ggf. mündlich
Antrag: | Kein Gott, kein Staat, kein Überwachungsapparat! |
---|---|
Antragsteller*in: | Daniel Laps |
Status: | Behandelt |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 02.04.2019, 00:00 |
Antrag: | Kein Gott, kein Staat, kein Überwachungsapparat! |
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Antragsteller*in: | Daniel Laps |
Status: | Behandelt |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 02.04.2019, 00:00 |
Kein Verfassungsschutz, kein Staat, kein Überwachungsapparat!
Kein Gott, kein Staat, kein Überwachungsapparat!Das muss eine Demokratie aushalten können
Kein Gott, kein Staat, kein Überwachungsapparat!Das muss eine Demokratie aushalten können
Unsere Welt wird immer größer, bunter und vielseitiger - gleichzeitig gewinnen
Diskurse über "Sicherheitsgefühl", "potenzielle Täter*innen" und "Terrorismus"
stets mehr die Oberhand. Wir beobachten, wie in ganz Deutschland Polizeigesetze
verschärft werden und die Debatte über sogenannte "linksradikale Gewalt" und
"islamistischen Terror" an Fahrtwind gewinnt und die Gesellschaft spaltet.
Mehr Kontrolle ist nicht gleich mehr Sicherheit!
Zum bestehenden Diskurs der Härte kommt die Intensivierung von Datenspeicherung
und die Idee der größtmöglichen Kontrolle des öffentlichen Lebens hinzu:
Individual- und Grundrechte werden dem emotional besetzten "Sicherheitsgefühl"
geopfert. Dass reale Sicherheit dabei nicht wächst, bleibt unbeachtet. So führte
beispielsweise das Staatsversagen im Fall Amri nicht etwa dazu, dass endlich die
lange geforderte Abschaffung des Verfassungsschutzes kommt, sondern trägt dazu
bei, dass ein Generalverdacht alle migrantisch aussehenden Mitmenschen trifft
und die Befugnisse der landes- und bundespolizeilichen Behörden vielfach
ausgeweitet werden.
Der Wunsch nach absoluter Sicherheit ist dabei jedoch völlig illusorisch und
niemals erreichbar. Allerdings beobachten wir, dass auf Basis dieses Wunsches
tiefgreifende Rechtseingriffe geschehen. Mit der Konstruktion der "drohenden
Gefahr" oder von "gefährlichen Plätzen und Orten" haben sich die
"Sicherheitsbehörden" Instrumente geschaffen, mittels derer sie willkürlich eine
Politik der Härte durchsetzen können: eine Politik, die verstärkt Menschen
trifft, die ohnehin schon diskriminiert werden.
Dabei sind die realen Sicherheitsprobleme in unserer Gesellschaft durchaus
vorhanden, die bisherige Innenpolitik, mit einem überforderten Innen- und
Heimatminister in der Regierung, schafft es jedoch nicht, Lösungen anzubieten,
die Kriminalität und Diskriminierung entgegenwirken, auch bevor diese entstehen.
Wir als GRÜNE JUGEND wollen deswegen ein solidarisches und emanzipatorisches
Verständnis von Innenpolitik entwickeln, das die Kraft hat, als positive
Erzählung dem Diskurs der Angst und Härte entgegenzustehen und welches wir in
Partei und Gesellschaft tragen wollen:
Wo wollen wir hin?
Gerade im Diskurs der Sicherheit bleibt für uns eine freie Gesellschaft von
oberster Priorität. Das betrifft nicht nur Möglichkeiten der freien Bewegung,
Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte wie das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung; sondern es soll hier auch um eine Gesellschaft gehen, die frei
von Angst, Armut und Diskriminierung der Utopie eines schönen Lebens für alle
näher kommt.
Wie kommen wir dahin?
Eine Neuordnung der Innenpolitik verlangt ein Neudenken in vielen Bereichen: in
Sachen Recht und Rechtsnormen; in Fragen der Antirassismus- und
Antidiskriminierungsarbeit; in Querschnittsthemen wie der Sozialpolitik; und
auch ganz konkret in der Betrachtung innenpolitischer Institutionen. Wir wollen
festlegen, wie ein Gesellschaftsbild aussehen kann, das unseren Forderungen
entspricht und welche Art von Innenpolitik wir bejahen.
Um diese Ansätze zu Ende denken zu können, braucht es eine tiefgreifende
gesellschaftliche Analyse mit dem Mut, Themen radikal und neu zu denken und sich
unbequemen Fragen zu stellen.
Individuelle Freiheit bewahren!
Innenpolitik darf niemals nur die ausführende Hand von bestehenden Rechtslagen
sein, sondern muss diese immer und immer wieder hinterfragen! Deswegen
betrachten wir im Folgenden die Rechte von Individuen und Gruppen im komplexen
Konfliktfeld von sicherheits- und innenpolitischen Überlegungen.
Innenpolitik sollte immer in erster Linie vom Menschen aus gedacht werden. Der
oberste Schutz gilt der prinzipiell immer geltenden Unschuldsvermutung der*s
Einzelnen. Prämisse der Innenpolitik im Sinne der GRÜNEN JUGEND muss der Schutz
der Grundrechte sein! Das umfasst viele juristische Fragen. Zunächst gilt das
Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung auch heute im
digitalen Zeitalter und sollte dementsprechend dringend eine Revision erfahren.
Wir wollen das Versprechen auf das Recht an den eigenen Daten erneuern! Eine
wichtige Rolle spielen hier auch die umstrittenen biometrischen Pässe. Die GRÜNE
JUGEND will deren Benutzung binnen EU-Gesetzen abschaffen. Wir verhindern die
totale Kontrollierbarkeit des Individuums!
Ebenso schützenswert ist das Post- und Fernmeldegeheimnis, auch und gerade in
Hinsicht auf aktuelle Entwicklungen und angesichts von "Sicherheitsbehörden",
die ohne vorherige Beweislast private Gespräche abhören bzw. mitlesen. Neben
Post und digitalem Datenverkehr muss auch die Unverletzlichkeit der Wohnung und
des eigenen Körpers gelten - so sollten Leibesvisitationen durch die
Staatsgewalt nur mit Beweislast erlaubt sein!
