Veranstaltung: | 58. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | A Abschlussbericht des Arbeitsbereichs Debattenorte |
Antragsteller*in: | Arbeitsbereich Debattenorte (dort beschlossen am: 26.09.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 26.09.2024, 12:21 |
A-1: Abschlussbericht Arbeitsbereich Debattenorte
Antragstext
Einführung
Der Debattenorteprozess war ein zwei Jahre andauernder
Verbandsentwicklungsprozess, der im Herbst 2022 gestartet wurde und zu diesem
Bundeskongress abgeschlossen wird. Er sollte analysieren, wie Debatten im
Verband geführt werden, und konkrete Verbesserungsvorschläge für die
verschiedenen Räume, in denen Debatten stattfinden, und die Debattenkultur
erarbeiten. Zuständig für die Durchführung des Prozesses waren der gleichnamige
Arbeitsbereich und der Bundesvorstand.
Der Prozess wurde in folgende Phasen unterteilt:
- Vision entwickeln
- Analyse des Status Quo
- Ideen und Maßnahmen
- Umsetzung
Der Arbeitsbereich, zu dem Zeitpunkt bestehend aus Klara, Charlotte, Rosalie,
Heinrich und Jonathan, hat im ersten Jahr die ersten drei Phasen des Prozesses
durchgeführt. In der ersten Phase wurde ein Visionenpapier entwickelt, welches
zusammenfassen sollte, wie sich Mitglieder die Grüne Jugend vorstellen. Dieses
Papier wurde mit dem Verband diskutiert. In der Analysephase hat der
Arbeitsbereich eine verbandsweite Umfrage und Interviews mit stillen
Kreisverbänden durchgeführt, wie Mitglieder die wichtigsten Debattenräume im
Verband wahrnehmen. Die Ergebnisse wurden dem Verband vorgestellt und
beispielsweise digital oder auf dem Länderrat diskutiert. Es wurde ermittelt,
dass der Bundeskongress und die Fachforen die Debattenorte mit dem größten
Reformbedarf sind und dass es ein Verbesserungspotential in der verbandsinternen
Kommunikation, also beispielsweise der Informationsweitergabe zwischen den
Ebenen, gibt. Gemeinsam mit dem Bundesvorstand hat der Arbeitsbereich Vorschläge
für Maßnahmen und weitere konkrete Bearbeitungsfelder erarbeitet, welche im
Arbeitsprogramm festgehalten und auf dem Bundeskongress 2023 beschlossen wurden.
Dem Bundeskongress wurde 2023 ebenso ein Zwischenbericht über die Arbeit des
Arbeitsbereiches vorgelegt. Außerdem wurde er durch die Wahl von Andrea, Alicia,
Phi, Sarah, Stefan und Wenzel auf 11 Personen erweitert.
In diesem Jahr hat der Arbeitsbereich mögliche Bundeskongress- und
Fachforenreformen erarbeitet, sich ausführlicher mit den optimalen
Debattenverläufen im Verband beschäftigt und mit den Regionalforen und dem KV-
Buddy-Programm neue Debattenformate ausprobiert. Mit dem Abschlussbericht endet
der Debattenorteprozess vorerst.
Mehr Beteiligung für demokratische Strukturen –
Empfehlungen an Vorstände
Als Arbeitsbereich hatten wir die Aufgabe, Wege zu erarbeiten, wie wir
verbandsweite Debatten insbesondere im Vorfeld des Bundeskongresses, aber auch
generell verbessern können. Ein Schwerpunkt sollte dabei auf den Kreisverbänden
und welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, dass sich alle Mitglieder
sinnvoll an diesen Debatten beteiligen können. Wir haben uns als Arbeitsbereich
intensiv mit dem Ist-Zustand von Debattenverläufen beschäftigt. Hierzu haben wir
unter anderem die Erkenntnisse der Verbandsumfrage genutzt. Im Verlauf der
Arbeit kristallisierte sich heraus, dass…
- insbesondere die verschiedenen Rollen der Ebenen des Verbandes in Debatten
nicht klar differenziert werden,
- sich insbesondere marginalisierte Mitglieder in Debatten nicht gehört
fühlen,
- es häufig zu wenig Vorlauf für Debatten gibt,
- Landesverbände Debatten auf verschiedene Weise in ihre Kreisverbände
tragen und wir Debatten nicht so zugespitzt führen, wie es für eine
fundierte Entscheidungsfindung nötig wäre.
