Veranstaltung: | 1. Länderrat 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Steve Amoo |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 30.06.2023, 00:36 |
D2: Dringlichkeitsantrag: Faire Arbeit für alle – Schluss mit der Ausbeutung!
Antragstext
Respekt? Fehlanzeige!
Ein Bürger*innengeld, das den Namen nicht verdient, minimale Verbesserungen beim
Mindestlohn, die nicht mal die Inflation ausgleichen, Reallohnverlust im dritten
Jahr in Folge und vieles mehr. Wir sehen den dramatischsten Aufstieg
neoliberaler Konzepte seit über 10 Jahren und das Fehlen linker Alternativen.
Schlimmer noch: Rechte Kräfte erfahren Aufwind und erzielen historische
Wahlerfolge. Erst vor wenigen Tagen errang der AfD-Politiker Sesselmann für
seine Partei ein Landratsamt – ein Novum in der neueren Geschichte der
Bundesrepublik: Rechtsextreme an der Macht. Das sind die realen Folgen des
Ausbleibens echter Sozialpolitik, die Arbeiter*innen ermächtigt und soziale
Härten abfängt – gerade in Krisenzeiten.
41 Cent – das ist kein „Respekt“!
Vor knapp einer Woche trat die Mindestlohnkommission in einer Pressekonferenz
vor die Öffentlichkeit und verkündete, dass der Mindestlohn zu 2024 auf 12,41€
ansteigen solle – schlappe 3,9% Lohnzuwachs für die ärmsten Arbeiter*innen des
Landes. 2025 soll dieser dann erneut nur minimal steigen – um unglaubliche 40
Cent (auf insgesamt 12,81€). Vor allem Frauen und Ostdeutsche seien, laut
Körzell, von der ausbleibenden Erhöhung betroffen, da sie ein besonders hohes
Armutsrisiko trifft und sie überdurchschnittlich oft im Niedriglohnsektor
arbeiten.
Während die Inflationsrate aktuell mit 6,4% fast das Doppelte dieser
Lohnsteigerung für 2024 beträgt, ließen Stefan Körzell (Vorstandsmitglied des
DGB) und die Vorsitzende der Mindestlohnkommission öffentlich erkennen, dass die
Arbeitgeber*innen-Seite, vertreten durch Steffen Kampeter, keine
Kompromissbereitschaft zeigte[1], ihre staatspolitische Verantwortung
missachtete und schlichtweg drohte, die Arbeitnehmer*innen zu überstimmen,
sollte es nicht zu einer Einigung kommen. Es ist die erste Entscheidung der
Mindestlohnkommission, die nicht einstimmig erfolgt ist.
Während die Arbeitgeber*innen-Seite am Lohndumping und Rechentricks festhält,
hört man von Minister Heil oder dem Kanzler nichts. Dabei schreibt die EU
bereits vor, dass sich der Mindestlohn im gesamten Euroraum am Medianlohn
orientieren, genauer gesagt 60% des Medianlohnes betragen sollte. Dies
entspräche einer Erhöhung auf ungefähr 13€ im ersten Jahr und über 13€ für 2025
- weitaus mehr als erreicht werden soll.
Das ist ein klarer Rechtsbruch und dient einzig und allein den Profitinteressen
gieriger Arbeitgeber*innen, die ihre Beschäftigten nur allzu gerne ausbeuten!
Diese Entscheidung muss rückgängig gemacht und durch eine ernsthafte
Lohnerhöhung von mindestens 3€ ersetzt werden!
Gewerkschaften: TV Stud – jetzt!
Dauerbefristung, Bezahlung auf Mindestlohnniveau und unbezahlte Überstunden als
Regelfall – all das ist die Realität für viele studentische Beschäftigte. Seit
Jahren kämpfen sie für Verlängerungen der Vertragsdauer, bessere Bezahlung sowie
mehr Mitbestimmung. Noch nie standen Studierenden von TV Stud so kurz vor dem
Ziel wie jetzt! Strukturelle Verbesserungen sind dabei nur über eine Tarifierung
zu erreichen. Studentische Beschäftigte stellen die einzige Beschäftigtengruppe
an den Universitäten dar, die davon bis jetzt ausgeschlossen sind.
11 der 16 Bundesländer haben sich bereits zu einer Tarifregelung für
studentische Beschäftigte bekannt und setzen sich für eine bundesweite Regelung
ein. Bremser mal wieder: Nordrhein-Westfalen. Obwohl die Schwarz-Grüne
Landesregierung TV Stud in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat und die in der
letzten Tarifrunde vereinbarte „Bestandsaufnahme zu den Arbeitsbedingungen
Studentischer Beschäftigter“ zwischen Arbeitgeberverband der Länder (AdL) und
den Gewerkschaften ver.di & GEW über die Studie „Jung, akademisch, prekär“[2]
massiven Handlungsbedarf offengelegt hat, droht Optendrenk mit der Blockade der
Verhandlungen. NRW bricht damit nicht nur mit dem eigenen Koalitionsvertrag,
sondern verhindert für knapp 40.000 Hilfskräften & Tutor*innen landes- und über
300.000 Kolleg*innen bundesweit, über bessere Arbeitsbedingungen zu verhandeln.
Finanzminister Optendrenk ist Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Nordrhein-
Westfalens und zuständig für die Positionierung NRWs im Arbeitgeberverband auf
Bundesebene. An ihm droht zu scheitern, wofür studentische Beschäftigte in NRW
und in allen anderen Bundesländern seit Jahren kämpfen.