Schützenswert sind gesellschaftliche, ethnische, religiöse und andere
Minderheiten. Insbesondere nicht-weiße Menschen stehen in Deutschland noch immer
und manchmal auch stets mehr unter Generalverdacht. Die GRÜNE JUGEND fordert ein
Ende des Racial Profiling u. a. durch die Streichung des Ausdrucks "oder
grenzpolizeilicher Erfahrung" aus BPolG §22 (1). Innenpolitik ist immer auch
Asylpolitik: die GRÜNE JUGEND fordert hier eine Erneuerung des unveräußerlichen
Grundrechts auf Asyl, sodass das Schutzbedürfnis der Geflüchteten endlich im
Fokus steht!
Aktivist*innen schützen!
Wir als GRÜNE JUGEND wollen eine aktive Gesellschaft. Wir fördern Menschen die
sich politisch und gesellschaftlich engagieren, wir wollen eine freie Debatte in
Politik, Medien und Gesellschaft. Diese Debatte soll auch auf der Straße
stattfinden. Deshalb ist die nach Artikel 8 des Grundgesetzes garantierte
Versammlungsfreiheit von hoher Bedeutung für uns. Um diese zu schützen, fordern
wir einen Umbau des Versammlungsgesetzes: ein Verbot von Polizeihunden und -
pferden bei Großdemonstrationen, die Entkriminalisierung von Sitzblockaden, ein
Verbot von chemischen Reizstoffen bei Demos und ein Ende des Verbotes von
Vermumnmung und sogenannter passiver Bewaffnung!
Es kann nicht sein, dass Vermummung bei religiösen Festen oder zu anderen
Anlässen erlaubt ist, sie aber insbesondere Aktivist*innen auf Anti-Nazi-Demos
nicht schützen darf. Deswegen fordert die GRÜNE JUGEND die Außerkraftsetzung der
§§ 17a Abs. 2, 27 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3c, 29 Abs. 1 Nr. 1a im Versammlungsgesetz.
Der §114 "Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte", welcher nach den G20-
Protesten eingeführt wurde, soll umgehend ersatzlos gestrichen werden.
Fragen von Staatlichkeit
Die GRÜNE JUGEND betrachtet die sogenannte "Staatshoheit" oder "Staatsgewalt"
kritisch. Utopisch kämpfen wir für die Abschaffung aller Staaten und Grenzen -
daher kann ein Staat für uns nur eine vorübergehende Situation darstellen. Dabei
unterscheiden wir den Staat klar von der 'Nation', welche wir ablehnen. Wir
sehen Staatlichkeit selbst als ein einengendes und exkludierendes Konzept,
weshalb das Augenmerk jeglicher staatlicher Gewalt immer auf das Individuum und
benachteiligte Gruppen gelenkt werden muss.Im Kern ist Staatlichkeit für die
GRÜNE JUGEND ein grundlegendes Konzept der Ordnung von menschlichem Miteinander.
Damit sehen wir den Staat als eine Verwaltungseinheit, die alle schützt - kein
Mehrheitenrecht, sondern ein Minderheitenrecht! - und der Möglichkeiten für alle
Individuen schafft, ein freies und schönes Leben zu führen. Er sorgt durch
individuelle und informationelle Freiheit für die Basis einer demokratischen
Gesellschaft.
Polizeiliche Gewalt einschränken!
Für uns als GRÜNE JUGEND ist das föderale Prinzip, besonders in der
Innenpolitik, bedeutend. Wegen der Erfahrungen aus der Zeit der
nationalsozialistischen Diktatur unterstützen wir das Verorten der Polizei in
erster Linie auf Landesebene. Aus den gleichen Erfahrungen heraus fordert die
GRÜNE JUGEND ebenfalls: die Trennung Militär - Geheimdienst - Polizei muss
aufrecht erhalten werden! Daraus ergibt sich die klare Ablehnung der aktuellen
Polizeigesetzreformen, die polizeiliche Befugnisse ausweiten und ihre Ausrüstung
verstärken und sie somit militarisieren. Außerdem lehnen wir diese aktuellen
Entwicklungen ab, da sie mit äußerst diffusen Gefahrenbegriffen und dem
Gefährder*innen-Begriff arbeiten, welche effektiv dazu führen, dass die
polizeiliche Arbeit noch vor dem konkreten Verdacht stattfinden soll und sie
dafür gleichzeitig mit geheimdienstlichen Befugnissen ausgerüstet werden soll.
Auch verurteilt die GRÜNE JUGEND den aufgeblähten Sicherheitsapparat im
Allgemeinen. Die verschiedenen Nachrichtendienste in Verbindung mit 16
Landespolizeien und 1 Bundespolizei haben überschreitende und sich gegenseitig
einschränkende Kompetenzen, die klar neu sortiert werden müssen. Außerdem
braucht das Parlamentarische Kontrollgremium mehr Reichweite und Kompetenzen, um
diese Dienste effektiv kontrollieren und in ihre Arbeitsweise Einblick gewinnen
zu können.
"Kriminalität" neu denken
Die GRÜNE JUGEND fordert eine Revision der Justiz: alte Nazi-Gesetze wie Zum
Beispiel die Paragrafen 211 und 219 des Strafgesetzbuches gehören dabei
abgeschafft. Im § 211, verfasst vom damaligen NS-Staatssekretär Roland Freisler,
werden "Mördern" Charaktereigenschaften zugeschrieben. Die ebenfalls dort
aufzufindende Trennung zwischen 'Mord', 'Totschlag' und 'besonders schwerem
Totschlag' aus Nazizeiten ist nicht haltbar und muss abgeschafft werden.
Wir, die GRÜNE JUGEND, fordern, Kriminalität neu zu denken. Wir wollen eine
verbandsinterne und gesellschaftliche Debatte anstoßen, die sich mit der Frage
von Kriminalität, "kriminellen Eigenschaften", Schuld und inbesondere Bestrafung
beschäftigt. Dabei soll der Fokus auf die Frage gelenkt werden; wie Polizei,
unsere Sicherheitsarchitektur und die Mehrheitsgesellschaft Kriminalität
konstruieren und das vermeintlich "Unnormale" dabei zu kriminellen Handlungen
erklären.