Ausgehend von dieser Analyse und dem im ersten Jahr gemeinsam mit dem Verband
erarbeitete Visionenpapier haben wir an Vorschlägen für einen Sollzustand
gearbeitet.
So haben wir als Arbeitsbereich Empfehlungen an den Bundesvorstand, die
Landesvorstände und die Kreisvorstände erarbeitet. Dieses “How-to: Gute Debatte”
fasst unter folgenden Überthemen verschiedene Empfehlungen zusammen:
- Je weitreichender die Entscheidung, desto breiter die Beteiligung:
Entscheidungen, die langfristige Konsequenzen tragen, müssen mit und auf
allen Ebenen ausführlich diskutiert werden können.
- Zugespitzt und Relevant: Gleichzeitig wollen wir uns auch nicht mit
endlosen internen Debatten in unserer politischen Praxis lähmen.
- Gut Ding will Weile haben: Gute Debatten brauchen mehr zeitlichen Vorlauf.
- Das Ebenen-Prinzip: Debattenstände und Informationen müssen über
verschiedene Ebenen weitergeleitet werden, damit nichts verloren geht.
- Methodisch sinnvoll: Debatten müssen gut vorbereitet und moderiert werden.
- Gegenseitige Hilfe und Verantwortung: Dafür kann man sich von anderen
Ebenen Unterstützung holen.
- Beteiligung von marginalisierten Gruppen: Marginalisierte Gruppen haben
oft besondere Perspektiven, die auf jeden Fall Gehör finden müssen.
Das gesamte Papier findet ihr in der Wolke. In einer ersten Runde wurden die
Empfehlungen an den Bundesvorstand herangetragen. Danach wurden sie in einem
gemeinsamen Zoom aller Politischen Geschäftsführungen der Landesverbände durch
den Arbeitsbereich vorgestellt. Wir haben empfohlen, dass die Landesvorstände
sich danach noch einmal gemeinsam mit dem Papier beschäftigen. In einzelnen
Landesverbänden haben wir als Arbeitsbereich auf Landesvorstands-Kreisvorstände-
Treffen Workshops zu den Empfehlungen durchgeführt und sie so noch einmal näher
an die Kreisverbände herangetragen. Es wird für den Erfolg des Debattenorte-
Prozesses weiter zentral bleiben, dass der gesamte Verband sich an diesen
Empfehlungen orientiert und sie in die Verbandspraxis übersetzt und wir so alle
gemeinsam in unseren jeweiligen Rollen die Debattenkultur der Grünen Jugend
verbessern.
Selbstverständnis
Der Arbeitsbereich beauftragte den Bundesvorstand mit der Erarbeitung eines
neuen Selbstverständnisses. Das alte Selbstverständnis ist mittlerweile über 10
Jahre alt und entspricht nicht mehr der Verbandsrealität der GRÜNEN JUGEND. Auf
unterschiedlichsten Veranstaltungen, beispielsweise dem BuVo-LaVo-Treffen, dem
Frühjahrskongress und den Regionalforen wurde intensiv mit Mitgliedern darüber
debattiert, was für sie die Grüne Jugend ist und wie wir zusammenarbeiten und
uns politisch ausrichten wollen.
Regionalforen
Als großes neues Debattenformat haben wir in diesem Jahr die Regionalforen
erprobt. Hierbei waren unsere wichtigsten Ziele, eine gemeinsame Debatte von
Verantwortungsträger*innen der KV-Ebene aus verschiedenen Landesverbänden in der
Grünen Jugend zu ermöglichen. Die Formate sollten dabei ein gutes Beispiel für
Debattenkultur und -struktur sein und gleichzeitig mehr Kreisverbände an den
relevanten Debatten beteiligen, indem die Verantwortungsträger*innen die
Debatten als Multiplikator*innen auch zurück in ihre Kreisverbände tragen.
