Veranstaltung: | 57. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | J Kampagnenjahr 2024 |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | 57. Bundeskongress |
Beschlossen am: | 21.10.2023 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Für einen Ost New Deal
Beschlusstext
Von blühenden Landschaften keine Spur
Blühende Landschaften, Freiheit, Sicherheit - das waren die großen
Versprechungen nach der Wende. Während Reisefreiheit, stärkere gesellschaftliche
Freiheiten und freie Wahlen tatsächlich eingelöst wurden, zeigte sich schnell
auch die andere Seite der Wende: Große staatliche Unternehmen wurden von der
Treuhand zerschlagen und vier von fünf Ostdeutschen verloren nach der Wende ihre
Jobs. Dort, wo Menschen neue Arbeit fanden, waren ihre neuen Chefs vor allem
Investor*innen aus Westdeutschland, die weder die Betriebe noch die Menschen
kannten. Nach der Wiedervereinigung galt der Osten als Absatzmarkt für die
Maximierung der Gewinne von Westfirmen. Auch heute noch werden viele Gewinne aus
Wertschöpfung im Osten oft in den Westen oder ins Ausland abgezogen. Die
Ausgestaltung des Systemwechsels der ehemaligen DDR in die BRD fand über die
Köpfe der Menschen hinweg statt.
Während sich Macht- und Perspektivlosigkeit breit machten, hatten Neonazis
leichtes Spiel, den Frust für ihre menschenverachtenden Ideologien zu nutzen.
Bereits existierende Rechte Strukturen breiteten sich aus und wurden zum
Nährboden für weiteren Hass.
Gastarbeiter*innen und Asylsuchende wurden zur Projektionsfläche von Frust und
Ausweglosigkeit und damit Opfer brutaler Gewaltexzesse. Diese Gewalt, sowie das
migrantische Leben in Ostdeutschland, finden bis heute kaum Platz in der
ostdeutschen Geschichtsaufarbeitungen.
In der Erinnerung an die DDR stehen die Unterdrückungsmechanismen des SED-
Regimes, sowie die Überwindung derer durch die friedliche Revolution im Fokus.
Ergänzend dazu braucht es ein breiteres Befassen mit Alltag und Widerstand in
der DDR, sowie den Umbruchsprozessen nach 1989.
Mit der Wende wurde die DDR-Vergangenheit der Menschen kollektiv abgewertet, und
bis heute kommt die Erinnerung an die DDR in der Schule und im öffentlichen Raum
viel zu kurz.
Der Frust einer ungleichen Wiedervereinigung bleibt bis heute
Der ostdeutsche Durchschnittslohn ist immer noch deutlich niedriger, die
Tarifverträge für die gleiche Arbeit ebenfalls. Vermögen und Erbschaften sind
strukturell bedingt viel geringer als im Westen. Jobperspektiven, egal ob für
jung oder alt: Mangelware. Die Landeshaushalte sind klein, die Kommunen werden
weiter kaputtgespart. Der demografische Wandel trifft besonders die
strukturschwachen Gegenden im Osten.
Rechte Parteien und Organisationen werden bereits seit Jahren immer stärker.
Während viele Deutsche immer wieder auf “den Nazis im Osten” rumhacken, wird die
politische Linke im Osten immer schwächer. Für uns als GRÜNE JUGEND ist zudem
klar: Die allgemeine Abwertung der Menschen im Osten muss ein Ende haben. Nicht
alle Menschen im Osten sind rechts - doch die sozialen und geschichtlichen
Hintergründe machen sie besonders anfällig dafür. Die aktive Zivilgesellschaft
ist immer noch sehr klein und da wo es sie gibt, arbeitet sie unter den
widrigsten Umständen: Schlechte Finanzierung, weite Distanzen und vor allem
immer stärkere Anfeindungen bis hin zur Gewalt von Rechts gehören für Linke in
Ostdeutschland zum Alltag.
Wir überlassen den Osten nicht den Rechten und kämpfen für einen Ost New Deal.