Des Weiteren fordern wir die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten - zum
Beispiel "schwarz fahren" in öffentlichen Verkehrsmitteln ist eine
Ordnungswidrigkeit und kein Verbrechen! Außerdem bleiben wir bei der Forderung
nach einer Legalisierung aller Drogen. 'Weiche" Drogen wie Cannabis sollen damit
konsumierbar werden, bei "harten" Drogen wird damit eine bessere
Qualitätskontrolle und Nachvollziehbarkeit des Handels möglich.
Keine Ruhe dem Rassismus und der Menschenfeindlichkeit!
Nicht zuletzt die bekannten Mitte-Studien (zuletzt Autoritarismus-Studie) der
Universität Leipzig zeigten ein ums andere Jahr: die Gesellschaft in der
Bunderepublik hat ein Problem. Es manifestiert sich in gruppenbezogener
Menschenfendlichkeit, Autoritarismus und Nationalismus. Was viele
Antifaschist*innen in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen schon seit
Jahrzehnten wissen, zeigt sich immer wieder auch in wissenschaftlich messbaren
Zahlen. Die Studien ergeben seit Jahren gleichbleibend hohe Zustimmung zu
autoritären, rassistischen und antisemitischen Aussagen.
Menschenfeindliche Ideologien benennen und einordnen
Dass das nicht nur die Einstellungen einer vernachlässigbaren und
bemitlieidenswerten Minderheit sind, oder die Verbreitung von Rassismus nur ein
zweitrangiges Problem ist, zeigt die alltägliche Diskriminierung und
Ausgrenzung, die etwa Migrant*innen, Muslim*innen oder Homosexuelle und Trans
jeden Tag erleben müssen. Solche Einstellungen begünstigen direkt und indirekt
Hetze, Pöbeleien bis hin zu körperlicher Gewalt und rechten Morden. In der
gesellschaftlichen Debatte spielt diese Dimension von Ausgrenzung und Rassismus
und vor allem die Grundlagen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit eine viel zu
geringe Rolle. Sowohl in der Wahrnehmung als auch in der gesellschaftlichen und
wissenschaftlichen Auseinandersetzung.
Die gesellschaftliche Debatte beschränkt sich viel zu häufig auf die unhaltbare
Extremismustheorie. Mit der Beschränkung auf die oft als gleichwertig
angesehenen Phänomenbereiche "Linksextremismus", "Rechtsextremismus",
"Islamismus" und "Ausländerextremismus" werden nicht nur völlig unterschiedliche
Phänomene in einen Topf geworfen. Der Begriff "Extremist*in" wird des Weiteren
viel zu häufig als Legitimation für Repression und Ausgrenzung radikal-
emanzipatorischer Positionen genutzt. Wir als GRÜNE JUGEND lehnen diese
Extremismusbegriffe ab.
Um endlich die ideologischen Grundlagen von gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit und die Auslöser von Gewalt identifizieren zu können,
braucht es mehr Mittel für die wisschenschaftliche Untersuchung. Auf dessen
Grundlage muss die Debatte endlich gestellt werden! Rassismus, Ausgrenzung und
Diskriminierung müssen benannt und als Teil der aktuellen gesellschaftlichen
Verfassung anerkannt anstatt als diffuser "Extremismus" relativiert werden.
Zivilgesellschaft stärken!
Wenn heute in der Bundesrepublik rechte Gewalt und Rassismus benannt wird, sind
es nie die staatlichen Behörden, die eine Debatte anstoßen oder Entwicklungen
öffentlich machen. Viele antifaschistische Gruppen, Initiativen und Vereine
organisieren jeden Tag Vorträge, Mahnwachen und Demonstrationen gegen
Naziaufmärsche oder Veranstaltungen menschenverachtender Organisationen.
Damit schaffen sie jeden Tag Freiräume für Migrant*innen und andere von
Ausgrenzung betroffene Bevölkerungsgruppen und machen eine Diskussion über
menschenfeindliche Ideologien - und was dagegen zu tun ist - erst möglich.
Leider haben sie oft mit vielerlei Hürden zu kämpfen. Die Sichtbarmachung von
alltäglicher Diskriminierung oder rechter Gewalt ist unpopulär und wird häufig
nicht angemessen unterstützt. Neben dem Ausbau finanzieller Austattung müssen
auch Hürden der zivilgesellschaftlichen antifaschistischen Arbeit abgebaut
werden.
Die GRÜNE JUGEND fordert:
• Antifaschistische Initiativen und Gruppen müssen in der Gesellschaft gehört
und ernstgenommen werden. Sie sind ein Frühwarnsystem bei der Erfassung
gefährlicher Entwicklungen. Ein Austausch von Sicherheitsbehörden und Politik
muss geschaffen und institutionalisiert werden.
• Der Zugang zu Fördergeldern für Vereine und andere Organisationsformen muss
erleichtert, die abzurufenen Mittel müssen ausgebaut werden.
• Förderprogramme, wie das Bundesprogramm "Demokratie Leben",
Radikalisierungspräventions- und Austeiger*innenprogramme müssen massiv auf
allen politischen Ebenen ausgebaut werden.
• Damit Zivilgesellschaft und antifaschistische Initiativen staatliches Handeln
bewerten und möglichst barrierefrei an öffentliche Informationen kommen können,
müssen Bürger*innen die Möglichkeit haben Auskunft von staatlichen Institutionen
zu erhalten.
• Antifaschistischer Protest darf nicht weiter kriminalisiert werden. Weitere
Strafrechtserschärfungen lehnen wir ab.
• Eine Verpflichtung antifaschistischer Initiativen, sich bei Anträgen auf
Förderprogramme oder bei amtlichen Eintragungen zur FDGO (freiheitlich-
demokratischen Grundordnung) bekennen zu müssen lehnen wir ab. Damit wird ein
Bekenntnis zu einem diffusen und noch dazu umstrittenen Rechtsbegriff verlangt,
der wie die Extremismustheorie eine Gleichsetzung völlig unterschiedlicher
politischer Strömungen voraussetzt.