Unsere Aufgabe ist es, an der Seite der studentischen Beschäftigten zu stehen
und die Grünen, die gemeinsam mit der CDU einen Tarifvertrag für Studentische
Beschäftigte in den Koalitionsvertrag aufgenommen haben, jetzt, vor dem
drohenden Abbruch der laufenden Vorsondierungsgespräche, in die Verantwortung zu
nehmen und öffentlich Druck zu machen!
Sie brauchen unsere Unterstützung in ihrem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen
und mehr Mitbestimmung! Wir sind solidarisch mit allen studentischen
Beschäftigten!
Ausbeutung von Migrant*innen und Geflüchteten
auf dem Arbeitsmarkt verhindern –
Fachkräftegesetz verbessern!
In einer seiner letzten Sitzungen vor der Sommerpause hat der Bundestag das
Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen, das sogenannte „legale
Migrationswege“ schaffen soll, indem Menschen für Arbeitsverhältnisse nach
Deutschland kommen können sollen. Während ein modernes Einwanderungsrecht
selbstverständlich mehr als überfällig ist, gibt es doch einige Kritikpunkte.
Beispielsweise ist weitestgehend unklar, in welchem Verhältnis das FkEG zum
Asylrecht stehen wird und welche Auswirkungen dieses auf die Möglichkeit für
Asylsuchende, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, haben wird. Auch ist nicht
abschließend geklärt, wie die Bewertungskriterien der „Chancenkarte“[3] genau
ausgelegt werden sollen – allem voran das Kriterium des „Deutschlandbezugs“, bei
dem eine Einteilung in Einwandernde erster und zweiter Klasse droht. Auch dass
„Alter und Potenzial des mitziehenden Ehe- oder Lebenspartners“[4], wie es im
Entwurf heißt, miteinbezogen werden sollen, obwohl es sich dabei nicht um die
einwandernde Person selbst handelt, ist zu kritisieren.
Problematisch ist jedoch vor allem die Möglichkeit von „kontingentierten
kurzzeitigen Beschäftigungen“[5], auf Basis derer Einwandernde befristet auf 8
Monate in Deutschland arbeiten können sollen. Befristete Arbeitsverhältnisse
sind immer mit Risiken und Unsicherheiten für Arbeitnehmer*innen verknüpft. Sie
öffnen Tür und Tor für Kettenbefristungen, die dazu dienen, einheimische
Arbeitskräfte, die nicht bereit sind, in befristeten Arbeitsverhältnissen zu
arbeiten, durch billige ausländische und temporär angeworbene Arbeitskräfte zu
ersetzen – eine Verschiebung der Verhandlungsmacht zugunsten der
Arbeitgeber*innen und zu Lasten der Angestellten.
Statt Migrant*innen auszubeuten und ihnen unhaltbare Arbeitsbedingungen
aufzudrücken, die große Teile der bereits hier lebenden Bevölkerung zurecht
nicht hinnehmen, sollte es das Ziel der Bundesregierung sein, die
Arbeitsbedingungen für alle zu verbessern – in der Pflege, den Behörden, dem
ÖPNV und in der Bildung! Daher braucht es substantielle Verbesserungen am
Entwurf, die ein Abwälzen der Ausbeutung auf Migrant*innen verhindern!
Her mit der fairen Arbeit für alle!
Wir fordern:
- Her mit dem Mindestlohn von mindestens 15€!
- Schluss mit der Kettenbefristung und Unterbezahlung studentischer
Beschäftigter! Her mit TV Stud als bundesweites Tarifmodell!
- Schluss mit der Blockadehaltung Optendrenks in NRW bei den Verhandlungen!
Einhaltung des Koalitionsvertrages!
- Keine Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen auf Basis des neuen FkEGs!
Abschaffung der Befristungsmöglichkeiten, um Kettenbefristung zu
verhindern!
- Faire Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und betriebliche Mitbestimmung
statt Abwälzen der Arbeitslast auf Migrant*innen und kapitalistischer
Ausbeutung!
Begründung
[1] Pressekonferenz mit Christiane Schönefeld, Steffen Kampeter und Stefan Körzell. https://www.youtube.com/watch?v=j5TOYeSrpb8
[2] Studie „Jung. Akademisch. Prekär.“ https://gesundheit-soziales-bildung.verdi.de/themen/studium/++co++6c604298-b75c-11ed-95d8-001a4a160100?kws=JAV
[3] Pressemitteilung des Bundesministeriums des Inneren. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/03/fachkraefte-kabinett.html
[4] Siehe 3
[5] Siehe 3 & Entwurf des Bundeskabinetts zum Gesetz. Seite 101 (zu Buchstabe d). https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/kabinetts-fassung/entwurf-gesetz-weiterentwicklung-fachkraefteeinwanderung.pdf?__blob=publicationFile&v=8