Antrag: | Zweigeschlechtlichkeit überwinden, Menschenrechtsverletzungen beenden: Gleichberechtigung für trans*, inter* und nicht-binäre Personen |
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Antragsteller*in: | Richard Gräger, Annka Esser, Luzie Wimmer, Melina Bachmann, Justus Zimmermann |
Status: | Behandelt |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 28.10.2019, 01:30 |
K-1-015: Zweigeschlechtlichkeit überwinden, Menschenrechtsverletzungen beenden: Gleichberechtigung für trans*, inter* und nicht-binäre Personen
Antragstext
Von Zeile 14 bis 16 einfügen:
von sich, dass sie sich weder als "männlich" noch "weiblich" identifizieren und geben stattdessen eine selbstgewählte Bezeichnung für ihre nicht-binäre Identität an. Noch heute erfahren viele Betroffene Ausgrenzung, Diskriminierung und schlimmstenfalls
Das Bundesfamilienministerium stellte in einer offiziellen Untersuchung fest,
dass 3,3 % aller Menschen in Deutschland ein von ihrem Registerdaten-Geschlecht
abweichendes soziales Geschlecht haben. 0,2 bis 2 % aller Menschen haben keine
Übereinstimmung des augenfälligen Geschlechts mit dem erlebten Geschlecht. Im
Rahmen medizinischer Normierung werden heute 49 unterschiedliche Formen
körperlicher Entwicklungen diagnostiziert, die mit Intersexualität angesprochen
werden. Zwischen 8.000 und 120.000.Menschen in Deutschland werden als
intersexuell angesehen.
Demnach ist davon auszugehen, dass mehrere hunderttausend Menschen in
Deutschland sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen
geschlechtlichen Definition von "Mann" bzw. "Frau" identifizieren oder
biologisch nicht eindeutig einer medizinischen "Normkategorie" von "männlich"
oder "weiblich" zugeordnet werden können. Immer mehr Menschen sagen mittlerweile
von sich, dass sie sich weder als "männlich" noch "weiblich" identifizieren und
geben stattdessen eine selbstgewählte Bezeichnung für ihre nicht-binäre Identität an. Noch heute
erfahren viele Betroffene Ausgrenzung, Diskriminierung und schlimmstenfalls
Gewalt.
Für uns ist klar: Das muss sich ändern.
Trans*, inter* and non-binary lives matter!
2.982 Morde an trans* und geschlechtsdiversen Personen sind zwischen 2008 und
2018 weltweit gemeldet worden, zwei dieser Fälle ereigneten sich in Deutschland.
Laut Verbänden und Polizeistatistiken finden hierzulande jedes Jahr
schätzungsweise hunderte gewaltvolle Übergriffe auf trans*, inter und nicht-
binäre Personen statt. Statistiken berichten ebenfalls von erhöter
Arbeitslosigkeit sowie Suizidraten, insbesondere unter Jugendlichen.
Geschlechtszuweisende, kosmetische Operationen an inter* Kindern, die
medizinisch nicht notwendig sind, wurden in verschiedensten Stellungnahmen zwar
als Verstoß gegen das Menschenrecht und die körperliche Unversehrtheit gewertet,
aber werden weiterhin in Deutschland praktiziert, obwohl die Folgen für
Betroffene irreversibel und oftmals im späteren Leben traumatisierend sind.
Problematisch ist das nicht nur, weil die Kinder oft zu jung sind, um überhaupt
selbst eine Zu- oder Ablehnung zu einer Operation zu äußern, sondern auch, weil
viele Eltern später angeben, schlecht beraten oder von Mediziner*innen unter
Druck gesetzt worden zu sein. Medizinisch nicht notwendige genitalverändernde
Operationen an Kindern müssen endlich der Vergangenheit angehören.
Für uns ist klar: Alle Menschen haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Geschlechtliche Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung!