Demokratiebildung stärken
Zentrale Aufgabe von politischer Bildung ist es, die Verbreitung von
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und die Wiederholung von Verbrechen gegen
die Menschlichkeit zu verhindern und die Teilhabe an demokratischen
Willensbildungsprozessen zu ermöglichen. Demokratische Partizipation und damit
Teilhabe aller Bürger*innen an der Gesellschaft wird durch eine vielfältige
Medienlandschaft ermöglicht. Diese muss auch in der digitalisierten Gesellschaft
aktiv erhalten werden.
Die GRÜNE JUGEND fordert:
• Demokratiebildung und die kritische Auseinandersetzung mit Nationalismus,
Rassismus und Diskriminierung als von Beginn an zentraler Bestandteil der
Bildungslaufbahn.
• Wir wollen die Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung ausbauen und
strukturell stärken.
• Auch auf europäischer Ebene soll eine Institution zur Stärkung von Demokratie
und Grundrechten mittels politischer Bildung geschaffen werden.
• Staatliche Unterstützung für unabhängige Medien und Journalist*innen, welche
darauf angewiesen sind - Die Vielfalt der Medienlandschaft darf nicht der
Willkür des Marktes überlassen werden!
Menschenfeindlichkeit in Sicherheitsbehörden
Rassismus, Diskriminierung und Autoritarismus sind auch und besonders ein
zentrales Problem deutscher Sicherheitsbehörden und -strukturen. Dies zeigte
sich nicht zuletzt beim Umgang staatlicher Behörden und der Politik mit
Rechtsterrorismus, wie etwa im Fall des NSU. Nicht nur Verfassungsschutzbehörden
und Polizei haben sich hier als unfähig erwiesenm auf Gefahr von Rechts
angemessen reagieren zu können. Auch Staatsanwaltschaften, Gerichte,
verschiedene Medien und Politiker*innen haben vorhandene Informationen nicht
genutzt oder vielfach unbewusst, häufig aber auch bewusst falsch bewertet. Wie
etwa der Fall "Hanniball" und sein rechtsterroristisches Netzwerk zeigen, wurden
die nötigen Konsequenzen bis heute nicht gezogen. Aufklärung wurde immer wieder
aktiv verhindert.
Sicherheitsbehörden, wie die Polizei, sind schon immer ein besonderer
Anziehungspunkt für autoritäre Charaktere und Ideologien der Ungleichwertigkeit
gewesen. Dies ist im Bereich der Inneren Sicherheit besonders problematisch, da
Gewalt und Ausgrenzung immer zuerst marginalisierte Gruppen treffen und Behörden
wie Polizei oder Verfassungsschutz eine hohe Definitionshoheit über die
Entwicklung und Bewertung von Kriminalität besitzen. Rassismus, Hetze, Gewalt
von Rechts und Hasskriminalität werden nur sehr unzureichend erfasst. Das liegt
zum einen an der mangelnden Bereitschaft, Ausgrenzung und Menschefeindlichkeit
als solche zu benennen. Zum Anderen leiden die Kriminalstatistiken in
Deutschland an einigen strukturellen Problemen.
Die GRÜNE JUGEND fordert:
• Der kriminalpolizeiliche Meldedienst für politisch motivierte Gewalt (KPMD-
PMK) muss reformiert werden. Rassistische und menschenverachtende
Tatmotivationen müssen besser berücksichtigt werden und eine nachträgliche
Änderung bei neuen Erkenntnissen soll erleichtert werden.
• Beamt*innen müssen laufend fortgebildet werden, um Hasskriminalität und die
ideologischen Grundlagen der Tatmotivation sicher erkennen zu können.
• Die Tatmotivation Hasskriminalität muss in der juristischen Aufarbeitung von
Straftaten eine größere Rolle spielen als heute.
• Behörden und Nicht-Regierungsorganisationen wie etwa die Amadeu Antonio
Stiftung, kommen bei der Zählung von rechten Morden zu völlig unterschiedlichen
Zahlen. Wir fordern unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen, in den
Bundesländern und auf Bundesebene, zur Aufarbeitung und Neubewertung der Fälle,
die in Auftrag gegeben werden müssen.
• Der NSU-Komplex oder auch das Oktoberfest-Attentat sind Beispiele für rechten
Terror in Deutschland. Ihre Aufarbeitung geht nur schleppend voran und wird
immer wieder sabotiert. Wir fordern: keinen Schlussstrich und kein Ende der
Aufklärung! Nichts wird vergeben! - Niemand wird vergessen!
• Die Einrichtung und ausreichende Austattung von Beauftragten gegen
gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene.
• Es soll flächendeckend Möglichkeiten geben, etwa antisemitische Vorfälle
barrierearm und anonym melden zu können. Denn eine Anzeige zu stellen ist für
Betroffene häufig eine große Barriere, die die Sichtbarkeit von rechten
Übergriffen verringert und die sich im Graubereich des Strafbaren bewegenden
Ausfälle gegen Minderheiten noch weiter schmälert.
• Rechter Terror ist eine sehr reale Bedrohung für viele Menschen in Europa. In
der öffentlichen Debatte spielt er jedoch nur selten eine zentrale Rolle. Das
muss sich ändern!
• Mitarbeiter*innen staatlicher Organe haben eine besonders hohe Verantwortung.
Menschenfeindliche Ideologie darf keine Auswirkungen auf staatliches Handeln mit
sich ziehen. Diskriminierungsfreiheit und Antirassismus müssen zentraler
Bestandteil der Ausbildung von Staatsbediensteten sein.
Innenpolitik ist nicht nur Polizei und Kameras
Wenn Sinn und Zweck der Innenpolitik ist, eine Gesellschaft zu schaffen, in der
Menschen frei von Angst leben können, müssen wir sie weiter denken, als nur die
Angst davor, Opfer eines Verbrechens zu werden. Angst vor Armut, Angst vor
Abstieg, Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung sind sehr relevante Phänomene
in der heutigen Gesellschaft und gleichzeitig aber auch Motoren von Unsicherheit
und Kriminalität.
Innenpolitik als Querschnittsthema: Sozialpolitik
Dabei kommt vor allem dem Feld der Sozialpolitik, neben vielen weiteren, eine
entscheidende Rolle zu. Denn Armut und Perspektivenmangel sind wesentliche
Faktoren für "klassische" Kriminalität, vor allem Raub und Diebstahl.
