Veranstaltung: | 1. Länderrat 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Länderrat |
Beschlossen am: | 05.07.2025 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Jeder Femizid ist einer zu viel!
Beschlusstext
Femizide sind die extremste Form von Gewalt gegen Frauen und ein Ausdruck struktureller, patriarchaler Machtverhältnisse. Trotz der Schwere dieses
Themas wird Gewalt an Frauen, Lesben, inter* nicht binären und trans* Personen (FLINTA* Personen) oft ignoriert oder heruntergespielt. Teilweise
werden Femizide in den Medien als Familientragödien oder Eifersuchtsdrama betitelt.
Wenn Betroffene befürchten müssen bei einem Trennungsversuch Gewalt, Stalking, Armut oder Mord zu erleiden, sind dies leider Gründe, den
gewaltausübenden Partner nicht verlassen zu können. Um sich dennoch trennen und schützen zu können, brauchen sie dringend professionelle Beratung, ein
qualifiziertes Fallmanagement, individuell angepasste Sicherheitskonzepte, solidarische Unterstützung, sichere Unterkünfte und Möglichkeiten zur
Aufarbeitung des Erlebten. Wenn diese notwendigen Hilfen nicht zuverlässig durch staatlich finanzierte Angebote zur Verfügung stehen, wird der Weg in
ein gewaltfreies Leben massiv erschwert.
Wir brauchen entschlossene politische Reaktionen und vor allem Präventionsmaßnahmen, um Femiziden konsequent entgegenzutreten. Eine Fußfessel ist
dabei kein Allheilmittel. Feministische Fachberatungsstellen, trans*, inter*, nicht binäre* und agender* (TINA*)-inklusive Frauenhäuser und engagierte
Initiativen setzen sich seit vielen Jahren mit großem Engagement für die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt ein und es existieren zahlreiche,
wirkungsvolle Konzepte zur Verhinderung schwerer Gewalt. Doch oft scheitert ihre Umsetzung an fehlender politischer Unterstützung und unzureichender
Finanzierung.
Das Gewalthilfegesetz, das am 14. Februar vom Bundestag verabschiedet wurde, reicht aus unserer Sicht nicht aus. Selten werden in Erhebungen über
Gewalt im häuslichen Kontext TINA* Perspektiven mituntersucht, obwohl die Gewalt gegen queere und TINA* Personen kontinuierlich steigt.
Eine Novellierung des Gewalthilfegesetzes, in der Gewalt gegen TINA* Personen sowie gegen FLINTA* Personen mit unsicherem oder ungeklärtem
Aufenthaltsstatus ausdrücklich anerkannt und benannt wird ist daher dringend notwendig.
Das Gewalthilfegesetz lässt in seiner aktuellen Fassung offen, ob trans* Frauen mitgemeint sind – in früheren Gesetzesentwürfen wurden TINA* Personen
explizit mitgenannt.
Deshalb fordern wir als GRÜNE JUGEND:
- Die Einführung des Femizids als eigenen Tatbestand, dessen Strafmaß dem eines Mord nach §211 StGB entspricht.
- Weiterführung und Ausbau der systematischen Datenerfassung von Femiziden, bspw. durch eine Beobachtungsstelle, wie das erstmals am 19. November
2024 vorgestellte Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“.
- Ausweitung der systematischen Datenerfassung und Erhebungen auf TINA* Personen.
- Gezielte Präventionsarbeit, insbesondere in Bildungseinrichtungen sowie Sensibilisierung für die besonderen Erfordernisse im Umgang mit und dem
Erkennen von Femiziden in der Justiz und der Polizei. Hierfür fordern wie eine verpflichtende Fortbildung für die Polizei und Justiz und die
Aufnahme der Thematik „ geschlechtsspezifische Gewalt“ mit in die Ausbildung.
- Konsequente Strafverfolgung geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich wirksamer Ermittlungen, Opferschutzmaßnahmen, spezialisierter
Fachstellen bei Polizei und Justiz sowie niedriger Zugangsschwellen für Betroffene.
- Umfassende Sensibiliserungskampagnen und stärkere Förderung wissenschaftlicher Forschung zu Ursachen und Dynamiken geschlechtsspezifischer
Gewalt. Denn Patriarchale Gewalt betrifft alle gesellschaftlichen Gruppen. Und um dem wirksam zu begegnen, braucht es umfassende Aufklärung,
beginnend in Schulen.
- Implementierung verlässlicher Schutzmechanismen für Betroffene häuslicher und sexualisierter Gewalt sowie Ausbau und Finanzierung der
Frauenhausplätze. Projekte wie „Wohnen nach dem Frauenhaus“, mit dem Belegrechte an Sozialwohnungen für Frauen erworben werden, muss ausgeweitet
und für TINA* Personen geöffnet werden.
- Istanbul-Konvention umsetzen und barrierefrei ausgestalten. Dazu gehört der flächendeckende Ausbau von Schutz- und Unterstützungsangeboten für
Betroffene, unabhängig von Aufenthaltsstatus, Behinderung oder sexueller Identität. Alle Maßnahmen müssen barrierefrei zugänglich sein:
Sprachlich, physisch, digital und kulturell.
Ein intersektionaler Blick auf Femizide zeigt, dass FLINTA* Personen aufgrund verschiedener Diskriminierungsformen, wie Rassismus, Klassismus oder
Ableismus, unterschiedlich von Gewalt betroffen sind. Diese Überschneidungen von Diskriminierung führen dazu, dass einige FLINTA* Personen besonders
vulnerabel sind und spezifische Schutzmaßnahmen benötigen. Es ist daher essenziell, dass politische Maßnahmen diese intersektionalen Aspekte
berücksichtigen, um allen betroffenen FLINTA* Personen gerecht zu werden.
Deshalb fordern wir:
- Verbindliche Fortbildungen im Bereich Queer- und Transfeindlichkeit für Arbeiter*innen in Frauenhäusern, Jugendhilfeeinrichtungen und Jugendamt.
- Ausbau von Frauenhäusern mit barrierefreien Zugängen und Angeboten für Menschen mit Behinderung und spezifische Schutzräume oder Wohnprojekte
für geflüchtete, migrantische, queere oder wohnungslose Menschen.
- Bereitstellung professioneller psychosozialer, rechtlicher und sicherheitsrelevanter Beratung in mehreren Sprachen und Schulung von Fachpersonal
in interkultureller und diskriminierungssensibler Arbeit.
- Fortbildungen für Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz zu intersektionaler Gewalt und Diskriminierung.
- Förderung und Ausbau von Vertrauensstellen oder Ombudsstellen für Betroffene, die Diskriminierung durch Behörden erleben.
Anmerkung:
FLINTA* ist eine Selbstbezeichnung und steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binär, trans* und agender Personen.
TINA* ist eine Selbstbezeichnung und steht für trans*-, inter-, nicht-binär und agender Personen.