Das deutsche Staatswesen ist geprägt von Zweigeschlechtlichkeit. Erst das
Transsexuellengesetz von 1981 und die Einführung des dritten Geschlechtseintrags
"divers", der infolge des BVerfG-Urteils von 2017 geschaffen wurde, rüttelten an
dieser Tradition. Doch das TSG von 1981 findet heute nur noch in einer
eingeschränkten Version Anwendung, da auch hier das BVerfG 2011 Teile des
Gesetzes für verfassungswidrig erklärte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren trans*
Personen, die eine Personenstandsänderung (Änderung des Geschlechtseintrags)
anstrebten gesetzlich dazu gezwungen, sich einer "dauernd fortpflanzungsunfähig"
machenden Operation, also einer Zwangssterilisation zu unterziehen. Der UN-
Menschenrechtsrat sprach sich daher bei der letzten Überprüfung der
Menschenrechtslage in Deutschland dafür aus, einen „Entschädigungsfonds für
Personen einzurichten, die sich für eine Anerkennung ihres Geschlechts zwischen
1981 und 2011 zwangsweise sterilisieren lassen mussten oder nicht gewollte
geschlechtsangleichende Behandlungen erfahren haben“. Doch CDU/CSU & SPD in der
Bundesregierung lehnten diesen Entschädigungsfonds ab. Auch wenn
Zwangssterilisationen heute keine Anwendung mehr finden, klagen Betroffene über
die noch immer bleibenden langwierigen gerichtlichen Prozesse, deren Kosten sie
selbst tragen müssen, sowie die im Rahmen der Vornamens- und
Personenstandsänderung (VÄ/PÄ) einzuholenden psychiatrischen Gutachten. Diese
Zwangsbegutachtung verstößt unserer Auffassung nach massiv gegen die
geschlechtliche Selbstbestimmung. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
spricht sich für die Abschaffung der Begutachtung und des gerichtlichen
Verfahrens aus, da dieses die Betroffenen psychisch belastet und im Widerspruch
zum Selbstbestimmungsrecht von trans* Personen steht.
Viele Länder (z.B. Malta, Portugal, Dänemark, Irland) haben mittlerweile
fortschrittlichere Regelungen eingeführt, bei denen die Änderung von Namen und
Geschlechtseintrag selbstbestimmt durch einen Antrag bei einer Behörde wie bspw.
dem Standesamt erfolgt. Der im Frühjahr von der Bundesregierung vorgelegte
Reformvorschlag wurde einer lang geforderten fortschrittlicheren Regelung nicht
nur nicht gerecht, sondern schlug die Einführung weiterer Hürden wie der
Befragung der Ehepartner*innen vor.
Auch die Einführung des § 45b PStG in diesem Jahr muss in der jetzigen
Ausgestaltung kritisch gesehen werden. Zwar gibt es nun in Deutschland eine sog.
"Dritte Option" beim Geschlechtseintrag, die nach Vorlage eines ärztlichen
Attestes über "Varianten der Geschlechtsentwicklung" beim Standesamt beantragt
werden kann, doch so steht dieser Weg nicht allen Betroffenen offen. Wir wollen
uns für eine bürokratiearme Lösung einsetzen, die ohne Pathologisierung auskommt
und allen Betroffenen offen steht.
Für uns ist klar: Alle Menschen haben das Recht auf geschlechtliche
Selbstbestimmung.
Darum setzen wir uns für folgende Punkte ein:
- Eine selbstbestimmte dritte Option sowie die Option den Geschlechtseintrag
leer zu lassen im Personenstandsrecht, die ohne Pathologisierung auskommt
und nicht nur inter* Personen, sondern auch z.B. nicht-binären Menschen
offensteht
- ein Ende der staatlichen Pathologisierung und Gutachtenpflicht
- aus Selbstbestimmung basierende Vornamens- und Personenstandsänderung
(VÄ/PÄ), die als kostenloser Verwaltungsakt vorgenommen werden
- Zugang zur VÄ/PÄ für Nichtdeutsche, die in Deutschland wohnen
- Die sozialrechtliche Absicherung trans*-spezifischer Gesundheitsversorgung
- Die rechtliche „Geschlechtsmündigkeit“ ab 14 (analog zur derzeit gültigen
"Sexualmündigkeit"), perspektivisch ab der Geburt
- Zertifizierte Beratungsstellen
- Eine geschlechtsneutrale Formulierungzur Regelung der Elternschaft in
Gesetzestexten & Dokumenten
- Die konsequente Umsetzung eines Verbots von geschlechts-
bzw.genitalverändernden Operationen an nicht zustimmungsfähigenKindern
(wie sie bspw. häufig an inter* Kindern erfolgen)
- Eine Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte von trans* Personen in
Deutschland
- Eine angemessene Entschädigung für trans* und inter* Personen, deren
Menschenrechte verletzt worden sind, in Form eines Entschädigungsfonds
- Aufklärungs- & Sensibilisierungsprogrammean öffentlichen Einrichtungen
sowie ein pädogischer Leitfaden für den respektvollen Umgang mit trans*,
inter* und nicht-binären Kindern & Jugendlichen & institutioneller
Leitfaden für den repektvollen Umgang mit betroffenen Kolleg*innen &
Angestellten
- Konsequentes Vorgehen gegen Gewalt
- die Unterstützung & Aufbau queerer Jugendberatungen unter Einbeziehung
spezifischer trans*, inter* und nicht-binärer Beratung
- Die Stärkung von trans*, inter* und nicht-binären Perspektiven in
Wissenschaft und Forschung, insbesondere der Medizin und der
Rechtswissenschaft
Von Zeile 14 bis 16 einfügen:
von sich, dass sie sich weder als "männlich" noch "weiblich" identifizieren und geben stattdessen eine selbstgewählte Bezeichnung für ihre nicht-binäre Identität an. Noch heute erfahren viele Betroffene Ausgrenzung, Diskriminierung und schlimmstenfalls
Das Bundesfamilienministerium stellte in einer offiziellen Untersuchung fest,
dass 3,3 % aller Menschen in Deutschland ein von ihrem Registerdaten-Geschlecht
abweichendes soziales Geschlecht haben. 0,2 bis 2 % aller Menschen haben keine
Übereinstimmung des augenfälligen Geschlechts mit dem erlebten Geschlecht. Im
Rahmen medizinischer Normierung werden heute 49 unterschiedliche Formen
körperlicher Entwicklungen diagnostiziert, die mit Intersexualität angesprochen
werden. Zwischen 8.000 und 120.000.Menschen in Deutschland werden als
intersexuell angesehen.