Sozialpolitische Maßnahmen innenpolitisch denken
Bisher werden sozialpolitische Maßnahmen nur als Solche gedacht. Die Ministerien
und oft leider auch die Abgeordneten in der Innen- und der Sozialpolitik
arbeiten aneinander vorbei. Daraus folgt eine unzureichende Abstimmung der
Maßnahmen und Verantwortungsdiffusion, insbesondere für langfristig präventive
sozialpolitische Maßnahmen, welche ein Kern guter Innenpolitik sein könnten.
Daher müssen sozialpolitische Maßnahmen vor allem darauf überprüft werden, ob
sie Menschen langfristig ein gutes Leben ermöglichen, frei von Angst und Armut,
dann wird auch die Kriminalitätsrate deutlich sinken.
Ein sehr gutes Beispiel ist hierfür auch die Wohnungspolitik. Die zunehmende
Gentrifizierung, der Bau von Sozial-Wohnungen vor allem am Stadtrand und
Diskriminierung bei der Wohnungssuche führen dazu, dass sich in vielen Städten
Viertel herausbilden, in denen Armut und Benachteiligung aufeinandertreffen und
es zu einem Multiplikationseffekt kommt. Dies wäre jedoch leicht zu verhindern,
ist aber offenbar nicht gewollt.
Als GRÜNE JUGEND fordern wir daher eine dauerhafte Institutionalisierung der
Zusammenarbeit des Innenministeriums mit betreffenden anderen Ministerien wie
dem BMAS, dem BMFSFJ und dem BMG.
Gleichzeitig muss sich auch auf parlamentarischer Ebene etwas tun, eine Enquete-
Kommission oder ein parlamentarischer Beirat wären hier mögliche Wege.
Rassismus und Kapitalismus - 2 Facetten eines Problems
Angst vor Abstieg ist ein wesentlicher Faktor für Diskriminierung und
Ausgrenzung, das haben uns diverse Studien immer wieder gezeigt. Soziale
Deprivation oder die Angst davor führen zur Verstärkung von Gruppenbildung,
Ausgrenzung und in Folge zu Gewalt. Unter sozialer Deprivation verstehen wir die
gesellschaftliche Ausgrenzung von Menschen, insbesondere durch systemische und
strukturelle Prozesse.
Innenpolitisch folgt daraus, sowohl die reale soziale Deprivation abzubauen, als
auch der auf Angst vor sozialer Deprivation basierenden Diskriminierung etwas
entgegenzusetzen.
Daher fordern wir als GRÜNE JUGEND
- Die Ausgrenzung vieler Menschen durch den Abbau staatlicher Strukturen muss
zurückgedreht werden. Viele Menschen werden vom Staat im Stich gelassen, weil
Krankenhäuser schließen und der Bus nicht mehr fährt. Diese Entwicklung müssen
wir umkehren und uns bewusst machen, dass dieser Abbau staatlicher Strukturen
dazu führt, dass sich Menschen von der Demokratie abwenden und eher dazu bereit
sind, die Schuld auf diskriminierte Gruppen zu schieben.
- Unsere Raumpolitik muss sich grundlegend ändern. Die Stadt ist nicht das
Ideal, an dem alles ausgerichtet wird und der Rest fällt hinten runter. Aber
auch in der Stadt müssen wir darauf achten, dass keine Gebiete entstehen, in
denen sich durch soziale Deprivation Hass und Diskriminierung multiplizieren.
- Aber auch die Abwertung anderer Gruppen auf Grund der Angst vor sozialer
Deprivation muss abgebaut werden. Dafür müssen wir raus aus der
Leistungsgesellschaft, insbesondere aber auch hin zur solidarischen
Begegnungsgesellschaft, in der Begegnungs- und Diskursräume für alle da sind um
gemeinsam an der solidarischen Gesellschaft zu bauen und Erfahrungen im Kontakt
mit vermeintlich anderen Menschen zu machen.
- An vielen Stellen greifen Nazis und Faschist*innen auf Basis mangelnder
Alternativen in Vierteln nach der Diskurshoheit in den Stadtteilen, in dem sie
Jugendzentren betreiben und soziale Treffpunkte organisieren um ihre eigene
Ideologie zu verbreiten. Hier muss hart durchgegriffen werden. Es darf keine
staatlich finanzierten oder offiziell anerkannten sozialen Projekte von
bekannten Nazis geben.
Berlin, wir haben ein Problem!
Auch institutionell muss sich vieles ändern, um dem von uns angestrebten Ideal
einer Innenpolitik näher zu kommen. Polizei, Justiz und Behörden müssen
großzügig reformiert werden!
Grundlegende Kritik der Polizei
Eine politische Einschätzung der Polizei darf nicht bei der Betrachtung
konkreter Handlungsweisen Halt machen, sondern muss auch das Grundkonstrukt
Polizei und Staatsgewalt mit einbeziehen.
Dabei ist insbesondere der Gewaltbegriff interessant. Eine der Grundlagen des
modernen Staatsbegriffs ist das Gewaltmonopol. Dieses heißt im Umkehrschluss
aber auch, dass die Interpretation dessen, was Gefahr ist, in der Hand der
Polizei und des Staates und damit implizit in der Hand der Mehrheitsgesellschaft
liegt. Das ist vor allem für diskriminierte Gruppen ein großes Problem, das
institutionell so tief sitzt, dass verständlich ist, wenn bspw. PoC kein
Vertrauen in die Polizei und den Staat haben. In diesem Zusammenhang lehnen wir
das Grundkonzept der "gefährlichen Orte" ab, vor allem auch, da sie in der Regel
von der Polizei bestimmt werden.
Ein weiteres Grundproblem ist die Orientierung und Beurteilung polizeilicher
Arbeit an konkreten Messziffern. Festnahmequoten sind dafür ein besonders
krasses Beispiel, aber auch die Anzahl durchgeführter Kontrollen sowie weitere
Messziffern sind hoch problematisch. Diese Neoliberalisierung der Polizeiarbeit
lehnen wir entschieden ab. Polizeiliche Arbeit darf niemals an konkreten
Messzahlen polizeilichen Handelns sondern maximal an Zahlen der konkreten
Schadensfälle gemessen werden.
