Veranstaltung: | 1. Länderrat 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Länderrat |
Beschlossen am: | 01.08.2021 |
Eingereicht: | 31.08.2021, 18:23 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Keine Profite mit der Pandemie!
Beschlusstext
Spätestens seit sich im Mai 2021 die USA, Australien und Neuseeland der
Forderung nach einer Aussetzung der Patente auf Corona-Impfstoffe anschlossen,
wurde es einsam um die Blockadehaltung der EU: Der Rest der Welt hat längst
verstanden, dass es eine schlechte Idee ist, Profitraten von Pharmakonzernen
über das Leben von Menschen zu stellen.
Immer wieder zeigte sich in den letzten Monaten, wie konkret Marktlogiken einen
solidarischen und bedürfnisorientierten Umgang mit der Pandemie und ihren Folgen
verhindern: Während private Kontakte und Freizeitmöglichkeiten immer weiter
eingeschränkt und mit hohen Strafen belegt wurden, blieben wirksame
Arbeitsschutzmaßnahmen meist aus: Wirtschaftsinteressen hatten immer Priorität
vor menschlichen Interessen. Während dringend benötigte Hilfszahlungen für
ärmere Haushalte oft Monate dauerten oder gar nicht erst zur Debatte standen,
waren die Milliarden für TUI oder die Lufthansa schnell zusammen. Der gleichen
Logik folgt nun die Bekämpfung der Pandemie selbst: Um die Gewinne von Biontech
und Co. nicht zu gefährden, werden Produktionskapazitäten für den Impfstoff
weiter künstlich verknappt. Ohne einer Aussetzung der Patente werden viele
Länder frühestens 2023 flächendeckenden Zugang zu Impfstoffen haben. Das ist
nicht nur für die Menschen in den betroffenen Staaten eine Katastrophe, sondern
für uns alle: Je verbreiteter das Virus ist, desto größer ist die Gefahr immer
neuer Mutationen – die dann auch bereits erreichte Herdenimmunitäten wieder
zunichte machen. Die Pandemie ist erst besiegt, wenn sie global besiegt ist.
Vor allem aber ist die globale Versorgung mit sicheren und wirksamen Impfstoffen
schlicht eine Frage der Gerechtigkeit: Gesundheit darf kein Gut sein, das
reichen Ländern vorenthalten bleibt. Der Weg dorthin ist eine politische Frage.
Der erste Schritt dahin ist umfassende Transparenz über Produktionskosten, die
Sicherheit von Impfstoffen und Medikamenten sowie die Offenlegung von Verträgen,
die mit pharmazeutischen Unternehmen geschlossen wurden.
Das sogenannte TRIPS-Waiver-Abkommen regelt den Umgang mit Patentrechten von
Impfstoffen. Wir unterstützen die von Indien und Südafrika gestellten
Sonderanträge, das Abkommen auszusetzen für alle Patente und Informationen, die
zur Bekämpfung der Coronapandemie notwendig sind. Nach erteilter Freigabe ist
der Aufbau zusätzlicher Kapazitäten in der Impfstoffproduktion eine Frage von
wenigen Monaten. Angesichts der Aussicht, dass die meisten Länder der Welt
derzeit noch Jahre auf ausreichende Impfstofflieferungen warten müssen, ist die
Öffnung der Patente somit der entscheidende Faktor in der Frage, wann die
Pandemie zuende ist.
Die Rolle gewinnorientierter Produktion in der Pandemie hat damit tiefergehende
Notwendigkeiten aufgezeigt: Patente auf medizinische Produkte bedeuten nichts
anderes, als lebensrettendes Wissen bewusst unter Verschluss zu halten. Es
braucht eine grundlegende Reform des Patentrechts mit dem Ziel,
Gemeinwohlinteressen zu stärken. Nur so kann der nötige Wandel zu einem
kooperativeren Umgang mit Wissens- und Technologietransfer geschehen. Bisherige
freiwillige Angebote sind der Markt- und Profitlogik entsprechend gescheitert.
Das bedeutet: Forschung, die insbesondere durch öffentliche Gelder gefördert
wurde, muss auch ein öffentliches Gut sein und dem Allgemeinwohl dienen - nicht
den Profiten von einigen Wenigen. Die Forschung und Beschaffung im
Gesundheitsbereich muss deshalb umgestellt werden: Statt weiter profitorientiert
zu forschen, müssen die Bedürfnisse von Menschen in den Mittelpunkt rücken.
Impfstoffe und Medikamente müssen globale öffentliche Güter werden. Weltweit
muss jeder Mensch unabhängig von seinen finanziellen Ressourcen das Recht auf
die beste medizinische Versorgung haben. Da dieses Ziel unvereinbar ist mit den
Gewinninteressen von Pharmakonzernen, ist eine Entprivatisierung des
Gesundheitsbereichs und eine international koordinierte, nicht gewinnorientierte
Versorgung mit Gesundheitsleistungen unumgänglich.