Demnach ist davon auszugehen, dass mehrere hunderttausend Menschen in
Deutschland sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen
geschlechtlichen Definition von "Mann" bzw. "Frau" identifizieren oder
biologisch nicht eindeutig einer medizinischen "Normkategorie" von "männlich"
oder "weiblich" zugeordnet werden können. Immer mehr Menschen sagen mittlerweile
von sich, dass sie sich weder als "männlich" noch "weiblich" identifizieren und
geben stattdessen eine selbstgewählte Bezeichnung für ihre nicht-binäre Identität an. Noch heute
erfahren viele Betroffene Ausgrenzung, Diskriminierung und schlimmstenfalls
Gewalt.
Für uns ist klar: Das muss sich ändern.
Trans*, inter* and non-binary lives matter!
2.982 Morde an trans* und geschlechtsdiversen Personen sind zwischen 2008 und
2018 weltweit gemeldet worden, zwei dieser Fälle ereigneten sich in Deutschland.
Laut Verbänden und Polizeistatistiken finden hierzulande jedes Jahr
schätzungsweise hunderte gewaltvolle Übergriffe auf trans*, inter und nicht-
binäre Personen statt. Statistiken berichten ebenfalls von erhöter
Arbeitslosigkeit sowie Suizidraten, insbesondere unter Jugendlichen.
Geschlechtszuweisende, kosmetische Operationen an inter* Kindern, die
medizinisch nicht notwendig sind, wurden in verschiedensten Stellungnahmen zwar
als Verstoß gegen das Menschenrecht und die körperliche Unversehrtheit gewertet,
aber werden weiterhin in Deutschland praktiziert, obwohl die Folgen für
Betroffene irreversibel und oftmals im späteren Leben traumatisierend sind.
Problematisch ist das nicht nur, weil die Kinder oft zu jung sind, um überhaupt
selbst eine Zu- oder Ablehnung zu einer Operation zu äußern, sondern auch, weil
viele Eltern später angeben, schlecht beraten oder von Mediziner*innen unter
Druck gesetzt worden zu sein. Medizinisch nicht notwendige genitalverändernde
Operationen an Kindern müssen endlich der Vergangenheit angehören.
Für uns ist klar: Alle Menschen haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Geschlechtliche Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung!
Das deutsche Staatswesen ist geprägt von Zweigeschlechtlichkeit. Erst das
Transsexuellengesetz von 1981 und die Einführung des dritten Geschlechtseintrags
"divers", der infolge des BVerfG-Urteils von 2017 geschaffen wurde, rüttelten an
dieser Tradition. Doch das TSG von 1981 findet heute nur noch in einer
eingeschränkten Version Anwendung, da auch hier das BVerfG 2011 Teile des
Gesetzes für verfassungswidrig erklärte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren trans*
Personen, die eine Personenstandsänderung (Änderung des Geschlechtseintrags)
anstrebten gesetzlich dazu gezwungen, sich einer "dauernd fortpflanzungsunfähig"
machenden Operation, also einer Zwangssterilisation zu unterziehen. Der UN-
Menschenrechtsrat sprach sich daher bei der letzten Überprüfung der
Menschenrechtslage in Deutschland dafür aus, einen „Entschädigungsfonds für
Personen einzurichten, die sich für eine Anerkennung ihres Geschlechts zwischen
1981 und 2011 zwangsweise sterilisieren lassen mussten oder nicht gewollte
geschlechtsangleichende Behandlungen erfahren haben“. Doch CDU/CSU & SPD in der
Bundesregierung lehnten diesen Entschädigungsfonds ab. Auch wenn
Zwangssterilisationen heute keine Anwendung mehr finden, klagen Betroffene über
die noch immer bleibenden langwierigen gerichtlichen Prozesse, deren Kosten sie
selbst tragen müssen, sowie die im Rahmen der Vornamens- und
Personenstandsänderung (VÄ/PÄ) einzuholenden psychiatrischen Gutachten. Diese
Zwangsbegutachtung verstößt unserer Auffassung nach massiv gegen die
geschlechtliche Selbstbestimmung. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes
spricht sich für die Abschaffung der Begutachtung und des gerichtlichen
Verfahrens aus, da dieses die Betroffenen psychisch belastet und im Widerspruch
zum Selbstbestimmungsrecht von trans* Personen steht.
