Hindernis bei der Bekämpfung 
von Nazi-Netzwerken erwiesen hat fordern wir die Abschaffung des 
Verfassungsschutzes. Über die Notwendigkeit und die Art der Offenlegung von 
Erkenntnissen aus dem Verfassungschutz darf nicht der Verfassungsschutz 
entscheiden können.
In diesem Zusammenhang dürfen sich die Fehler der mangelnden Aufklärung des NSU 
1.0 nicht wiederholen. In Hessen wurden dabei zwei interne 
Aktenprüfungsberichte, die vom damaligen hessischen Innenminister Boris Rhein 
(CDU) beim Landesamt für Verfassungsschutz in Auftrag gegeben wurden, für 30 
Jahre gesperrt. Damit eine größtmögliche Transparenz und umfassende politische 
Kontrolle des Verfassungsschutzes garantiert wird sowie mögliche Zusammenhänge 
zum NSU 2.0 erkannt werden können, müssen diese Berichte freigegeben werden.
Die Sicherheitsbehörden als Vertreterinnen der Staatsgewalt und mit dem dort 
möglichen Zugang zu Waffen werden für Nazis immer ein attraktives 
Betätigungsfeld bleiben. Es liegt an politisch Verantwortlichen, dafür zu 
sorgen, dass die extreme Rechte die Sicherheitsbehörden nicht für die 
Durchsetzung ihrer menschenverachtenden Ideologie benutzen kann. Kein Fußbreit 
dem Faschismus muss auch erst Recht im Staatsdienst gelten!