Gleiche Löhne für gleiche Arbeit
Auch nach über 30 Jahren Deutscher Einheit ist die materielle Ungleichheit
zwischen West und Ost enorm. Ein wesentlicher Faktor für diese Ungleichheit sind
die bis heute fortbestehenden Lohnunterschiede. Diese Ungerechtigkeit trägt
entscheidend dazu bei, dass Menschen in Ostdeutschland das Gefühl haben, ihre
Leistung sei weniger wert. Ein wesentlicher Grund für die Lohnunterschiede ist
die deutlich geringere Tarifbindung. Gerade deshalb haben Arbeitskämpfe eine
zentrale Bedeutung für das gute Leben im Osten. Voraussetzung dafür ist, dass
mehr Menschen im Osten in Gewerkschaften eintreten und selbst für gute
Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und eine aktive Beteiligung in
Strukturwandelprozessen kämpfen. Wir als GRÜNE JUGEND unterstützen deshalb die
Gewerkschaften im Osten umso mehr auf dem Weg zu mehr Tarifbindungen und in den
Arbeitskämpfen gegen die Ungleichheiten zwischen Ost und West.
Raus aus der Kohle: Den klimaneutralen Umbau gemeinsam mit den Beschäftigten
gestalten
Seit Jahren ist klar: Der Braunkohletagebau und die Kohleverstromung in den
ostdeutschen Revieren haben keine Zukunft mehr. Ständig führen uns
Extremwettereignisse vor Augen, wie dringend wir die eskalierende Klimakrise
stoppen müssen. Sowohl die politisch Verantwortlichen als auch die Branche
selbst gehen inzwischen von einem marktgetriebenen Kohleausstieg deutlich vor
2038 aus. Wer dennoch weiter auf Braunkohleförderung setzt, setzt auf
Deindustrialisierung, soziale Krisen und riskiert unsere Zukunft. Doch unter
welchen Bedingungen der Kohleausstieg stattfindet und wie Perspektiven für die
Menschen und Regionen geschaffen werden können, liegt in unserer Hand. Wir
wollen keinen Strukturwandel, der von Konzernen und ihren Profiterwartungen
getrieben wird, sondern eine regionale Entwicklung, in der die Menschen in der
Region und die Beschäftigten der Braunkohleindustrie selbst die Treiber*innen
der Veränderungsprozesse sind.
Den Rahmen für einen gerechten Strukturwandel setzen
Einen Strukturwandel im Sinne der Menschen kann es nur geben, wenn die
Rahmenbedingungen für einen gerechten Wandel stimmen. Mit einer Statusgarantie
könnte sichergestellt werden, dass alle Beschäftigten der fossilen Industrien
neue Jobs mit vergleichbaren Tarifbedingungen erhalten. Mit einer allgemeinen
Jobgarantie könnten gut bezahlte Jobs in den Kommunen entstehen und so
Vollbeschäftigung und Stabilisierung in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs
erreicht werden. Status- und Jobgarantie können die notwendige Sicherheit
bieten, um optimistisch auf den Wandel blicken zu können. Darüber hinaus braucht
es mehr langfristige Aus- und Weiterbildungsangebote für die Menschen in den
Transformationsbranchen. Nicht zuletzt müssen durch eine planende und
vorausschauende Industriepolitik und durch eine Stärkung der Daseinsvorsorge
viele neue gut bezahlte und mitbestimmte Jobs entstehen. Dabei muss klar sein:
Wann immer der Staat Unternehmensrisiken abfedert oder sich selbst finanziell
beteiligt, muss auch öffentlicher Wohlstand unter demokratischer Kontrolle
entstehen.
Ausbau der erneuerbaren Energien
Damit der Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung so schnell wie möglich
passiert, ohne ganze Regionen zu deindustrialisieren, ist entscheidend, dass das
Potenzial der erneuerbaren Energien in Ostdeutschland vollumfänglich genutzt und
der Ausbau schneller als bisher vorangetrieben wird. In Ostdeutschland gibt es
viele Flächen, auf denen problemlos im Einklang zwischen Mensch und Natur
erneuerbare Energien gebaut werden können. Wir wollen, dass der Ausstieg aus
fossiler Energieerzeugung und der Einstieg in die Erneuerbaren zum Ausgangspunkt
der Demokratisierung unserer Energieerzeugung wird: Wir finden: Unternehmen, die
erneuerbare Energien produzieren, gehören in die Hände der Menschen vor Ort.