Außerdem besteht ein Grundproblem bei der Kontrolle der Polizei. Die
Verselbstständigung polizeilichen Handelns, gepaart mit einem Mangel an
Kontrollmechanismen führt dazu, dass viele der im Folgenden beschriebenen
konkreten Probleme nicht konsequent angegangen werden können. Oft gilt der
Grundsatz "Was in der Polizei schief läuft, regelt die Polizei intern." Ein
Grundsatz, der nicht nur mit demokratischen Rechtsstaatprinzipien unvereinbar
ist, sondern auch dazu führt, dass Polizist*innen auch für schwere Vergehen in
der Regel ohne größere Konsequenzen davon kommen. Darum brauchen wir in allen
Bundesländern und auf Bundesebene unabhängige Polizeibeauftragte mit einem
großen Personalstab und Ermitlungsbefugnissen, an die sich alle Menschen, auch
Polizist*innen bei Beschwerden wenden können. Gleichzeitig entsteht Corpsgeist
vor allem in abgeschlossenen Einheiten wie Einsatzhundertschaften und der
Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit.
Racial Profiling und Rassismus in der Polizei
Für viele PoC und auch für andere marginalisierte Gruppen ist Rassismus in
Deutschland Alltag. Insbesondere betroffen sind sie aber von polizeilichem
Rassismus, der sich besonders in Racial Profiling äußert. Die Kontrolle von PoC
an Bahnhöfen, öffentlichen Plätzen und sogenannten "gefährlichen Orten" ist an
vielen Stellen eher die Regel als die Ausnahme. Durch die häufigere Kontrolle
werden bei PoC, die, bspw. in Fällen des sogenannten "Ausländerrechts" ohnehin
häufig schon mehr Straftaten begehen können, auch mehr Straftaten festgestellt.
Das führt, neben der sozialpolitischen Ausgrenzung, insbesondere von
Geflüchteten, zu der "Analyse", PoC würden mehr Straftaten begehen, was wiederum
zu mehr Kontrollen führt, usw.
Es bleibt die Frage, was dagegen getan werden kann. Einige Lösungsansätze
präsentieren wir oben. Wichtig ist aber auch der Einsatz der Zivilgesellschaft.
Wir solidarisieren uns mit Initiativen gegen rassistische und diskriminierende
Kontrollen und Racial Profiling und rufen dazu auf, selbst tätig zu werden und
einzuschreiten, wenn rassistische und diskriminierende Kontrollen durchgeführt
werden.
Daneben muss ein stärkerer Fokus in der Ausbildung und der Dienstaufsicht auf
das Bewusstsein über diskriminierende Denkmuster und Strukturen gelegt werden.
Im Übrigen bekräftigen wir unseren Beschluss vom 46. Bundeskongress mit dem
Titel "Strukturellen Rassismus in Polizeiarbeit und Strafrecht bekämpfen!"
Bewaffnung und Aufrüstung der Polizei
Viele der Waffen in den Händen der Polizei werden leichtfertig oder verfrüht
eingesetzt. Außerdem ist oft unklar, wann, wie und wo Waffen eingesetzt wurden.
Darum erneuern wir unsere Forderung nach einer grundlegenden
Dokumentationspflicht beim Einsatz von jeglichen Waffen.
Außerdem müssen bestimmte Waffen, die auf Grund ihres Wesens als nicht tödlich
angesehen werden, aber tödlich sein können, ganz aus dem Polizeiarsenal
verschwinden. Insbesondere sogenanntes Pfefferspray und Elektrotaser können
tödliche Folgen haben, die Polizist*innen beim Einsatz aber nicht abschätzen
können. Daher dürfen sie nicht eingesetzt werden.
Auch die Entwicklung der neuen Polizeigesetze, dass die Polizei Handgranaten,
auch gegen Menschen, einsetzen darf, lehnen wir entschieden ab.
Oft wird das Tragen von Waffen auch mit der Selbstverteidigung gerechtfertigt.
Hier müssen andere Ansätze und Lösungen gefunden werden. Den Ausbau von
Schutzmaßnahmen sowie die Entwicklung von Systemen, die Betroffene nicht
verletzen, unterstützen wir.
Den Einsatz von Bodycams lehnen wir grundsätzlich ab. Die zwei existierenden
Modelle setzen grundlegende Eingriffe in die Privatsphäre voraus. Es gibt ein
Modell, bei dem nur die*der jeweilige Polizist*in entscheiden kann, ob Aufnahmen
gespeichert werden, dies lehnen wir aus dem offensichtlichen Grund ab, dass
damit Betroffene nicht geschützt werden können. Das zweite Modell, das dauerhaft
aufnimmt, ist ein so grundlegender Eingriff in die Privatsphäre der
Aufgenommenen, dass auch dieses Modell nicht eingesetzt werden sollte. Darüber
hinaus ist in beiden Modellen nicht geklärt, wie die aufgenommenen Daten so
gesichert werden, dass sie nicht für Dritte zugänglich sind aber eben auch nicht
ausschließlich im Gewahrsam der Polizei aufbewahrt werden.
Polizeiliche sogenannte "Präventiv"-Eingriffe
Die massive Ausbreitung von polizeilichen Ermittlungen bereits in das Vorfeld
von eventuell strafrechtlich relevantem Handeln lehnen wir ab. Die Antwort auf
die Abschaffung von Inladsgeheimdiensten kann nicht die Übertragung der
Befugnisse auf die Polizei sein. Was wir bisher nicht zuletzt aus unserem
Rechtsverständnis abgelehnt haben, wird nicht dadurch richtiger, dass dies durch
die Polizei durchgeführt wird.
Wir reformieren Justiz und Staatsanwaltschaft!
