erfolgt mündlich
Antrag: | Solidarität mit den Menschen in Bergkarabach |
---|---|
Antragsteller*in: | Grüne Jugend Bundesvorstand (dort beschlossen am: 16.10.2023) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 16.10.2023, 20:58 |
Antrag: | Solidarität mit den Menschen in Bergkarabach |
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Antragsteller*in: | Grüne Jugend Bundesvorstand (dort beschlossen am: 16.10.2023) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 16.10.2023, 20:58 |
Wir solidarisieren uns mit den Menschen in Bergkarabach. Der armenische Name
lautet Arzach, aber wir benutzen in diesem Antrag den international üblichen
Namen Bergkarabach. Wir verurteilen den Angriff Aserbaidschans. Für uns ist aber
klar: der Angriff steht nicht für sich allein, sondern ist eingebunden in
geopolitische Interessen und Konflikte. Dementsprechend benötigt es eine
internationalistische Analyse und politische Praxis unsererseits, um die
Menschen in Bergkarabach vor Tod, Unterdrückung und Vertreibung zu schützen,
sowie uns hier in der Bundesrepublik mit der migrantisch-armenischen Community
zu solidarisieren.
Worum geht es jetzt? – Zur aktuellen Situation
Nach einer neunmonatigen Blockade des Latschin-Korridors und der humanitären
Krise, die daraus erfolgte, startete Aserbaidschan am 19.09.2023 einen
militärischen Großangriff auf die Region. Dabei starben mindestens 200 Menschen
und über 400 wurden verletzt. Hunderte werden immer noch vermisst. Zehntausende
befinden sich seitdem auf der Flucht. Neben der Blockade des Latschin-Korridors,
der die einzige Verbindung Bergkarabachs mit der Republik Armenien herstellt,
hat das aserbaidschanische Militär weitere Binnenblockaden eingeführt. Dadurch
sind ganze Dörfer und Städte von der Außenwelt abgeschnitten. Humanitäre Hilfe
wird dringend benötigt. Das Rote Kreuz darf vereinzelt Hilfslieferungen in
bestimmte Regionen ausführen. Der Zugang zur medizinischen Versorgung fehlt und
macht die Situation umso schwieriger für die Menschen vor Ort.
Der Alijew-Clan
Der autoritäre Staatschef Aserbaidschans, Ilham Alijew, schürt seit Jahren Hass
gegen Armenier*innen, unterdrückt oppositionelle Kräfte mithilfe eines riesigen
Sicherheitsapparates und lässt politische Gegner*innen verhaften.
Von Nationalismus getrieben, stellt er auch die territoriale Integrität des
Nachbarlandes Armenien infrage. Die armenische Regierung hat die territoriale
Integrität Aserbaidschans im Mai 2023 anerkannt und auch die Region
Bergkarabach, die mehrheitlich von Armenier*innen bewohnt ist, als Teil
Aserbaidschans akzeptiert.
Aserbaidschan wird seit nun 50 Jahren mit einer kurzweiligen Unterbrechung vom
Alijew-Clan regiert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2023 von Reporter ohne
Grenzen befindet sich Aserbaidschan auf Platz 151 von 180. Im Demokratieindex
2022 wird Aserbaidschan auf Platz 134 von 167 eingestuft.
Alijew macht sich den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zunutze. Er
stillt den Bedarf der EU an fossilen Energieträgern und setzt diese als
Druckmittel gegen die europäische Staatengemeinschaft ein. Nato-Generalsekretär
Jens Stoltenberg lobte Aserbaidschan als zuverlässigen Partner.
Der Panturkismus – eine transnationalistische Ideologie
Die Armenier*innen befürchten einen neuerlichen militärischen Angriff auch auf
das Staatsgebiet der Republik Armenien. Die Ideologie des Panturkismus stellt
für die kleine Republik eine ernsthafte Existenzbedrohung dar. Der Panturkismus
ist eine nationalistische Ideologie, die die Bestrebung verfolgt, alle
Turkvölker (u.a. Türk*innen, Azeris oder Turkmen*innen) kulturell und
geografisch zu vereinen.