Kohlekonzerne in die Verantwortung nehmen
Kohlekonzerne, die durch massive Umweltzerstörung enorme Gewinne eingefahren
haben, haben eine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit. Wir finden deshalb:
Die Ewigkeitslasten müssen von den Konzernen selbst getragen werden. Sie müssen
dafür sorgen, dass die Braunkohlefolgeflächen auch der Natur durch Renaturierung
zurückgeführt werden. Die Transformation der ehemaligen Tagebaue hinzu einer
neuen Nutzung muss an die Herausforderungen des Klimawandels, insbesondere der
Wasserknappheit, angepasst werden. Es ist die Pflicht der Betreiber, Pläne für
die Sanierung vorzulegen und diese auch umzusetzen und auszufinanzieren. Es
dürfen keine Steuergelder als Entschädigungen an Braunkohleunternehmen fließen.
Strukturwandel heißt auch: Das gute Leben vor Ort
Junge Menschen ziehen weg, die Grundversorgung mit Ärzt*innen,
Lebensmittelgeschäften, Internet oder ÖPNV ist kaum gegeben oder im Rückbau. Wo
kein Markt ist oder die klammen Kassen der Kommunen keine Spielräume lassen,
werden die Daseinsvorsorge zurückgebaut und Menschen zurückgelassen - den
ländlichen Raum trifft das besonders hart. Was es braucht, ist eine Politik, die
die Bedürfnisse der Menschen im ländlichen Ostdeutschland endlich wieder in den
Mittelpunkt stellt. Voraussetzung dafür ist, dass Länder und Kommunen finanziell
stabiler aufgestellt werden und dass der Aufbau einer starken Daseinsvorsorge in
öffentlicher Hand zur zentralen Säule in Strukturförderprogrammen wird.
More passion more energy more footwork
Ziel unserer Kampagnen zu den Landtags- und Kommunalwahlen 2024 im Osten ist,
eine stärkere gesellschaftliche Linke in Ostdeutschland zu organisieren. Dafür
wollen wir die reale Lebenssituation von jungen Menschen adressieren und
langfristig neue Mitglieder für den Verband gewinnen.
Dafür heißt es im kommenden Jahr: Neue Wege gehen!
Wir wollen uns stärker mit Gewerkschaften vor Ort zusammentun und sie mit der
Klimabewegung an einen Tisch bringen. Dafür kann #WirFahrenZusammen ein guter
Ausgangspunkt sein. Wir brauchen Aktionsformate, die im ländlichen Raum und mit
wenig Mitgliedern funktionieren. Eine Kampagne lebt von der Sichtbarkeit ihrer
Teilnehmer*innen und von den vielen Gesprächen. Dafür braucht es im nächsten
Jahr sowohl Sicherheitskonzepte als auch Ansprachetrainings.
Nie ohne unser Team!
Wir brauchen den gesamten Verband, um wirklich schlagkräftig zu sein. Mit einer
guten Vorbereitung der Kampagne zur Europawahl wollen wir Aktionsformate
entwickeln, die - thematisch angepasst - unkompliziert auch im Kommunalwahlkampf
einsetzbar sind.
Wir wollen insbesondere die Ost-Landesverbände aktiv bei der Schulung ihrer
Mitglieder zur Europakampagne unterstützen, da die in diesen Schulungen
erworbene Skills auch für die folgenden Landtagswahlkampagnen von hoher
Bedeutung sind. Eine große Kampagne kann am Ende des Tages nicht ohne viele
Hände geschehen! Deshalb werden wir Wahlkampf Besuche in den entsprechenden
Landesverbänden einplanen.
Als GRÜNE JUGEND warten wir nicht auf die blühenden Landschaften, sondern
erkämpfen sie selbst!