Auf Grundlage dieser Ziele haben wir vier Regionalforen in West, Ost, Süd und
Nord organisiert, und KV-Verantwortliche aus den jeweiligen Landesverbänden dazu
eingeladen. Hierbei waren wir in der Bewerbung zunächst vorsichtig, da, wenn
sich tatsächlich Verantwortliche aus allen aktiven Kreisverbänden angemeldet
hätten, die Plätze sehr knapp gewesen wären. Insgesamt haben am Ende 120
Personen an den Regionalforen teilgenommen und damit in keinem Regionalforum die
verfügbaren Plätze annähernd gefüllt. Tatsächlich waren vor allem
Landesvorstandsmitglieder, Verantwortliche aus sehr großen Kreisverbänden und
sehr gut angebundene Verantwortliche aus kleinen Kreisverbänden anwesend. Eine
tatsächliche Teilnahme aus der Breite des Verbands haben wir nicht erreicht.
Inhaltlich haben wir auf den Regionalforen drei Themen behandelt. Ein Rückblick
und eine Auswertung der “Kein Bock auf Krise”-Kampagne zur Europawahl, die
Bundeskongressreform sowie das Selbstverständnis der Grünen Jugend. Die
Auswertung der Kampagne war dabei sowohl im Bezug auf inhaltliche als auch
methodische Aspekte angelegt und hat viele spannende Einblicke in die konkrete
Arbeit der KVen mit der Kampagne ermöglicht. Diese Eindrücke wurden vom
Kampagnenteam ausgewertet. Zur Bundeskongressreform wurden hauptsächlich
möglichen Szenarien zur Umstrukturierung diskutiert und dabei viele neue
Perspektiven, Stimmungen und Ideen für Variationen gesammelt und diskutiert.
Diese sind von uns als Arbeitsbereich ausgewertet worden und in den Teil zur
Bundeskongressreform in diesem Bericht mit eingeflossen. Das neue
Selbstverständnis ist anhand von Thesen teils sehr kontrovers diskutiert worden.
Dabei sind inhaltliche und strategische Differenzen klar geworden und diese
konnten in der Debatte teilweise verringert werden.
Um einen Multiplikator*innen-Effekt zu erreichen, haben wir außerdem mit allen
Teilnehmer*innen besprochen, wie sie die Debatten zur Bundeskongressreform und
dem Selbstverständnis gut in ihrem Kreisverband weiterführen und die Ergebnisse
dieser Debatten zurückmelden können.
Die Rückmeldung der Teilnehmenden war überwiegend positiv. Viele haben sich über
die Möglichkeit, wichtige Debatten in der Grünen Jugend in einem kleineren
Rahmen, ohne direkt am Ende der Debatte eine finale Entscheidung treffen zu
müssen, sehr gefreut. Auch wurde die Debattenkultur überwiegend als gut bis sehr
gut empfunden. Die verschiedenen inhaltlichen- und Debatten-Punkte wurden alle
weitestgehend als gut bewertet. Vereinzelt ist zurückgemeldet worden, dass die
Debatten als voreingenommen wahrgenommen wurden, und sich “neutralere”
Moderationen gewünscht wurden.
Aus unserer Sicht haben die Regionalforen in dieser Form nicht die Ziele
erreicht, die wir mit ihnen verfolgt haben. Zusätzlich dazu, dass sie sehr teuer
in der Durchführung waren, wurden große Teile der Zielgruppe nicht erreicht.
Dadurch war kein Multiplikator*innen-Effekt möglich und die Debatten wurden
nicht tatsächlich in die Breite des Verbands getragen. Zurückzuführen ist dies
vermutlich auf verschiedene Effekte. So wurden handwerkliche Fehler darin
begangen, die Regionalforen so spät und so zögerlich zu bewerben, verbunden mit
der wahrscheinlich unrealistischen Erwartung, dass tatsächlich aus allen
Kreisverbänden Menschen anreisen. Außerdem haben die Regionalforen in einer Zeit
der Erschöpfung nach der Kampagne, mitten im Sommer zwischen verschiedenen
Angeboten von Landesverbänden, stattgefunden. So sind sie teilweise
untergegangen oder Menschen haben sich für andere, bekannte Formate entschieden,
wenn sie nicht an allen Veranstaltungen in dieser Zeit teilnehmen konnten.