Dass Armenier*innen Opfer eines osmanischen Genozids wurden, getrieben durch das
jungtürkische Regime im Ersten Weltkrieg, ist bis heute ein rotes Tuch für
türkische Nationalist*innen - die Anerkennung des Genozids an den Armenier*innen
wird vom türkischen Staat geleugnet. Doch die Leugnung des Genozids geht über
das türkisch-rechte Spektrum hinaus, denn auch in nicht-rechten türkisch-
migrantischen Kontexten ist die Anerkennung des Genozids umstritten.
Die Türkei als Komplize
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Alijew sich von bloßen Aufforderungen
internationaler Partner unbeeindruckt lässt. Ferner wird er durch das NATO-
Mitglied Türkei in seinen bisherigen Bestrebungen unentwegt und tatkräftig
unterstützt.
Nach seinem Militäreinsatz ist Aserbaidschan für die Sicherheit und die
Einhaltung der Rechte der Armenier*innen verantwortlich. Aktuell ist die
armenische Bevölkerung in der Region schutzlos. Menschenrechtsorganisationen wie
das Lemkin-Institut für Völkermordprävention oder die Gesellschaft für bedrohte
Völker warnen seit 2022 vor einem Genozid. Laut Art II (c) der UN-
Völkermordkonvention liegt der Tatbestand eines Genozids bei einer vorsätzlichen
Auferlegung von Lebensbedingungen vor, die geeignet sind, die körperliche
Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.
Bereits am 22. Februar 2023 sowie zuletzt im Juli 2023 forderte der
Internationale Gerichtshof (IGH) Aserbaidschan auf, alle Maßnahmen zu ergreifen,
um einen ungehinderten Personen-, Fahrzeug- und Güterverkehr entlang des
Latschin-Korridors in beide Richtungen zu gewährleisten.
Positionierungen im UN-Sicherheitsrat
In der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates vom 21. September
verurteilten die Außenministerinnen Deutschlands und Frankreichs die
militärische Aggression Aserbaidschans gegen die Armenier*innen in Bergkarabach
und forderten Aserbaidschan dazu auf, die territoriale Integrität Armeniens zu
respektieren. Ferner verlangten sie nach internationalem Recht
Sicherheitsgarantien für die armenische Bevölkerung Bergkarabachs vonseiten
Aserbaidschans.
Die Republik Armenien ist eine junge postsowjetische Demokratie, die aufgrund
der jüngsten Entwicklungen in Bergkarabach in eine schwere innenpolitische Krise
stürzte. Die Außenministerin Annalena Baerbock forderte, dass die Demokratie in
Armenien nicht durch dritte Staaten unterminiert werden sollte. Die Republik
Armenien hat angesichts des russischen Versagens als Schutzmacht für den
Waffenstillstand in Bergkarabach seine bisher engen Beziehungen zu Russland
gelockert und versucht, sich dem Westen anzunähern. Das wiederum verschlechtert
auch die Beziehungen zu Armeniens direktem Nachbarn Iran.
Deutschlands historische Verantwortung
Wir erwähnen mit Nachdruck, dass Deutschland eine besondere historische
Verantwortung gegenüber Armenier*innen trägt. 2016 hat der Bundestag in seiner
Resolution zur Anerkennung des Genozids an den osmanischen Christen dies zum
Ausdruck gebracht. Während des Ersten Weltkriegs war das Deutsche Kaiserreich
militärischer Hauptverbündeter des Osmanischen Reiches und daher besonders
umfassend über die Vernichtung der Armenier*innen und anderer christlicher
Bevölkerungsgruppen informiert. Dennoch hat die deutsche Staatsführung den
Genozid damals stillschweigend hingenommen. Der Bundestag bekannte sich in
seinen Resolutionen von 2005 und 2016 ausdrücklich zu seiner historischen
Mitverantwortung.
Unsere Forderungen
Damit dennoch ein dauerhafter Frieden ermöglicht werden kann, fordern wir:
Wichtige Themen nicht den Rechten überlassen
Außerdem möchten wir betonen, dass dieser Konflikt im Kern kein religiöser
Konflikt ist. Innenpolitisch versuchen rechte Kräfte in Deutschland, unter
anderem die rechtsextreme Partei, die AfD, die Situation im Südkaukasus für ihre
politische Hetzkampagne zu instrumentalisieren, indem sie gezielt den
christlichen Hintergrund der Armenier*innen gegen den muslimischen Hintergrund
der Türk*innen oder Aserbaidschaner*innen auszuspielen versuchen. Wir treten
entschieden gegen diesen Versuch der gesellschaftlichen Spaltung ein.