Damit gerade von Diskriminierung betroffene Personen ein Leben frei von Angst
führen können müssen wir auch den Bereich der Justiz und Staatsanwaltschaft
beachten. Gerade beim Erkennen und Benennen von Hasskriminalität nimmt dieser
Bereich eine entscheidene Rolle ein. Dafür ist es nicht nur wichtig, dass es
auch hier Schulungen dazu gibt, sondern die Justiz insgesamt besser finanziell
ausgestaltet wird um die zeitlichen Kapazitäten zu schaffen, Hasskriminalität zu
erkennen und sich vor allem auch den Opfern von dieser ausreichend widmen zu
können. Darüber hinaus müssen wir gerade auch in diesen Bereichen darauf achten,
dass die Diversität der Gesellschaft repräsentiert ist. Eine Frau mit Kopftuch
ist Teil der Gesellschaft und muss daher auch selbstverständlich in einen
Gerichtssaal gehören. Um diese Repräsentanz gewährleisten zu können, müssen wir
diskriminierende Gesetzte abschaffen. Auch gerichtliche Konstellationen, die von
vornherein diskriminierend sind, wollen wir abschaffen. Dies betrifft
insbesondere Asylverfahren.
Verfassungsschutz abschaffen, ein für alle Mal
Die Bundes- und Landesämter für Verfassungsschutz haben nicht nur in den Fällen
des NSU und Anis Amri immer wieder gezeigt, dass sie nicht vor Leid und Gefahr
schützen, sondern oft im Gegenteil insbesondere rechte Strukturen noch
mitfinanzieren. Das Konzept eines Inlands-Geheimdienstes, der die Aufgabe hat,
das zu schützen, was Konservative als Mehrheitsgesellschaft verstehen, lehnen
wir in aller Deutlichkeit ab. Eine Gesellschaft, wie sie sich der
Verfassungsschutz als demokratiekonform vorstellt, ist eine unfreie und
angepasste Gesellschaft, eine Vorstellung, die wir aus radikal emanzipatorischer
Perspektive deutlich ablehnen.
Bis der Verfassungsschutz endlich abgeschafft ist, müssen wir aber auch damit
umgehen, dass er aktuell existiert. Mit diesem Beschluss schließen wir uns dem
der GJ Niedersachsen von 2018 an und fordern als GRÜNE JUGEND:
- Das Ende des V-Leute-Systems
- Die Auflösung der Beurteilungskriterien "linksextrem", "rechtsextrem" und
"Ausländerextremismus" (sic!) sowohl beim Bundesverfaschoschutz als auch in den
Landesverfassungsschutzämtern und beim Staatsschutz
- Die Überführung der parlamentarischen Kontrolle in die Öffentlichkeit
- Die Entbindung von Aufgaben der Bekämpfung von Spionage
Gegen rechte Strukturen in Bundeswehr und MAD vorgehen!
Zwei zentrale Punkte werden innenpolitisch dauerhaft in Bezug auf die Bundeswehr
diskutiert: Rassistische und rechtsextreme Strukturen innerhalb der Bundeswehr
und die Frage nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern. Unsere Antwort auf
diese Fragen ist eindeutig:
1. Rechtsextreme Strukturen wie das Netzwerk um "Hannibal" oder Franco A. wurden
zu lange heruntergespielt, "übersehen" oder zu Einzelfällen deklariert.
Rassismus und Rechtsextremismus werden aber von der autoritären Struktur der
Bundeswehr begünstigt, außerdem zieht sie durch diese Struktur überproportional
Menschen an, die autoritäre Einstellungen ohnehin schon haben. Daraus folgt
zweierlei: Zum Einen muss der Bundeswehr der autoritäre Charakter genommen
werden. Das harte Bestrafungssystem und quälende Ausbildungsmethoden dürfen
nicht mehr angewendet werden. Gleichzeitig müssen rechtsextreme Netzwerke von
Unabhängigen ohne Tabus aufgeklärt werden. Es darf nicht sein, dass
Rechtsextreme Zugang zu Kriegswaffen und scharfer Munition haben.
2. Bislang darf die Bundeswehr nur im Fall von Katastrophen und bei "innerem
Notstand" eingesetzt werden. Einer Ausweitung dieser Befugnisse stehen wir
entschieden entgegen. Allerdings kritisieren wir auch die bisher bereits
bestehenden Rechte. Bei G20, Anti-Nazi-Demos und Kohleprotesten haben wir
bereits gesehen, dass vermeintlich Konservative den Traum haben, die Bundeswehr
gegen Aktivist*innen einzusetzen. Dies, begründet auf dem "Inneren Notstand",
würde bedeuten, die Axt an die Grundfesten der Demokratie zu setzen. Auch die
Regelung für Katastrophenfälle ist für uns kein Grund die Tür für den Einsatz
der Bundeswehr offen zu lassen. Die Aufgaben die dabei aktuell die Bundeswehr
übernimmt können durch einen zivilen Krisendienst angelehnt an das technische
Hilfswerk deutlich besser durchgeführt werden.
Der militärische Abschirmdienst ist, so die Selbstbeschreibung, dafür zuständig,
"politischen Extremismus" in der Bundeswehr frühzeitig zu erkennen und die
betreffenden Personen zu beobachten bzw. zu sanktionieren. Er nimmt damit also
de facto die Rolle des Verfassungsschutzes ein. Und analog zum Bundesamt für
Verfassungsschutz hat auch der MAD massive strukturelle Probleme bei der
Bekämpfung rechter Strukturen. Vor allem Verharmlosung und die Tendenz, von
Einzelfällen zu sprechen, sind die zentralen Probleme. Hinzu kommt, dass der MAD
fast ausschließlich aus ehemaligen Soldat*innen und Mitarbeiter*innen des
Verteidigungsministeriums besteht, die auf Grund ihrer vorherigen Tätigkeit
keinen neutralen Blick haben. Daher fordern wir, den MAD aufzulösen. Die
Bekämpfung menschenfeindlicher Tendenzen soll in Zukunft durch eine Kooperation
einer zu schaffenden Sonder-Anwalt*innenschaft, dem wissenschaftlichen Institut
zur Analyse diskriminierender Gewalt und menschenfeindlicher Strukturen und den
allgemeinen Sicherheitsbehörden erfolgen. Die restlichen Aufgaben des MAD können
in die allgemeine Zuständigkeit der Bundeswehr überführt werden.
Zukunft des Bundesnachrichtendienstes
Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist als Auslandsgeheimdienst in der Theorie
dafür zuständig, Gefahren von außen frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.
Allerdings lassen sich hierbei immer wieder strukturelle und inhaltliche
Probleme feststellen, die nicht zu überwinden sind.