Viele Länder (z.B. Malta, Portugal, Dänemark, Irland) haben mittlerweile
fortschrittlichere Regelungen eingeführt, bei denen die Änderung von Namen und
Geschlechtseintrag selbstbestimmt durch einen Antrag bei einer Behörde wie bspw.
dem Standesamt erfolgt. Der im Frühjahr von der Bundesregierung vorgelegte
Reformvorschlag wurde einer lang geforderten fortschrittlicheren Regelung nicht
nur nicht gerecht, sondern schlug die Einführung weiterer Hürden wie der
Befragung der Ehepartner*innen vor.
Auch die Einführung des § 45b PStG in diesem Jahr muss in der jetzigen
Ausgestaltung kritisch gesehen werden. Zwar gibt es nun in Deutschland eine sog.
"Dritte Option" beim Geschlechtseintrag, die nach Vorlage eines ärztlichen
Attestes über "Varianten der Geschlechtsentwicklung" beim Standesamt beantragt
werden kann, doch so steht dieser Weg nicht allen Betroffenen offen. Wir wollen
uns für eine bürokratiearme Lösung einsetzen, die ohne Pathologisierung auskommt
und allen Betroffenen offen steht.
Für uns ist klar: Alle Menschen haben das Recht auf geschlechtliche
Selbstbestimmung.
Darum setzen wir uns für folgende Punkte ein:
- Eine selbstbestimmte dritte Option sowie die Option den Geschlechtseintrag
leer zu lassen im Personenstandsrecht, die ohne Pathologisierung auskommt
und nicht nur inter* Personen, sondern auch z.B. nicht-binären Menschen
offensteht
- ein Ende der staatlichen Pathologisierung und Gutachtenpflicht
- aus Selbstbestimmung basierende Vornamens- und Personenstandsänderung
(VÄ/PÄ), die als kostenloser Verwaltungsakt vorgenommen werden
- Zugang zur VÄ/PÄ für Nichtdeutsche, die in Deutschland wohnen
- Die sozialrechtliche Absicherung trans*-spezifischer Gesundheitsversorgung
- Die rechtliche „Geschlechtsmündigkeit“ ab 14 (analog zur derzeit gültigen
"Sexualmündigkeit"), perspektivisch ab der Geburt
- Zertifizierte Beratungsstellen
- Eine geschlechtsneutrale Formulierungzur Regelung der Elternschaft in
Gesetzestexten & Dokumenten
- Die konsequente Umsetzung eines Verbots von geschlechts-
bzw.genitalverändernden Operationen an nicht zustimmungsfähigenKindern
(wie sie bspw. häufig an inter* Kindern erfolgen)
- Eine Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte von trans* Personen in
Deutschland
- Eine angemessene Entschädigung für trans* und inter* Personen, deren
Menschenrechte verletzt worden sind, in Form eines Entschädigungsfonds
- Aufklärungs- & Sensibilisierungsprogrammean öffentlichen Einrichtungen
sowie ein pädogischer Leitfaden für den respektvollen Umgang mit trans*,
inter* und nicht-binären Kindern & Jugendlichen & institutioneller
Leitfaden für den repektvollen Umgang mit betroffenen Kolleg*innen &
Angestellten
- Konsequentes Vorgehen gegen Gewalt
- die Unterstützung & Aufbau queerer Jugendberatungen unter Einbeziehung
spezifischer trans*, inter* und nicht-binärer Beratung
- Die Stärkung von trans*, inter* und nicht-binären Perspektiven in
Wissenschaft und Forschung, insbesondere der Medizin und der
Rechtswissenschaft