Wir solidarisieren uns mit den Menschen in Bergkarabach. Der armenische Name
lautet Arzach, aber wir benutzen in diesem Antrag den international üblichen
Namen Bergkarabach. Wir verurteilen den Angriff Aserbaidschans. Für uns ist aber
klar: der Angriff steht nicht für sich allein, sondern ist eingebunden in
geopolitische Interessen und Konflikte. Dementsprechend benötigt es eine
internationalistische Analyse und politische Praxis unsererseits, um die
Menschen in Bergkarabach vor Tod, Unterdrückung und Vertreibung zu schützen,
sowie uns hier in der Bundesrepublik mit der migrantisch-armenischen Community
zu solidarisieren.
Worum geht es jetzt? – Zur aktuellen Situation
Nach einer neunmonatigen Blockade des Latschin-Korridors und der humanitären
Krise, die daraus erfolgte, startete Aserbaidschan am 19.09.2023 einen
militärischen Großangriff auf die Region. Dabei starben mindestens 200 Menschen
und über 400 wurden verletzt. Hunderte werden immer noch vermisst. Zehntausende
befinden sich seitdem auf der Flucht. Neben der Blockade des Latschin-Korridors,
der die einzige Verbindung Bergkarabachs mit der Republik Armenien herstellt,
hat das aserbaidschanische Militär weitere Binnenblockaden eingeführt. Dadurch
sind ganze Dörfer und Städte von der Außenwelt abgeschnitten. Humanitäre Hilfe
wird dringend benötigt. Das Rote Kreuz darf vereinzelt Hilfslieferungen in
bestimmte Regionen ausführen. Der Zugang zur medizinischen Versorgung fehlt und
macht die Situation umso schwieriger für die Menschen vor Ort.
Der Alijew-Clan
Der autoritäre Staatschef Aserbaidschans, Ilham Alijew, schürt seit Jahren Hass
gegen Armenier*innen, unterdrückt oppositionelle Kräfte mithilfe eines riesigen
Sicherheitsapparates und lässt politische Gegner*innen verhaften.
Von Nationalismus getrieben, stellt er auch die territoriale Integrität des
Nachbarlandes Armenien infrage. Die armenische Regierung hat die territoriale
Integrität Aserbaidschans im Mai 2023 anerkannt und auch die Region
Bergkarabach, die mehrheitlich von Armenier*innen bewohnt ist, als Teil
Aserbaidschans akzeptiert.
Aserbaidschan wird seit nun 50 Jahren mit einer kurzweiligen Unterbrechung vom
Alijew-Clan regiert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2023 von Reporter ohne
Grenzen befindet sich Aserbaidschan auf Platz 151 von 180. Im Demokratieindex
2022 wird Aserbaidschan auf Platz 134 von 167 eingestuft.
Alijew macht sich den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zunutze. Er
stillt den Bedarf der EU an fossilen Energieträgern und setzt diese als
Druckmittel gegen die europäische Staatengemeinschaft ein. Nato-Generalsekretär
Jens Stoltenberg lobte Aserbaidschan als zuverlässigen Partner.
Der Panturkismus – eine transnationalistische Ideologie
Die Armenier*innen befürchten einen neuerlichen militärischen Angriff auch auf
das Staatsgebiet der Republik Armenien. Die Ideologie des Panturkismus stellt
für die kleine Republik eine ernsthafte Existenzbedrohung dar. Der Panturkismus
ist eine nationalistische Ideologie, die die Bestrebung verfolgt, alle
Turkvölker (u.a. Türk*innen, Azeris oder Turkmen*innen) kulturell und
geografisch zu vereinen.
Dass Armenier*innen Opfer eines osmanischen Genozids wurden, getrieben durch das
jungtürkische Regime im Ersten Weltkrieg, ist bis heute ein rotes Tuch für
türkische Nationalist*innen - die Anerkennung des Genozids an den Armenier*innen
wird vom türkischen Staat geleugnet. Doch die Leugnung des Genozids geht über
das türkisch-rechte Spektrum hinaus, denn auch in nicht-rechten türkisch-
migrantischen Kontexten ist die Anerkennung des Genozids umstritten.