Insgesamt empfehlen wir daher keine Wiederholung der Regionalforen dieser Art.
Trotzdem können wir viel aus diesem Versuch lernen. Die grundsätzliche Idee,
Kreisverbandsverantwortliche als Multiplikator*innen für Debatten zu nutzen,
halten wir weiterhin für richtig. Auch auf Veranstaltungen frühzeitig Debatten
über wichtige Entscheidungen zu führen und dabei noch unter keinem
Entscheidungsdruck zu stehen, sondern relativ offen Argumente und Rückmeldungen
auszutauschen, war für viele hilfreich. Zusätzlich war die Methodik, relativ
offene Debatten in vielen Kleingruppen zu führen und dadurch möglichst allen die
Möglichkeit zu geben, sich tatsächlich zu äußern, aber auch den Teilnehmenden
zuzutrauen, ihre Argumente auch z.B. im Rahmen einer Fishbowl-Diskussion in der
großen Gruppe zu vertreten, aus unserer Sicht sehr sinnvoll. Wir empfehlen
daher, diese Aspekte der Regionalforen in andere Veranstaltungen zu integrieren.
Insbesondere bieten sich hierfür die Kreisvorstands-Landesvorstands-Treffen an,
welche sich bereits in vielen Landesverbänden etabliert haben. Auf diesen trifft
dieselbe Gruppe von möglichen Multiplikator*innen zusammen und der
Landesvorstand hat zusätzlich die Möglichkeit, Debatten auf die regionalen
Gegebenheiten anzupassen. Damit bleibt lediglich die Frage nach überregionalen
Debatten zwischen Kreisverbandsverantwortlichen ungelöst. Ein Bedürfnis nach
diesen Debatten wurde immer wieder geäußert, die Gelegenheit für diese Debatten
mit den Regionalforen jedoch nicht angenommen. Was andere Möglichkeiten sein
können, diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, konnten wir in der Restzeit unserer
Arbeit nicht mehr evaluieren.
KV-Buddy-Programm
Um einen bundesweiten Austausch zwischen Kreisverbänden zu ermöglichen, welcher
in der Vergangenheit auf bundesweiten Events, wie die Bundes- oder
Frühjahrskongressen stattgefunden hat, aber aufgrund der jetzigen Größe dieser
Events dort nicht mehr möglich ist, hat der Arbeitsbereich ein Buddy-Programm
zwischen Kreisverbänden ausprobiert. Die Idee war, Kreisverbände paarweise
zuzuweisen und ihnen zu ermöglichen, sich digital und in Präsenz auszutauschen.
Im April konnten sich Kreisverbände für das Programm bewerben, welche dann nach
Größe, Erreichbarkeit und Aktivität zugeordnet wurden. Anschließend wurde ein
Onlinemeeting durchgeführt, wo Hinweise zur Durchführung des Buddy-Programms
gegeben wurden und sich die Buddies kennenlernen konnten. Im Sommer wurde bei
einigen ausgewählten Kreisverbänden nachgefragt, wie das Buddy-Programm läuft.
Dort wurde dem Arbeitsbereich berichtet, dass nur beschränkt Austausch zwischen
Kreisverbänden stattfand.
Aus Sicht des Arbeitsbereiches liegt das einerseits an einem vollen
Verbandsjahr, in dem viele Kreisverbände mit der Europakampagne beschäftigt
waren, andererseits wurde dem sehr abstrakten Ziel der Vernetzung
verständlicherweise wenig Priorität eingeräumt. Es hat sich gezeigt, dass so ein
Austausch nur mit Kreisverbänden Sinn ergibt, die viele Kapazitäten mitbringen,
und dass so ein Programm eine sehr enge Betreuung benötigt.
Als Weiterentwicklung dieses Programms können wir uns vorstellen, eine solche
Vernetzung zu konkreten Themen durchzuführen. Wenn nächstes Jahr solidarische
Projekte in Kreisverbänden anlaufen, könnten dann Kreisverbände in einen
gegenseitigen Austausch treten, die ähnliche Projekte durchführen.