So hat der BND in der Vergangenheit massiv Rechtsbruch begangen, bspw. durch
nicht rechtmäßige Datenverarbeitung und Datenweitergabe oder die Behinderung der
Kontrolle, das bestätigen auch Bundesdatenschutzbeauftragte. Offenbar scheint
der BND in den letzten Jahren den Versuch unternommen zu haben, Deutschland im
digitalen Zeitalter zu sichern, allerdings lässt sich relativ schnell erkennen,
dass er dafür a) nicht gerüstet ist und b) an der falschen Stelle ansetzt.
So muss unsere Antwort im Bereich der digitalen Sicherheit statt des massiven
Ausspähens und widerrechtlicher Datenweitergabe doch vor allem eine Antwort der
Sicherheit der Einzelnen und der Behörden vor digitalen Angriffen sein. Dafür
brauchen wir allerdings dringend einen deutlichen Ausbau der digitalen
Grundkompetenzen in der gesamten Bevölkerung. Außerdem müssen wir den Weg weg
von proprietärer Software, die oft Sicherheitslücken zulässt oder sogar bewusst
einschleust und hin zu mehr Open Source und Transparenz gehen. Dazu gehört auch,
dass der BND und Partner*innen keine Sicherheitslücken bewusst herstellen dürfen
um Menschen ausspähen zu können.
Um die Probleme bei der Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten in den Griff
zu bekommen, gibt es keine andere Möglichkeit, als diese sukzessiv abzubauen und
stattdessen auf die Zusammenarbeit im Bereich der IT-Infrastruktur zu setzen. So
können wir auch die relevante Infrastruktur besser vor Angriffen schützen.
Langfristig müssen wir jedoch grundlegend hinterfragen, ob ein
Auslandsgeheimdienst, insbesondere in Form des BND, notwendig ist. Letztendlich
sind die strukturellen Probleme nämlich so groß, dass bei deren Abbau keine
Handlungsfelder mehr für den BND übrig bleiben, der BND wird damit obsolet und
gehört abgeschafft.
Unsere Forderungen an Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Sanitäter*innen
Wenn Innenpolitik heißt, Menschen ein Leben frei von Angst zu ermöglichen, wird
ein Bereich der Innenpolitik häufig vernachlässigt: Die Versorgung von Menschen
in Notfällen und die Prävention, bereits bevor Notfälle passieren können.
Feuerwehr, THW und Sanitäter*innen sind grundlegende Säulen der öffentlichen
Daseinsfürsorge und müssen vor allem in die praktisch-präventive Arbeit noch
stärker einbezogen werden. Viel zu häufig werden Dinge wie Brandschutz und
Fluchtwege eher als lästiges Übel denn als sinnvolle Präventionsmaßnahme
wahrgenommen. Hier muss, auch durch die verstärkte praktische Konsultation
dieser Berufsgruppen, ein anderes Bewusstsein geschaffen und ganz praktisch
Hilfe angeboten werden.
Dafür müssen wir diese Strukturen deutlich besser finanzieren und mehr Menschen
in diese Berufe bringen. Gerade in den letzten Jahren und Jahrzehnten sind es
Strukturen wie die Feuerwehr und Rettungssanitäter*innen, die in ländlichen
Räumen immer weiter abgebaut werden und wurden, sodass es in Ernstfällen sehr
lange dauern kann, bis Menschen zur Hilfe kommen.
Bisher wurde dies dann häufig mit dem Konstrukt der freiwilligen Feuerwehr
versucht aufzufangen, die an vielen Orten auch einer der letzten sozialen Räume
ist. Leider sind diese, wie viele andere Räume auch, besonders anfällig für
Diskriminierung und Rassismus. Und deshalb ist es besonders problematisch, dass
die Rettung von Menschen Strukturen obliegt, die in besonderer Weise anfällig
sind für diskriminierende Haltungen. Daher dürfen wir uns nicht länger auf die
Freiwilligen bei der Rettung anderer Menschen verlassen. Hier bedarf es
professioneller Strukturen, die im Zweifelsfall auch deutlich einfacher zur
Rechenschaft gezogen werden können.
Ein Leben ohne Angst vor Behörden!
Auch in anderen Bereichen des Alltags, die häufig in innenpolitischen Debatten
nicht mitgedacht werden, ist die Frage eines Lebens ohne Angst häufig von
strukturellen Problemlagen abhängig. Im alltäglichen Kontakt mit dem Staat, sei
es beim Bürger*innenamt, beim Kontakt mit dem Ordnungsamt oder beim Beantragen
des Kitagutscheins beim Jugendamt. In all diesen Bereichen muss es
selbstverständlich sein, dass die Struktur der Mitarbeitenden die Diversität der
Bevölkerung widerspiegelt. Es kann nicht sein, dass ein vermeintlicher
Migrationshintergrund dazu führt, dass eine Person vor Behördenbesuchen Angst
hat, dass vermeintlich migrantische Betriebe sehr viel häufiger von
Durchsuchungen des Ordnungsamtes betroffen sind. Denn auch das ist eine, wenn
auch noch seltener als solche wahrgenommene, Form von Racial Profiling! Um dem
entgegenzuwirken muss auch in der Ausbildung und Fortbildung von Ordnungsamt-
und Behördenmitarbeitenden eine klare Schulung gegen Racial Profiling und
anderes diskriminierendes Verhalten wichtiger Bestandteil sein. Darüber hinaus
wollen wir explizit für mehr Vielfalt bei der Auswahl der Mitarbeitenden werben
und strukturelle Diskriminierungen auch in der Einstellungspraxis abschaffen.
Links und Referenzen
Beschlusslage der GJ Niedersachsen zum Verfassungsschutz, beschlossen auf der
LMV im April 2018: https://gj-nds.de/blog/2018/04/verfassungsschutz-abschaffen-
der-fehler-liegt-im-system/
Beschluss vom 46. Bundeskongress der GJ zu Racial Profiling: https://gruene-
jugend.de/strukturellen-rassismus-in-polizeiarbeit-und-strafrecht-bekaempfen/
Kein Verfassungsschutz, kein Staat, kein Überwachungsapparat!
ggf. mündlich
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