Die Türkei als Komplize
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Alijew sich von bloßen Aufforderungen
internationaler Partner unbeeindruckt lässt. Ferner wird er durch das NATO-
Mitglied Türkei in seinen bisherigen Bestrebungen unentwegt und tatkräftig
unterstützt.
Nach seinem Militäreinsatz ist Aserbaidschan für die Sicherheit und die
Einhaltung der Rechte der Armenier*innen verantwortlich. Aktuell ist die
armenische Bevölkerung in der Region schutzlos. Menschenrechtsorganisationen wie
das Lemkin-Institut für Völkermordprävention oder die Gesellschaft für bedrohte
Völker warnen seit 2022 vor einem Genozid. Laut Art II (c) der UN-
Völkermordkonvention liegt der Tatbestand eines Genozids bei einer vorsätzlichen
Auferlegung von Lebensbedingungen vor, die geeignet sind, die körperliche
Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.
Bereits am 22. Februar 2023 sowie zuletzt im Juli 2023 forderte der
Internationale Gerichtshof (IGH) Aserbaidschan auf, alle Maßnahmen zu ergreifen,
um einen ungehinderten Personen-, Fahrzeug- und Güterverkehr entlang des
Latschin-Korridors in beide Richtungen zu gewährleisten.
Positionierungen im UN-Sicherheitsrat
In der Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates vom 21. September
verurteilten die Außenministerinnen Deutschlands und Frankreichs die
militärische Aggression Aserbaidschans gegen die Armenier*innen in Bergkarabach
und forderten Aserbaidschan dazu auf, die territoriale Integrität Armeniens zu
respektieren. Ferner verlangten sie nach internationalem Recht
Sicherheitsgarantien für die armenische Bevölkerung Bergkarabachs vonseiten
Aserbaidschans.
Die Republik Armenien ist eine junge postsowjetische Demokratie, die aufgrund
der jüngsten Entwicklungen in Bergkarabach in eine schwere innenpolitische Krise
stürzte. Die Außenministerin Annalena Baerbock forderte, dass die Demokratie in
Armenien nicht durch dritte Staaten unterminiert werden sollte. Die Republik
Armenien hat angesichts des russischen Versagens als Schutzmacht für den
Waffenstillstand in Bergkarabach seine bisher engen Beziehungen zu Russland
gelockert und versucht, sich dem Westen anzunähern. Das wiederum verschlechtert
auch die Beziehungen zu Armeniens direktem Nachbarn Iran.
Deutschlands historische Verantwortung
Wir erwähnen mit Nachdruck, dass Deutschland eine besondere historische
Verantwortung gegenüber Armenier*innen trägt. 2016 hat der Bundestag in seiner
Resolution zur Anerkennung des Genozids an den osmanischen Christen dies zum
Ausdruck gebracht. Während des Ersten Weltkriegs war das Deutsche Kaiserreich
militärischer Hauptverbündeter des Osmanischen Reiches und daher besonders
umfassend über die Vernichtung der Armenier*innen und anderer christlicher
Bevölkerungsgruppen informiert. Dennoch hat die deutsche Staatsführung den
Genozid damals stillschweigend hingenommen. Der Bundestag bekannte sich in
seinen Resolutionen von 2005 und 2016 ausdrücklich zu seiner historischen
Mitverantwortung.
Unsere Forderungen
Damit dennoch ein dauerhafter Frieden ermöglicht werden kann, fordern wir:
Wichtige Themen nicht den Rechten überlassen
Außerdem möchten wir betonen, dass dieser Konflikt im Kern kein religiöser
Konflikt ist. Innenpolitisch versuchen rechte Kräfte in Deutschland, unter
anderem die rechtsextreme Partei, die AfD, die Situation im Südkaukasus für ihre
politische Hetzkampagne zu instrumentalisieren, indem sie gezielt den
christlichen Hintergrund der Armenier*innen gegen den muslimischen Hintergrund
der Türk*innen oder Aserbaidschaner*innen auszuspielen versuchen. Wir treten
entschieden gegen diesen Versuch der gesellschaftlichen Spaltung ein.
erfolgt mündlich