Fachforen
Die Verbandsanalyse aus dem letzten Jahr hat ergeben, dass es einen dringenden
Reformbedarf der Fachforen gibt. Viele Mitglieder wissen nicht, dass diese
existieren und in der täglichen Verbandsarbeit spielen sie fast keine Rolle.
Auch im Entwurf der optimalen Debattenverläufe vom Arbeitsbereich kommt
Fachforen als Debattenort keine Rolle zu. Es wurde deshalb geprüft, ob Fachforen
weiter bestehen sollen.
Eine wichtige Aufgabe, die Fachforen weiterhin übernehmen, ist die Wahl von
Delegierten für die Bundesarbeitsgemeinschaften (kurz BAG) von Bündnis 90/Die
Grünen. Es wurde geprüft, welche Gremien die BAG-Delegierten statt der Fachforen
wählen könnten, es wurde aber keine adäquate Alternative gefunden, welche den
demokratischen und organisatorischen Standards entspricht.
Wir empfehlen deswegen, die Fachforen vorerst beizubehalten und empfehlen dem
nächsten Bundesvorstand nach einer Alternative für die Wahl der BAG-Delegierten
zu suchen und sich weiterhin mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Fachforen
weiter bestehen sollen.
BuKo-Reform
Die Verbandsanalyse hat gezeigt, dass der Bundeskongress in seiner aktuellen
Form kein guter Debattenort ist. Außerdem haben Bundesvorstand und
Bundesgeschäftsstelle das Feedback gegeben, dass der Bundeskongress
organisatorisch und finanziell zunehmend die Kapazitäten des Verbands sprengt.
Ausgehend von diesem Ist-Zustand und dem Beschluss im Arbeitsprogramm haben wir
als Arbeitsbereich Kriterien entwickelt, die ein idealer Bundeskongress erfüllen
sollte. Ziel war es, dass auf Grundlage dieser Kriterien verschiedene Konzepte
zur Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit des Bundeskongresses geprüft werden
können. Wichtige Themenfelder bei den Kriterien waren Teilhabe, finanzielle und
organisatorische Umsetzbarkeit, Beteiligung und Inklusion. Dabei war klar, dass
es kein Szenario gibt, dass allen Kriterien perfekt entspricht.
Nach Gesprächen mit anderen uns nahestehenden Jugendorganisationen, der
Bundesgeschäftsstelle, den Grünen und Menschen mit Behinderung in der Grünen
Jugend, haben wir die Kriterien nochmal überarbeitet. Auf dem BuVo-LaVo-Treffen
wurden sie dann nochmal mit Verantwortungsträger*innen aus allen Landesverbänden
besprochen. Daraus hat sich dann eine finale Version ergeben, mit der wir
Szenarien für einen reformierten Bundeskongress prüfen konnten.
Uns war es wichtig, dass die von uns erarbeiteten Kriterien mit dem ganzen
Verband geteilt werden. Deshalb gab es im Mitgliedermagazin, welches zum
Frühjahrskongress erschienen ist, eine Vorstellung der sechs Kriterien.
Zusätzlich wurden alle Kriterien nochmal in einem Dokument, das in der Grünen
Wolke für alle Mitglieder zugänglich ist, ausführlich erklärt. Da es keine
kritischen Rückmeldungen zu den Kriterien gab, glauben wir, dass diese im Großen
und Ganzen vom Verband geteilt wurden. Auch die Besprechung auf den
Regionalforen hat gezeigt, dass es dazu keinen grundlegenden Widerspruch gab.
Damit bilden sie eine gute Grundlage, um die Szenarien zu prüfen.
Auf Grundlage der Kriterien, Input aus dem Verband und aus Ideen aus den
Gesprächen mit anderen Verbänden, haben wir diverse Szenarien entwickelt, wie
der Bundeskongress verändert werden könnte und diese an den Kriterien gemessen.
Als eine erste Kategorie haben wir einige Szenarien gefunden, die wir relativ
schnell ausschließen konnten.
Dazu zählt zunächst ein Bundeskongress als Zeltlager, bei dem die Hoffnung
bestand, durch die wegfallende Miete für eine Schule Kosten zu sparen. Dies
würde jedoch die Barriere sowohl für Menschen, die aus verschiedensten Gründen
nicht Zelten können oder wollen, stark erhöhen. Zentraler Ausschlussgrund war
für uns jedoch, dass Fridays For Future Zelt-Kongresse mit einer ähnlichen
Teilnehmendenzahl durchführt und dabei aufgrund der erforderlichen Logistik
(Wasser, Sanitäranlagen etc.) ähnlich hohe Kosten wie für unseren Bundeskongress
entstehen. Die Hoffnung, durch ein Zeltlager Kosten zu sparen, erfüllt sich also
nicht. Dieses Szenario scheitert gleich an mehreren Kriterien, ohne besondere
Vorteile an anderen Stellen mit sich zu bringen.
Auch die Möglichkeit, den Bundeskongress sponsern zu lassen, um hohe Kosten
auszugleichen, erwies sich als wenig sinnvoll. Hierzu haben wir uns den
Parteitag der Grünen angeschaut, der immer stark gesponsert wird. Hiermit können
die Grünen jedoch nur einen niedrigen 5-stelligen Betrag generieren, denen
gleichzeitig erhebliche Mehrkosten für die zusätzliche Halle entgegenstehen, in
der die Stände der Unternehmen stehen. Für uns wäre davon auszugehen, dass diese
Einnahmen noch einmal geringer ausfallen würden und entsprechend keinen
signifikanten Effekt auf die Finanzierung des Bundeskongresses hätten und somit
in keinem Kriterium besser abschneidet, als der aktuelle Bundeskongress.
Außerdem bietet die einzige Schule, in der wir gerade noch einen Bundeskongress
abhalten können, schlichtweg auch keinen Platz für einen großen
Aussteller*innen-Bereich.
Schnell ausschließen konnten wir auch einen rein digitalen Bundeskongress, der
die Buchung einer großen Location, Bereitstellung von Essen und
Schlafgelegenheiten obsolet machen würde. Hier gibt es einerseits starke
Bedenken zur rechtssicheren Umsetzung von insbesondere digitalen Personenwahlen.
Außerdem haben wir alle durch die Corona-Pandemie Erfahrungen damit gemacht, wie
die Debattenqualität in digitalen Formaten leidet. Gleichzeitig würde eine
starke Ungleichbehandlung von Menschen und ihren Redebeiträgen auf Grundlage
ihrer finanziellen und damit technischen Möglichkeiten entstehen. Entsprechend
schneidet dieses Szenario zwar sehr gut in dem organisatorischen Kriterium ab,
aber insbesondere, dass Mitglieder gerne teilnehmen und die mögliche
Außenwirkung gehen dabei jedoch fast vollständig verloren.
Zuletzt konnten wir auch alle Szenarien, welche andere Arten der
Entscheidungsfindung abseits von einem Plenum mit formalisierten Debatten und
Mehrheitsentscheidungen beinhalten, wie Konsensverfahren, Fluide-Demokratie,
usw., ausschließen. Hier haben wir schlicht kein Beispiel gefunden, wo diese mit
einer ähnlich großen Gruppe wie dem Bundeskongress durchgeführt wurden. Und von
Menschen, die Prozesse dieser Art z.B. in einem Konsensverfahren bei EndeGelände
organisiert haben, wurde uns die Einschätzung bestätigt, dass diese Konzepte
wahrscheinlich nicht anwendbar auf eine Gruppe dieser Größenordnung sind.
In einem folgenden Schritt haben wir uns die Szenarien genauer angeschaut,
welche nach unseren Erkenntnissen tatsächlich eine Verbesserung der Situation
erreichen und relevante Zustimmung im Verband erhalten könnten. Diese Szenarien
haben wir daher auch auf den Regionalforen besprochen und die Teilnehmenden dazu
aufgefordert, sie auch mit ihren Kreisverbänden zu besprechen und Rückmeldung an
uns oder ihren Landesvorstand zu geben.
Zunächst haben wir uns hier die Möglichkeit angeschaut, den Bundeskongress nur
noch alle zwei Jahre durchzuführen. So würden die Kosten nur noch halb so häufig
anfallen, es würde jedoch weiterhin allen das Recht geben, am Bundeskongress
teilzunehmen und das Verbandshighlight in seiner jetzigen Form würde zwar
seltener, aber trotzdem erhalten bleiben. Als Problematik hat sich hierbei
ergeben, dass Gelder nicht ohne weiteres zwischen Jahren transferiert werden
können, wodurch in den Jahren mit Bundeskongress die finanziellen Mittel extrem
belastet und in den anderen Jahren stark geschont werden würden. Dies würde die
Haushaltsplanung deutlich verkomplizieren. Außerdem wurde auf den Regionalforen
häufiger problematisiert, große Entscheidungen und Bundesvorstandswahlen nur
alle zwei Jahren durchführen zu können. Dazu kommt, dass die Problematik, dass
sich, wie die Verbandsumfrage gezeigt hat, viele Aktive auf dem Bundeskongress
unter anderem wegen seiner Größe nicht mehr wohlfühlen, nicht gelöst werden
würde. Insgesamt war aus diesen Gründen dieses Szenario in den Rückmeldungen aus
dem Verband auch eher unbeliebt.
Als weitere Möglichkeit haben wir ein First-Come-First-Serve System geprüft.
Hierbei würde eine feste Anzahl an Plätzen auf dem Bundeskongress festgehalten
werden und an die Personen vergeben werden, die sich als Erstes anmelden. So
würde theoretisch die Möglichkeit für alle erhalten bleiben, am Bundeskongress
physisch teilzunehmen und gleichzeitig würde eine feste planbare Größe des
Bundeskongresses sichergestellt werden. Sowohl uns im Arbeitsbereich als auch in
vielen Diskussionen auf den Regionalforen wurde dieses System als sehr unfair
bewertet und als Alternative ein Verlosungssystem diskutiert. Hierbei würde
ebenfalls eine feste Anzahl an Teilnehmenden festgehalten und durch eine
Verlosung unter allen Anmeldungen innerhalb eines festgelegten Zeitraums
sichergestellt. So würden nicht Menschen, die sich schnell entscheiden und sich
anmelden können, bevorzugt und gleichzeitig könnte man durch Quotierungen nach
z.B. Gender, Landesverbänden, ländlichem/städtischen Raum, usw. angemessene
Repräsentationen sicherstellen. Hierbei würden die jeweiligen Gruppen jedoch
nicht für sich selbst entscheiden, wer sie repräsentiert, sondern das Los würde
es entscheiden. Außerdem ist eine Überrepräsentation einer Sub-Gruppe, auf die
nicht quotiert wird und sich koordiniert in großer Zahl anmeldet, gut möglich.
Zu diesem System war die Stimmung auf den Regionalforen und den einzelnen
Rückmeldungen aus Kreisverbänden aufgrund der genannten Argumente sehr
durchmischt.
Zuletzt haben wir ausführlich ein Delegiertensystem geprüft, da wir hierzu auch
explizit mit dem letzten Arbeitsprogramm beauftragt wurden. In einem solchen
System könnte die Teilnehmendenzahl ebenfalls auf einen festen Wert festgelegt
werden und die Plätze nach einem Schlüssel auf die verschiedenen Gebietsverbände
der GRÜNEN JUGEND verteilt werden, welche dann selbst entscheiden, wer sie auf
diesen Plätzen repräsentiert. Dabei könnten entweder die Kreisverbände oder die
Landesverbände die Orte sein, an denen die Delegationen festgelegt werden. Auch
eine Variante, in der die Landesverbände selbst entscheiden, ob sie oder ihre
Kreisverbände die Delegationen festlegen, ist denkbar. Wenn die Anzahl an
Delegierten hauptsächlich durch die Mitgliederzahl des jeweiligen Verbands
festgelegt würde, könnte sichergestellt werden, dass eine möglichst gleichmäßige
Repräsentation aller Mitglieder erfolgt. Gleichzeitig könnte z.B. durch eine
feste Mindestanzahl an Delegierten pro Verband eine angemessene leichte
Überrepräsentation strukturschwacher Gebiete sichergestellt werden. Durch eine
Quotierung der Delegierten bei der Wahl (sollte es Verbände mit nur eine*r
Delegiert*en geben, auch wechseljährig) und gezieltes Empowerment könnte auch
eine angemessene Repräsentation von marginalisierten Gruppen verbessert werden.
Gleichzeitig können die Verbände die wichtigen Fragen des Bundeskongresses im
Vorfeld diskutieren und ihren Delegierten Meinungen und Stimmungen mitgeben,
sodass diese alle in der Entscheidungsfindung auf dem Bundeskongress
berücksichtigt werden. Auch kreative Methoden, wie ein gemeinsames Schauen des
Livestreams und eine Chatgruppe mit den Delegierten, in denen die Meinungen live
mitgeteilt werden, bleibt den Verbänden selbst überlassen. Gleichzeitig ist es
in diesem System nicht mehr möglich, dass alle Mitglieder physisch am
Bundeskongress teilnehmen und würde dies bevorzugt für in ihrem Gebietsverband
gut vernetzte Verantwortungsträger*innen ermöglichen. Diese können durch ihre
Kenntnis ihres Gebietsverbands besser vertreten, eine Teilnahme von weniger gut
vernetzten oder neuen Mitgliedern ist damit unwahrscheinlicher.
Unser Ziel, verschiedene Delegiertensysteme (Landesverband oder Kreisverband,
verschiedene Verteilungs-Schlüssel, verschiedene Größen des Kongresses, usw.)
konkret durchzurechnen und vorzustellen, konnten wir nicht realisieren, da vom
entsprechenden Dienstleister der Grünen bis heute keine Daten über
Mitgliederzahlen in allen Kreisverbänden vorgelegt werden konnten. Daher ist
sowohl unsere Betrachtung als auch die Diskussion auf den Regionalforen auf der
hier beschriebenen abstrakten Ebene verlaufen. Auf den Regionalforen hat dieses
System die größte, jedoch keine überwältigende Zustimmung erhalten.
Sowohl in unserer Prüfung als auch in den Diskussionen auf den Regionalforen
haben immer wieder auch Mischungen aus diesen Szenarien eine Rolle gespielt.
Insbesondere wechseljährig einen Bundeskongress wie bisher als
Mitgliederversammlung und einen Delegiertenkongress abzuhalten, spielte hierbei
oft eine Rolle. Dabei würde die finanzielle Wechselhaftigkeit, nur alle zwei
Jahre einen Bundeskongress durchzuführen, mit der stärkeren Beteiligung von
Verantwortungsträger*innen kombiniert werden, gleichzeitig jedoch zumindest eine
gewisse finanzielle Entlastung und eine gewisse Erhaltung des aktuellen
Verbandshighlights bewirken. So sind alle Mischungen, die wir betrachtet haben,
eher Kombinationen, in denen die Nachteile sich summieren und die Vorteile nur
geringfügig verbessert werden. Daher haben diese im Weiteren keine größere Rolle
gespielt.
Abschließend können wir festhalten, dass auf den Regionalforen vor allem ein
Verlosungs-System sowie ein Delegiertenkongress Zustimmung als mögliche Reformen
des Bundeskongresses gefunden haben. Beide waren dabei beliebter als der Status-
Quo und der Delegiertenkongress hat etwas mehr Zustimmung erhalten. Als
Arbeitsbereich favorisieren wir dabei klar einen Delegiertenkongress, da dieser
nach unserer Abwägung die Kriterien und insbesondere eine gerechte
Repräsentation des Verbands, mit der Möglichkeit, am besten Entscheidungen im
Sinne des gesamten Verbands zu treffen, am besten erfüllt. Um den
unterschiedlichen Meinungen im Verband Rechnung zu tragen, empfehlen wir dem
nächsten Bundesvorstand, sobald genauere Mitgliedsdaten der Kreisverbände
vorliegen, Satzungsänderungen für sowohl mindestens ein Delegiertensystem als
auch ein Verlosungs-System vorzubereiten und auf dem nächsten Bundeskongress zur
Abstimmung zu stellen. Dieser Prozess sollte dabei weiterhin durch ausführliche
Debatten mit dem gesamten Verband begleitet werden.